BGH legt Trennungsgebot dem EuGH vor: GOOD NEWS für Schleichwerbung durch die Politik?

von Prof. Dr. Markus Ruttig

23.08.2012

Ein Verleger wehrt sich gegen Schleichwerbung im Konkurrenzblatt. In zwei Instanzen bekommt er Recht. Der BGH aber hat ganz andere Sorgen als die "sponsored by"-Hinweise, um die es bislang ging: Ist es europarechtskonform, über das Wettbewerbsrecht auf die Landespressegesetze durchzugreifen? Die Antwort des EuGH auf diese Frage könnte politische Schleichwerbung künftig möglich machen, erklärt Markus Ruttig.

Der erste Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) ist für das Wettbewerbsrecht und nicht für das Presserecht zuständig. Und das Wettbewerbsrecht steht auch im Vordergrund bei der Frage, ob das Schleichwerbeverbot aus den Pressegesetzen der Länder über § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und damit in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren eingeklagt werden kann. § 4 Nr. 11 UWG bestimmt, dass unlauter handelt, wer gegen eine andere gesetzliche Marktverhaltensregelung, in diesem Fall § 10 Landespressegesetz (LPresseG) Baden-Württemberg verstößt.

Unter dem Titel "GOOD NEWS" verlegt die Beklagte des Ausgangsrechtsstreits ein Anzeigenblatt, in dem sie im Juni 2009 zwei Beiträge veröffentlichte, für die sie von Sponsoren ein Entgelt erhalten hatte. Zwischen der Titelzeile, die auch eine kurze Einleitung enthielt, und der 19 Fotografien umfassenden Bildberichterstattung befand sich beim ersten Artikel mit dem Zusatz "sponsored by" ein Hinweis darauf, dass dieser von einem Dritten finanziert wurde.

Auch in dem zweiten Beitrag, einem redaktionellen Kurzporträt der Stadt Leipzig, fanden sich in der Titelzeile der Zusatz "sponsored by" sowie der grafisch hervorgehobene Hinweis auf das zahlende Unternehmen. In beiden Fällen waren auch in unmittelbarer räumlicher Nähe zu den Artikeln als solche gekennzeichnete Anzeigen der Sponsoren abgedruckt.

BGH: Sperrt das Wettbewerbsrecht das Presserecht?

Die Klägerin, ein Konkurrenzunternehmen, ist der Auffassung, dass die Veröffentlichungen gegen § 10 des LPresseG Baden-Württemberg verstießen, weil sie nicht deutlich als Anzeigen gekennzeichnet seien und damit gegen das Trennungsgebot verstießen. Mit dieser Ansicht war sie, allein gestützt auf einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 10 LPresseG, in den beiden Vorinstanzen erfolgreich.

Der BGH hingegen zweifelt. Die Verbotsnormen der Landespressegesetze stimmen nicht vollständig mit den lauterkeitsrechtlichen Regeln des UWG überein. Letztere könnten aber ihrerseits abschließend sein.

Und so legte der erste Zivilsenat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, ob nach der Vollharmonisierung des Lauterkeitsrechts Schleichwerbung in der Presse auch unter Bezug auf das entsprechende Schleichwerbungsverbot in den Landespressegesetzen angegriffen werden kann. Der Vorlage-Beschluss (Beschl. vom 19.07. 2012, Az. I ZR 2/11) trägt die Bezeichnung GOOD NEWS.

Die Lösung liegt im Wettbewerbsrecht, nicht im Presserecht

Schleichwerbung ist verboten. Und zwar gleich mehrfach, wenn auch unterschiedlich nuanciert. Verbote finden sich in § 4 Nr. 3 UWG, in § 3 Abs. 3 UWG in Verbindung mit Nr. 11 des Anhangs zu dieser Vorschrift sowie in den Pressegesetzen der Bundesländer, eben zum Beispiel in § 10 LPresseG Baden-Württemberg.

Das nun von dem unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständigen I. Zivilsenat in dem Rechtsstreit erkannte Problem aber ist kein presserechtliches, sondern ein wettbewerbsrechtliches. Es geht letztlich darum, welche Auswirkungen die europarechtlich abschließende Vereinheitlichung oder Vollharmonisierung des Wettbewerbsrechts auf die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG und die in seinem Gefolge geltend gemachten Rechtsvorschriften hat.

Die EU-Richtlinie, mit der das deutsche UWG harmonisiert wurde, kennt nämlich eine § 4 Nr. 11 UWG ähnliche Bestimmung nicht. Wenn aber das Wettbewerbsrecht abschließende Regelungen enthält, ist dann über das Eingangstor des § 4 Nr. 11 UWG noch Platz für § 10 LPresseG?

Kann bald die Politik Redaktionen "sponsern"?

BGH hat seine Zweifel angemeldet, aber auch auf die Folgen hingewiesen, wenn die Luxemburger Richter zu dem Ergebnis kämen, dass die Bestimmung des § 10 LPresseG – und damit auch die entsprechenden Regelungen des Trennungsgebots in den anderen Bundesländern – nur angewandt werden könnten, wenn auch die zusätzlichen lauterkeitsrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen.

In diesem Fall, so der erste Senat, könnten Wettbewerber das presserechtliche Trennungsgebot nicht mehr durchsetzen, wenn die von Dritten finanzierten redaktionellen Inhalte keine kommerziellen, sondern zum Beispiel rein politische Zwecke verfolgen. Es bestünde ja dann keine Gefahr, dass Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden, die sie ansonsten nicht getroffen hätten. In diesen Fällen würde sich daher auch ein Rückgriff auf § 4 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 3 UWG in Verbindung mit Nr. 11 des Anhangs zu dieser Vorschrift verbieten.

Auch wenn der EuGH mit dem Vorlagebeschluss nicht aufgerufen ist, über die Europarechtskonformität des § 4 Nr. 11 UWG im Allgemeinen zu befinden, so bleibt doch mit Spannung zu erwarten, ob er sich in seiner Entscheidung jeglicher Bemerkung zu dieser Bestimmung enthalten wird.

Der Autor Dr. Markus Ruttig ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner bei CBH Rechtsanwälte in Köln. Er ist Dozent für Medienrecht an der Fachhochschule Fresenius. Einer der Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegt im Urheber- und Presserecht.

Zitiervorschlag

Markus Ruttig, BGH legt Trennungsgebot dem EuGH vor: . In: Legal Tribune Online, 23.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6906 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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