Ist die Vorlage eines gefälschten Impfausweises in der Apotheke strafbar? Nachdem das LG Osnabrück dies kürzlich verneint hatte, melden sich nun die Generalstaatsanwälte zu Wort.
Die niedersächsischen Generalstaatsanwaltschaften halten die Herstellung und Vorlage gefälschter Impfzertifikate zur Erlangung eines digitalen Impfzertifikats in einer Apotheke für strafbar. Das teilten die vorgesetzten Strafverfolgungsbehörden in Braunschweig, Celle und Oldenburg in einer gemeinsamen Erklärung am Donnerstag mit.
Anlass für diese Aussage ist eine jüngst bekannt gewordene Entscheidung des Landgerichts (LG) Osnabrück. Das hatte zuletzt in einem Beschwerdeverfahren eine vorherige Entscheidung des Amtsgerichts (AG) bestätigt. Demzufolge war das Vorlegen eines gefälschten Impfpasses in einer Nordhorner Apotheke nicht strafbar, weil eine Strafbarkeitslücke bestehe. Der Vorlegende wollte sich mit dem gefälschten Dokument ein digitales Impfzertifikat erschwindeln. Die Generalstaatsanwälte teilen diese Rechtsauffassung nicht, wie es in der Mitteilung heißt.
Wertungswiderspruch statt Strafbarkeitslücke
Die Straftatbestände der Fälschung von Gesundheitszeugnissen gem. § 277 Strafgesetzbuch (StGB) und des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 279 StGB seien zwar immer nur dann anwendbar, wenn die Vorlage zum Zweck der Täuschung gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft erfolge, nicht jedoch gegenüber einer Apotheke oder anderen privaten Einrichtung.
Ein Rückgriff auf den allgemeinen Straftatbestand der Urkundenfälschung gem. § 267 StGB sei in einem solchen Fall aber möglich, weil anderenfalls nicht zu erklärende Wertungswidersprüche entstünden, begründen sie ihre Sichtweise.
"Es besteht kein Anlass zur Annahme einer Strafbarkeitslücke. Eine solche widerspräche ganz offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers", erklärten die drei niedersächsischen Generalstaatsanwälte Detlev Rust, Dr. Frank Lüttig und Andreas Heuer.
Die Generalstaatsanwaltschaften streben nun eine obergerichtliche Entscheidung an. Bis dahin müsse jeder, der versucht, mit einem gefälschten Impfzertifikat einen digitalen Impfpass zu erlangen, auch künftig damit rechnen, dass er oder sie von der Staatsanwaltschaft verfolgt werde, so die Generalstaatsanwälte weiter.
Obergerichtliche Entscheidung und Gesetzesänderung
Justizministerin Barbara Havliza (CDU) begrüßte die Haltung der Generalstaatsanwälte. "Es ist richtig, dass die Generalstaatsanwälte deutlich machen, dass man die Frage der Strafbarkeit rechtlich unterschiedlich beantworten kann. Das Problem liegt nicht in der Entscheidung des LG Osnabrück, sondern in der verworrenen Rechtslage." Solange es keine obergerichtliche Klärung gebe, solle niemand glauben, er könne ohne Risiko Impfausweise fälschen und in einer Apotheke vorzeigen.
Unterdessen hatte die niedersächsische Landesregierung in der vergangenen Woche bereits auf das Urteil aus Osnabrück reagiert und darauf gepocht, die Gesetzeslücke im Zusammenhang mit gefälschten Impfausweisen zu schließen. Staatskanzlei und Justizministerium bekräftigten einen Entschluss der Länder-Ministerpräsidenten. Darin wird der Bund aufgefordert, das Strafgesetzbuch und das Infektionsschutzgesetz so zu überarbeiten, dass das Vorlegen gefälschter Impfdokumente auch strafrechtlich geahndet werden kann.
Die Unionsfraktion im Bundestag hat dazu einen Gesetzesentwurf zur "Verbesserung des Schutzes von Impfpassfälschungen" angekündigt, um Menschen, die gefälschte Impfnachweise herstellen, verkaufen oder zur Umgehung von Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie benutzen, umfassend sanktionieren zu können.
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
Generalstaatsanwälte widersprechen LG Osnabrück: . In: Legal Tribune Online, 04.11.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46556 (abgerufen am: 10.11.2024 )
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