Eine Hebamme muss wegen einer risikoreichen Hausgeburt, bei der das Kind gestorben ist, ins Gefängnis. Der BGH bestätigte die Verurteilung der Frau, die trotz Komplikationen ihr Entbindungskonzept einer "natürlichen Geburt" verfolgte.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Revision einer Hebamme als unbegründet verworfen (Beschl. v. 11.05.2016, Az. 4 StR 428/15). Mit ihrer Revision machte sie Verfahrensfehler und sachlich-rechtliche Mängel des Urteils gelten. Das Landgericht (LG) Dortmund hatte die 62-jährige Angeklagte wegen Totschlags durch Unterlassen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt, gegen sie ein lebenslanges Berufsverbot als Ärztin und Hebamme verhängt und eine Adhäsionsentscheidung zu Gunsten der Eltern des Tatopfers getroffen. Das Dortmunder Urteil ist damit rechtskräftig.
Die Angeklagte, eine Hebamme und approbierte Ärztin, ist eine Verfechterin der Hausgeburt und bezeichnet sich selbst als Spezialistin für Beckenendlagen. Im Jahr 2008 übernahm sie die Betreuung der schwangeren Nebenklägerin, bei der eine Beckenendlage des Kindes festgestellt worden war. Wegen der bei dieser Kindslage deutlich häufiger auftretenden Komplikationen und der gegebenenfalls eintretenden Erforderlichkeit eines Notkaiserschnitts soll nach den berufsrechtlichen Vorschriften der Hebammen und den Leitlinien zur außerklinischen Geburtshilfe in einem solchen Fall die Geburt nur unter klinischen Bedingungen erfolgen.
Obwohl die Hebamme das wusste, riet sie den aus dem Ausland angereisten Eltern aufgrund des von ihr verfolgten Entbindungskonzepts unter Verharmlosung der Geburtsrisiken zu einer Hausgeburt. Die Eltern hatten der Angeklagten deutlich gemacht, trotz der gewünschten außerklinischen Geburt kein Risiko für das Kind eingehen zu wollen und bei Komplikationen auch mit einem Kaiserschnitt einverstanden zu sein.
Kind hätte gerettet werden können
Die Hausgeburt erfolgte schließlich in einem Hotelzimmer in der Nähe der Praxis der Hebamme. Obwohl sie von der Kindsmutter eine Stunde nach dem Fruchtblasensprung vom Beginn der Geburt benachrichtigt worden war, suchte sie die Eltern erst auf, als die Wehen bereits fast 12 Stunden andauerten. Als sich die Geburt auch nach dem Eintreffen der Angeklagten weiterhin verzögerte und es zum Geburtsstillstand kam, weshalb sich die Gefahr einer lebensgefährlichen Sauerstoffmangelversorgung des Kindes stetig vergrößerte, veranlasste die Angeklagte in Kenntnis der Gefahr für das Leben des Kindes nicht die Beendigung der außerklinischen Geburt und die Verlegung in ein nahe gelegenes Krankenhaus.
Das Kind wurde nach insgesamt 18-stündigem Geburtsvorgang schließlich aufgrund Sauerstoffmangels unter der Geburt sterbend geboren und verstarb kurz danach.
Hätte die Hebamme noch bis vier Stunden vor der Geburt die Verlegung der Kindsmutter in ein Krankenhaus veranlasst, wäre das Kind durch einen Kaiserschnitt lebend und gesund geboren worden. Selbst wenn eine solche Maßnahme erst eineinhalb Stunden vor der Geburt ergriffen worden wäre, hätte das Leben des Kindes noch gerettet werden können. All dies sei der Hebamme bewusst gewesen.
acr/LTO-Redaktion
BGH bestätigt Verurteilung einer Hebamme: . In: Legal Tribune Online, 10.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19629 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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