LG Stendal bemängelt überhöhte Preise: Telefonieren im Gefängnis ist unverhältnismäßig teuer

05.01.2015

Das Telefonieren sei in vielen Gefängnissen Sachsen-Anhalts lange Zeit zu teuer gewesen, entschied das LG Stendal. Das Gericht hat das Hochsicherheitsgefängnis Burg daher verpflichtet, die Telefonkosten für die Gefangenen zu senken, teilte ein Gerichtssprecher am Montag mit. Die Entscheidung habe überregionale Bedeutung.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts (LG) Stendal befand es zunächst grundsätzlich für zulässig, Entgelte für das Telefonieren von Gefangenen zu erheben. Allerdings seien Preise, die deutlich über dem Niveau außerhalb des Vollzuges lägen, nicht zu rechtfertigen, wenn nicht verteuernde Bedingungen und Erfordernisse des Strafvollzuges dies notwendig machten. Auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei dies nicht vereinbar. Schließlich gebiete es die Fürsorgepflicht der Anstalt, die finanziellen Interessen der Gefangenen zu wahren (Beschl. v. 30.12.2014, Az. 509 StVK 179/13).

Ein Häftling hatte sich gegen die Höhe der Telefonkosten beschwert, für die er bis zu 300 Euro im Monat habe aufwenden müssen. Die Kosten in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Burg lagen zwischen zehn Cent pro Minute für Ortsgespräche und bis zu 2,60 Euro für Auslandsgespräche.

Nach Abfrage der Preise für Telekommunikationsdienstleistungen in anderen Anstalten und aufgrund eines Gutachtens stehe fest, dass die von der JVA Burg erhobenen Preise überhöht seien. Der Tarif liege unter Berücksichtigung der jedem Gefangenen gewährten zehn Telefonfreiminuten um 272 Prozent über dem Angebot des günstigsten Anbieters für Gefangenentelefonie.

Angleichung auf hohem Niveau

Die Tatsache, dass die Entgelte mit den Tarifen anderer großer Anbieter für Gefangenen-Telefonie vergleichbar seien, ändere daran nichts. Dabei handele es sich nach Ansicht des Gerichts lediglich eine Angleichung auf hohem Niveau. Zudem habe das Land die jeweiligen Anbieter durch langfristige Verträge gebunden und dadurch Konkurrenten den Marktzugang verwehrt.

Zum gleichen Ergebnis käme man auch unabhängig von den konkreten Marktverhältnissen. Denn verglichen mit den tatsächlichen Kosten für die Infrastruktur käme man zu einer Gewinnspanne von 66 Prozent. Eine gesunde Gewinnspanne liege bei maximal 15 Prozent, so der Sachverständige. 

Die Entscheidung wird nach Angaben des LG überregionale Auswirkungen haben, weil der Anbieter für Gefangenen-Telefonie Telio, der die JVA Burg versorgt, Marktführer ist und seine Leistungen auch in anderen Anstalten nach den beanstandeten Tarifen abrechnet.

Das betroffene Unternehmen mit Firmensitz in Hamburg widersprach der Entscheidung allerdings. Man habe die Preise in den meisten Gefängnissen bereits Mitte 2014 gesenkt, der Beschluss habe deshalb keine Auswirkungen auf andere Vollzugsanstalten.

dpa/age/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LG Stendal bemängelt überhöhte Preise: . In: Legal Tribune Online, 05.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14266 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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