Twitter-Entgleisungen können nicht nur Fußballer. Nach der Anhörung des Innenausschusses zur Harmonisierung des Datenschutzes auf EU-Ebene bezeichnete der für den Datenschutz zuständige wissenschaftliche Mitarbeiter des grünen Europaabgeordneten Jan Philipp Albrecht, Ralf Bendrath, unter anderem drei Sachverständige als "schwarz-gelbe Freakshow". Und verwies darauf, dass Büroschluss gewesen sei.
"Niemand will absenken." Ralf Bendrath lässt in seinem Tweet am Montagabend keinen Zweifel daran, worauf er mit dem Zitat des Sachverständigen Nico Härting anspielt. Dem Zusatz "niemand hat die Absicht ... " folgt ein Hashtag unter anderem zum Thema "Ulbricht". Walter Ulbricht ging mit dem Satz "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen" in die deutsche Geschichte ein.
Bendrath kommentierte bei Twitter die Vorgänge im Innenausschuss des Deutschen Bundestags. Er ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Europaabgeordneten Jan Philipp Albrecht und unter anderem für Datenschutz zuständig. Über dessen Neuregelung auf EU-Ebene debattierten die Abgeordneten des Innenausschuss am Montag in einer öffentliche Anhörung mit Sachverständigen. Am Nachmittag ging es dabei deutlich ruhiger zu als noch am Morgen, als die Datenschutz-Grundverordnung auf der Tagesordnung stand, welche die Experten erheblich und ganz grundsätzlich kritisierten.
Nachmittags diskutierte man über die Harmonisierung des Datenschutzes bei der Strafverfolgung, welche die Experten jedenfalls im Grundsatz begrüßten und eher in Details Nachbesserungen forderten. Offenbar sehr zum Leidwesen des Politikwissenschaftlers und Bürgerrechtlers Bendrath.
"Es ist keine Bürozeit mehr"
Um 7:15 Uhr setzt er noch eins drauf, diesmal ohne die Sachverständigen unmittelbar zu adressieren. Dafür nennt er sie namentlich: "Schwarz-gelbe Freakshow mit Abel, Härting & Wuermeling als 'Sachverständigen' zur EU-Datenschutzreform."
Härting ist Anwalt in Berlin, Mitglied des Informationsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins und an diversen Zeitschriften zum IP- und IT-Recht beteiligt. Er twittert regelmäßig, mit dem Umgang im Netz ist er vertraut und dennoch beschwert er sich: "Das ist nun wirklich unterste Schublade. Sprechen Sie in diesem Ton für Ihre Partei?" In Kopie setzt er Jan Philipp Albrecht, den Abgeordneten, für den Bendrath tätig ist. Der Mitarbeiter aber scheint ungerührt, er spreche nur für sich. "Und es ist keine Bürozeit mehr."
Härting verlangt Ernsthaftigkeit für das Thema. "Und für Verantwortung und Respekt gibt es keinen Dienstschluss", kontert er.
"Filtersouveränität ftw"
Es geht noch ein wenig hin und her, zeitweise streitet man sogar in der Sache, Bendrath und Härting werfen einander jeweils vor, keine Argumente zu haben. Es bleibt der Vorwurf, so wird man ihn wohl verstehen dürfen, dass Härting und andere "die apokalyptischen Reiter der Datenschutzreform seien". Um kurz vor 20 Uhr verabschiedet sich ein Follower mit den Worten an Bendrath "folgte Ihnen bis eben, freakshow ging dann nicht mehr".
Den erzürnten Grünen scheint das wenig zu interessieren. Mit einem lapidaren Verweis auf die "Filtersouveränität", einen informationsethischen Anspruch auf freien Zugang, Umgang, Aggregation und Filterung von Information für das Individuum, verabschiedet er den ehemaligen Follower.
Nach eigenen Angaben ist Bendrath nicht nur Fachmann für Datenschutz, Identity-Management und digitale Bürgerrechte, sondern interessiert sich auch für neue Medien. Die Geschichten über Twitter-Entgleisungen nicht nur von Fußballern hat er sicherlich gehört.
pl/LTO-Redaktion
Grünen-Mitarbeiter beschimpft Sachverständige auf Twitter: . In: Legal Tribune Online, 23.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7370 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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