Syrer können nicht pauschal den Status eines Flüchtlings bekommen, nur weil sie im Ausland waren und Asyl beantragt haben. Mit dem Urteil bestätigt das OVG Schleswig die Entscheidungspraxis des BAMF.
Syrische Flüchtlinge, die vor der Ausreise keine individuelle Verfolgung erlitten haben, können die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht allein wegen ihres Auslandsaufenthaltes und der Asylantragstellung beanspruchen. Dies hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) entschieden (Urt. v. 23.11.2016, Az. 3 LB 17/16). Damit hat erstmals ein OVG in dieser bundesweit streitigen und sehr unterschiedlich bewerteten Frage nach mündlicher Verhandlung geurteilt.
In dem Fall hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) der Klägerin subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) als Bürgerkriegsflüchtling zuerkannt. Das ist seit Frühjahr dieses Jahres regemäßige Praxis des BAMF. Wie die Klägerin erheben viele Syrer Klage gegen diese Entscheidung, weil dieser subsidiäre Schutz dem Familiennachzug entgegensteht. Ziel dieser Klagen ist es, als Flüchtling iSd § 3 Abs. 1 AsylG anerkannt zu werden.
1. Instanz: Bei Rückkehr droht Gefahr
In der ersten Instanz hatte die Klägerin mit ihrem Begehren Erfolg, die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts Schleswig-Holsteinisch hat im schriftlichen Verfahren durch Gerichtsbescheid vom 4. August 2016 der Klage stattgegeben und der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuerkannt.
Zur Begründung hatte das Gericht ausgeführt, es bestehe die beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Klägerin bei einer Rückkehr nach Syrien politische Verfolgung drohe. Es sei anzunehmen, dass der syrische Staat gegenwärtig das Stellen eines Asylantrags im Zusammenhang mit einer (illegalen) Ausreise und dem entsprechenden Aufenthalt im westlichen Ausland als Anknüpfungspunkt und Ausdruck einer politisch missliebigen Gesinnung und damit als Kritik am herrschenden System ansehe, die das Gebot der Loyalität gegenüber diesem verletze.
Ein solches Verhalten werde - ungeachtet einer tatsächlichen oppositionellen Haltung des Einzelnen - vom syrischen Staat generell und unterschiedslos als Ausdruck regimefeindlicher Gesinnung aufgefasst. Zumindest Rückkehrer aus dem westlichen Ausland und damit auch aus Deutschland hätten in der Regel mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Anknüpfung an ihre tatsächliche oder wohl zumeist nur vermutete politische Überzeugung mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen. Mit dieser Argumentation hatten zuletzt auch das VG Trier und das VG Düsseldorf derartige Klagen von syrischen Flüchtlingen entschieden.
BAMF: Keine gesicherten Anhaltpunkte für Verfolgung
Doch auch die Position des BAMF ist stets dieselbe: Es gebe keine gesicherten Anhaltspunkte dafür, dass abgeschobenen Rückkehrern grundsätzlich ungeachtet besonderer persönlicher Umstände oppositionelle Tätigkeit unterstellt werde und Befragungen bei Rückkehr bzw. damit einhergehende Misshandlungen in Anknüpfung an ein asylrechtliches Merkmal erfolgten.
Dieser Argumentation des BAMF ist das OVG nun gefolgt und hat die Klage abgewiesen. In der mündlichen Urteilsbegründung führte die Vorsitzende des 3. Senats aus, die dem Gericht vorliegenden Auskünfte böten keine ausreichende Grundlage für die Annahme, dass Rückkehrern allein wegen ihres Auslandsaufenthaltes und der Asylantragstellung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohe. Die von der Klägerin in einem späten Stadium des Berufungsverfahrens vorgebrachten individuellen Gründe für eine drohende politische Verfolgung hätten den Senat insoweit nicht überzeugt.
Mittlerweile sind allein beim OVG Schleswig 79 weitere Anträge des BAMF auf Zulassung der Berufung in vergleichbaren Fällen anhängig.
tap/LTO-Redaktion
Tanja Podolski, OVG Schleswig zu Flüchtlingsstatus: . In: Legal Tribune Online, 23.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21246 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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