BVerfG verwirft Erinnerung gegen Missbrauchsgebühr: Anwalt muss 500 Euro für Ver­fas­sungs­be­schwerde zahlen

von Pia Lorenz

01.08.2017

Das BVerfG hat die Erinnerung eines Anwalts gegen eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 500 Euro verworfen. Diese war ihm auferlegt worden, weil er in einer Verfassungsbeschwerde die Richter beleidigt hatte.

Ein Anwalt muss zahlen, nachdem er für seine Mandantin eine Verfassungsbeschwerde in einer sozialgerichtlichen Angelegenheit eingereicht hatte. Bereits im Januar dieses Jahres hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ihm eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 500 Euro auferlegt, weil er beleidigend und unsachlich vorgetragen habe. Nun hat es seine Erinnerung gegen den die Gebühr verworfen.

Zwar gehöre die Missbrauchsgebühr zu den Gerichtskosten im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr 4 Justizbeitreibungsordnung (JBeitrO), gegen die der Schuldner Einwendungen betreffend den beizutreibenden Anspruch selbst, die Haftung für diesen Anspruch oder die Verpflichtung zur Duldung der Vollstreckung im Wege der Erinnerung geltend machen könne, so das Gericht.

Um eine solche Einwendung handele es sich bei der des Anwalts jedoch nicht. Er wende sich vielmehr gegen die Verhängung der Missbrauchsgebühr als solche, die jedoch unanfechtbar sei (Beschl. v. 28.06.2017, Az. 1 BvR 2324/16). Neu ist das Vorgehen des BVerfG nicht: In regelmäßigen Abständen veröffentlicht das höchste deutsche Gericht Pressemitteilungen darüber, dass – vor allem gegenüber Anwälten - eine Missbrauchsgebühr verhängt wurde. Man ist fast geneigt, ihnen eine sanfte pädagogische Intention zu unterstellen.

Gegenleistung für die missbräuchliche Inanspruchnahme des BVerfG

Die Missbrauchsgebühr, die das BVerfG gemäß § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) erheben darf,  ist eine "Gegenleistung für die missbräuchliche Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts", so Karlsruhe in ständiger Rechtsprechung. "Das Bundesverfassungsgericht muss nicht hinnehmen, dass es an der Erfüllung seiner Aufgaben durch für jedermann erkennbar aussichtslose Verfassungsbeschwerden behindert wird und dadurch anderen Bürgern den ihnen zukommenden Grundrechtsschutz nur verzögert gewähren kann."

Mit dem Wunsch nach einer darüber hinausgehenden sog. Mutwillensgebühr, die bis zu 5.000 Euro hätte betragen können und völlig aussichtslose Fälle von den Richtern per se fernhalten soll, konnten die Karlsruher Richter sich im Jahr 2012 Jahren trotz einiger Lobbyarbeit in Berlin nicht durchsetzen.

So bleibt es bislang bei der Missbrauchsgebühr, die erst am Ende eines Verfahrens verhängt wird und Sanktionscharakter hat, aber nicht verhindert, dass die Richter sich erst einmal auch mit Fällen befassen müssen, die offensichtlich unzulässig oder unbegründet sind oder, wie es das BVerfG ausdrückt, "von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden".

Wann der Anwalt zahlen muss

Die mehreren Tausend Eingänge, die das Gericht jährlich bewältigen muss, liegen nicht zuletzt auch darin begründet, dass die Verfassungsbeschwerde nicht dem Anwaltszwang unterliegt. Das letzte nationale Rechtsmittel soll jedem offenstehen – auch demjenigen, der sich die Anwaltsgebühren nicht leisten kann. Daher normiert § 34 Abs. 1 BVerfGG die grundsätzliche Kostenfreiheit des Verfahrens, die Missbrauchsgebühr in Absatz 2 ist die Ausnahme zu dieser Regel.

Wird die Verfassungsbeschwerde aber von einem Anwalt eingelegt, kann auch ihm die Gebühr auferlegt werden, wenn ihm die missbräuchliche Handlung zuzurechnen ist. Nach Angaben eines Sprechers des BVerfG geschieht das gar nicht so selten. Es komme immer wieder vor, dass den Bevollmächtigten die Gebühr auferlegt wird. Auf dieser Grundlage muss nun der Anwalt, der die Beschwerdeführerin in der sozialrechtlichen Angelegenheit vertrat, 500 Euro zahlen.

Das BVerfG sah in seinem Fall den Missbrauch nicht zum Beispiel in der offensichtlichen Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der Verfassungsbeschwerde, sondern darin, "dass die Verfassungsbeschwerde in ihrer äußeren Form beleidigenden oder verletzenden Charakter aufweist und jegliche Sachlichkeit vermissen lasse". Der Rechtsanwalt äußere sich in herabsetzender Weise sowohl über die im Ausgangsverfahren tätig gewesenen Richter als auch die Richter und Bediensteten des BVerfG, heißt es in dem kurzen Beschluss vom Januar 2017, mit dem das Gericht die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung annahm und dem Anwalt die Missbrauchsgebühr auferlegte.

Gebühr wird in nicht einmal einem Prozent der Fälle verhängt

Auch wenn die Schwelle von 6.000 Eingängen jährlich, die die Richter selbst im Jahr 2012 als kritische Überlastungsgrenze definierten, in den vergangenen Jahren nicht überschritten wurde, wirkt die Menge der verhängten Missbrauchsgebühren im Vergleich zu den Eingängen, die das höchste deutsche Gericht zu bewältigen hat, aber äußerst moderat.

Im Jahr 2015 verhängten die Verfassungsrichter insgesamt 28 Sanktionen, 16 davon kamen aus dem Ersten Senat, der grundsätzlich für Verfassungsbeschwerden und Normenkontrollverfahren zuständig ist. Der Zweite Senat verhängte 12 Missbrauchsgebühren. Ihm sind Organstreitverfahren, Bund-Länder-Streitigkeiten, Parteiverbotsverfahren und Wahlbeschwerden sowie Normenkontrollverfahren und Verfassungsbeschwerden aus bestimmten Rechtsmaterien zugewiesen. Das entspricht bei  insgesamt 5.849 Neu-Eingängen gerade einmal 0,48 Prozent. Noch weniger war es im Jahr 2016, als beide Senate zusammen nur insgesamt zehn Missbrauchsgebühren verhängten, die insgesamt 5.731 Eingängen gegenüber standen.

Entsprechend sind auch die Einkünfte daraus überschaubar, im Jahr 2015 nahm das BVerfG 16.950 Euro ein, im Jahr 2016 nur 8.150. Den Rahmen von bis zu 2.600 Euro pro Missbrauchsfall schöpfen die Verfassungsrichter nur selten aus, im Jahr 2016 verhängte der Zweite Senat einmal eine Gebühr von 2.500 Euro, im Jahr 2015 wurde drei Mal 2.000 Euro verlangt. Meist liegt die verhängte Missbrauchsgebühr bei unter 1.000 Euro.

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, BVerfG verwirft Erinnerung gegen Missbrauchsgebühr: . In: Legal Tribune Online, 01.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23731 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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