Personalmangel in der Justiz: Zu wenig Richter in Sachsen-Anhalt und Bran­den­burg

19.12.2016

Gerichte verhandeln nur bis halb vier, am Eingang wird nicht kontrolliert: Richter in Brandenburg und Sachsen-Anhalt schlagen Alarm und fordern mehr Personal. Der Mangel sei gravierend, auch weil sich dadurch Verfahren in die Länge zögen.

In Brandenburg und Sachsen-Anhalt beklagt die Richterschaft einen starken Personalmangel in der Justiz. Der Deutsche Richterbund (DRB) fordert daher Neueinstellungen, mangels befähigten Personals drohten immer längere Gerichtsverfahren. Zudem könne insbesondere in der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht zufriedenstellend gearbeitet werden.

Ein Problem in der Justiz stellen zu wenig Wachtmeister dar. Laut Markus Niester, dem Vorsitzenden des DRB-Landesverbandes Sachsen-Anhalt, ist der Mangel gravierend. An vielen Amtsgerichten sei zum Beispiel keine flächendeckende Einlasskontrolle mehr möglich. "Da können Sie rein- und rausgehen wie Sie wollen und keiner achtet darauf."

Teils können Gerichte am späten Nachmittag gar nicht mehr verhandeln: "Gerichtsverhandlungen müssen bis 15.30 Uhr beendet sein", berichtet Christian Löffler, Sprecher des Landgerichts (LG) Magdeburg. Denn danach sei kein Wachtmeister mehr da, um die Öffentlichkeit der Sitzung sicherzustellen.

Nicht genug Richter

Allerdings ist nicht nur zu wenig Sicherheitspersonal ein Problem. Es gebe auch zu wenig Richter - am LG Magdeburg fehlen nach Löfflers Angaben derzeit fünf. In der Folge ziehen sich Verfahren in die Länge und neue können erst mit Verzögerung eröffnet werden. Das kann im Strafprozess ernste Konsequenzen haben: "Wenn jemand in Untersuchungshaft sitzt, muss zeitnah der Prozess beginnen", erklärt Niester. Ist das nach sechs Monaten noch immer nicht passiert, muss der Verdächtige auf freien Fuß gesetzt werden - auch wenn er dringend tatverdächtig ist. Zwar habe es solche Fälle in Sachsen-Anhalt bisher nicht gegeben, anderswo in Deutschland aber schon.

Für Unmut unter den Richtern sorgt vor allem das System, nach dem der Personalbedarf berechnet wird. "Jeder Aufgabe wird eine Minutenzahl zugeordnet - für eine Strafsache gibt es zum Beispiel 157 Minuten", sagt Niester. Also gerade einmal rund zweieinhalb Stunden für das ganze Verfahren, von Anklage über Beweisaufnahme bis zum Urteil. Das sei zu wenig.

Noch ein Problem: Viele Richter werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen werden, so etwa in Brandenburg. Nach Informationen des dortigen Justizministeriums gehen in den kommenden sechs Jahren voraussichtlich 92 Richter in Pension. Ähnliche Probleme gibt es in Thüringen, wo bereits jetzt zwei Drittel aller Richter älter als 50 Jahre sind.

Zu wenig Neueinstellungen

Der DRB-Landesverband Brandenburg kritisiert die Überalterung ausdrücklich. Es müssten jährlich mindestens 30 Richter und Staatsanwälte eingestellt werden – ein Bedarf, dem die Landesregierung nicht nachkomme. Nach Informationen des Ministeriums gebe es zwar genug Absolventen in Brandenburg. Die Berufe des Richters und Staatsanwalts stellten jedoch herausgehobene Positionen dar, die nur durch entsprechend hoch qualifiziertes Personal wahrgenommen werden könnten.

Daher sei zu bedenken, dass Brandenburg bei der Auswahl der Besten mit Berlin konkurriere - und mit Anwaltsanzleien, die ein wesentlich höheres Honorar zahlten. Es sei deshalb schwierig, Absolventen zu gewinnen. Das könnte sich als Problem darstellen, wenn in einigen Jahren viele Stellen auf einmal besetzt werden müssen.

Daher stößt insbesondere auch die im Brandenburger Doppelhaushalt für die kommenden zwei Jahre festgeschriebene Zahl der Verwaltungsrichter auf Kritik. Nach Angaben der CDU-Fraktion bleibt die Zahl für die Jahre 2017/2018 mit 78 auf dem Stand dieses Jahres. Wilfried Kirkes, Vorsitzender der Vereinigung der Brandenburger Verwaltungsrichter, sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass sich damit die bestehende übermäßige Dauer von Verwaltungsverfahren zusätzlich verlängern werde.

Zahl der Asylverfahren nimmt stark zu

Insbesondere die Zahl der Asylverfahren nehme stark zu. Die Prüfung eines Asylantrags im klassischen Verfahren nehme im Gegensatz zum sogenannten Dublin Verfahren viel mehr Zeit in Anspruch. Deshalb steht die derzeitige Personalausstattung der märkischen Verwaltungsgerichte Kirkes Ansicht nach im Missverhältnis zur Absicht der Bundesregierung.

Sie wolle Migranten, deren Asylanträge durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt worden sind, möglichst schnell in ihre Heimatländer abschieben. Kirkes kritsiert: "Solange die Verwaltungsgerichte über Eilanträge gegen Abschiebungen nicht entschieden haben, können diese nicht vollzogen werden." Eine Abschiebung verzögere sich aber mit der Länge des Verwaltungsverfahrens- und jenes dauert umso länger, je schlechter das zuständige Gericht besetzt ist.

dpa/nas/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Personalmangel in der Justiz: . In: Legal Tribune Online, 19.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21509 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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