Ein U-Ausschuss zu "linksextremistischen Strukturen" laufe dem Gewaltenteilungsgrundsatz zuwider, sei zu "uferlos" und ziele unzulässigerweise auf grundrechtliche Freiheiten von Einzelpersonen ab. So das LVerfG zu einer Klage der AfD.
Sachsen-Anhalts Landtag hat zu Recht einen von der AfD beantragten Untersuchungsausschuss zum Linksextremismus abgelehnt. Das entschied das Landesverfassungsgericht (LVerfG) Sachsen-Anhalts am Dienstag in Dessau-Roßlau (Urt. v. 8.10.2020, Az. LVG 34/19).
Die Richter wiesen einen Antrag von AfD-Fraktionsmitgliedern und eines fraktionslosen Landtagsmitglieds zurück, die sich in ihren Minderheitenrechten beschnitten sahen. Die 22 Abgeordneten hatten mit dem U-Ausschuss linksextremistische Strukturen in Sachsen-Anhalt und deren Verbindungen zu politischen Parteien, Gewerkschaften und Vereinen untersuchen wollen.
Das aber überschreitet deutlich die Kompetenzen des Parlaments, urteilten die Verfassungsrichter in dem Organstreit. Der Untersuchungsauftrag laufe dem Grundsatz der Gewaltenteilung zuwider. Das Parlament würde damit Aufgaben der Exekutive, insbesondere des Verfassungsschutzes, sowie der Rechtsprechung übernehmen.
"Linksextremismus" kein juristischer Begriff
Zudem widerspreche der Untersuchungsauftrag dem Grundgedanken eines demokratischen Rechtsstaates, weil er dem Parlament ermöglichen würde, die Arbeit politischer Parteien zu kontrollieren. Potenziell könnte er damit deren Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes beeinflussen. Darüber hinaus seien parlamentarische Untersuchungen, die unmittelbar auf Ermittlungen über die Entfaltung grundrechtlicher Freiheit durch Einzelpersonen und privatrechtliche Personenvereinigungen zielen, grundsätzlich nicht zulässig, teilte das Gericht mit.
Die Richter wiesen darauf hin, dass der Begriff "Linksextremismus" kein juristisch definierter Begriff sei. "Der Begriff wird zwar von Behörden, Medien und Wissenschaft benutzt. In den Sozialwissenschaften sind Grenzen und Anwendung des Begriffs uneinheitlich", hieß es im Urteil. Daraus ergebe sich eine "Uferlosigkeit des Untersuchungsgegenstandes".
Die AfD und der fraktionslose Abgeordnete brachten im Sommer 2019 das nötige Viertel der Abgeordneten als Unterstützung für den U-Ausschuss zusammen. SPD, Grüne und Linke stimmten aber dagegen, die CDU enthielt sich. Somit gab es im Plenum mehr Nein- als Ja-Stimmen, der Antrag wurde abgelehnt.
Die Linke und SPD sehen sich bestätigt
Im Anschluss an die Urteilsverkündung sagte AfD-Landtagsfraktionschef Oliver Kirchner: "Unser Auftrag war es ja nicht, hier Strafverfolgung zu betreiben, sondern Aufklärung in Sachsen-Anhalt in Bezug auf Linksextremismus zu betreiben, und da hat Sachsen-Anhalt eindeutig eine Chance verpasst." Und weiter: "Wir werden dieses Urteil rechtlich bewerten lassen und dann entscheiden, wie wir weitermachen."
Henriette Quade von der Linken-Landtagsfraktion sah die juristische Argumentation der ablehnenden Fraktionen von Linke, SPD und Grünen mit dem Urteil bestätigt. "Der Landtag hatte nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, diesen Untersuchungsauftrag abzulehnen, weil er deutlich die Kontrollrechte des Landtages überschritten hat und das damit ein Missbrauch von Minderheitenrechten gewesen wäre."
Der SPD-Abgeordnete Rüdiger Erben betonte: "Das ist eine juristische Vollklatsche für die AfD-Fraktion." Aufgelöst worden sei auch der Opfermythos, den die AfD pflege, wonach angeblich rechtswidrigerweise eine Mehrheit sie als Minderheit in ihrem Recht beschneiden würde. Der Grünen-Abgeordnete Sebastian Striegel sagte, der AfD sei deutlich aufgezeigt worden, wo die Grenzen des Rechtsstaats verlaufen und dass ihr Handeln rechtswidrig gewesen sei.
Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat in der laufenden Wahlperiode seit 2016 bereits sechs U-Ausschüsse eingesetzt. Die meisten kamen auf Antrag der AfD zustande, die die größte Oppositionsfraktion im Magdeburger Parlament ist. Zudem wurde auf ihr Drängen eine Enquete-Kommission zu Linksextremismus einberufen.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
LVerfG Sachsen-Anhalt zu Streit im Landtag: . In: Legal Tribune Online, 08.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43668 (abgerufen am: 10.11.2024 )
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