BVerfG weist Richtervorlage zu ALG II ab: Unzu­lässig, aber "gewich­tige ver­fas­sungs­recht­liche Fragen"

Das BVerfG hat eine Vorlage des Sozialgerichts Gotha zur Kürzung der Bezüge von ALG-II-(Hartz IV)-Empfängern aus formellen Gründen abgelehnt. In der Sache habe das SG jedoch "gewichtige verfassungsrechtliche Fragen" aufgeworfen.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Vorlage des Sozialgerichts (SG) Gotha zu Kürzungen der Bezüge von Arbeitslosengeld II (ALG II / Hartz IV) Empfängern mit nun veröffentlichtem Beschluss für unzulässig erklärt (v. 06.05.2016, Az. 1 BvL 7/15). Das SG habe nicht hinreichend gründlich dargelegt, dass es für seine Entscheidung in dem Verfahren auf die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bestimmungen überhaupt ankomme. Es sei nämlich denkbar, dass die vor dem SG angegriffenen Bescheide, mit denen gegenüber einem ALG-II-Empfänger Bezugskürzungen festgesetzt wurden, schon aufgrund einer fehlerhaften Rechtsfolgenbelehrung rechtswidrig seien, in welchem Fall es auf eine etwaige Verfassungswidrigkeit für die Entscheidung des SG nicht ankäme.

Bemerkenswert ist allerdings, dass das BVerfG seinen Beschluss trotz dieses wenig spektakulären Zulässigkeitshindernisses schriftlich begründet – die überwältigende Mehrheit aller Verfassungsbeschwerden wird ohne schriftliche Begründung verworfen. Dass das BVerfG sich in diesem Fall die Mühe macht und zudem davon spricht, dass die Vorlage des SG "gewichtige verfassungsrechtliche Fragen" aufwerfe, könnte man als Fingerzeig dahingehend deuten, dass eine erneute Vorlage unter Beachtung der Zulässigkeitshürden möglicherweise Aussicht auf Erfolg haben könnte.

Konkret hatte das SG wissen wollen, ob § 31a i.V.m. den §§ 31 und 31b Sozialgesetzbuch (SGB) II mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus den Art. 1. Abs. 1 i.V.m. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG), dem Recht auf Leben und körperlicher Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG vereinbar seien. Die Bestimmungen sehen vor, dass die Bezüge von ALG II-Empfängern in einer ersten Stufe um 30, bei Wiederholung um 60 Prozent gemindert werden und bei fortgesetzter Wiederholung vollständig entfallen können, wenn die Betroffenen ihre Pflichten aus § 31 verletzen, sich also z.B. weigern, eine zumutbare Arbeit anzunehmen oder sich selbst nicht hinreichend um Arbeit bemühen.

Zitiervorschlag

Constantin Baron van Lijnden, BVerfG weist Richtervorlage zu ALG II ab: . In: Legal Tribune Online, 02.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19526 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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