DRB-Vorsitzender Gnisa: "Das Recht ist in der Krise"

24.05.2016

Mehr Respekt für das Recht. Das fordert der neue Vorsitzende des Richterbundes, Jens Gnisa. Politiker dürften sich nicht über Gesetze hinwegsetzen - und Bürger nicht ihre eigene Moral über das Recht stellen.

Das Recht hat in Deutschland nach Ansicht des Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes (DRB), Jens Gnisa, an Bedeutung verloren. Von der Politik werde Recht "mitunter als lästige Schranke" angesehen, über die man sich nicht selten hinwegsetze, sagte Gnisa am Dienstag in Trier. "Wenn schon die obersten Repräsentanten sich herausnehmen, sich nicht streng ans Recht halten zu müssen oder zumindest diesen Eindruck erwecken, untergräbt dies die Autorität des Rechtsstaats in bedenklicher Weise."

Er verwies als Beispiel auf den deutschen Verstoß gegen die Maastricht-Kriterien zur Neuverschuldung. Dazu passe auch die Klage der Politik, das Bundesverfassungsgericht enge sie zu sehr ein, sagte Gnisa. "Wenn Recht als allzu hohe Hürde für die Politik empfunden wird", brauche man sich nicht zu wundern, dass die Justiz nicht durch strukturelle Reformen gestärkt werde, sagte der Jurist, der seit Ende April dem DRB vorsitzt.

Auch Bürger verlören die Bindung an das Recht. Sie orientierten sich immer mehr "an selbstgestrickten, teils vom Recht völlig abweichenden Vorstellungen". "Es macht sich eine Emotionalisierung, eine Empörungskultur breit." Vor einem Urteil wüssten viele ganz genau, wie es auszusehen habe. Angeklagte würden von Medien vorverurteilt und selbst bei Freispruch gesellschaftlich nicht mehr rehabilitiert. Die Gesellschaft richte sich immer mehr an "eigenen Wert- und Moralvorstellungen" aus: Dadurch werde das Recht geschwächt.

"Das Recht ist in der Krise", sagte Gnisa, selbst Direktor des Amtsgerichts Bielefeld. Und deshalb genieße die Justiz nicht genügend Wertschätzung. Es brauche eine Öffentlichkeitsoffensive für das Recht. Bundesweit fehlten rund 2000 Richter und Staatsanwälte. Die Personalsituation ist eines der wichtigen Themen für den DRB. Gnisa hatte bereits bei seinem Amtsantritt kritisiert, dass sich die Länder in den vergangenen Jahren nicht einmal an die mittels des Personalbedarfsberechnungsverfahren PEBB§Y ermittelten Zahlen gehalten hätten.

"Lassen wir es nicht zu, dass eine der wichtigsten Säulen dieses Staates, die uns anvertraute Justiz, Schaden nimmt", sagte er vor rund 60 Juristen bei einer Versammlung des rheinland-pfälzischen Landesverbandes des DRB. "Schaden durch kurzfristige Sparrunden, durch Desinteresse der Politik, durch Unverständnis der Gesellschaft."

dpa/una/LTO-Redaktion

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DRB-Vorsitzender Gnisa: . In: Legal Tribune Online, 24.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19459 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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