Die Welt schaut nach Washington. Wird Donald J. Trump als 45. US-Präsident ein politisches und wirtschaftliches Chaos anrichten? Oder wird er von Verfassung und Kongress eingehegt? Was er wirklich darf, und was nicht, untersucht Robert Peres.
Darüber, dass der Präsident der Vereinigten Staaten der mächtigste Mann der Welt ist, besteht weitgehend Einigkeit. Doch wie mächtig ist er wirklich? Wenn man sich das Vermächtnis des scheidenden Amtsinhabers Barack Obama ansieht, vielleicht doch nicht so sehr.
Zwar darf der US-Präsident Gesetze einbringen und auch von den beiden Parlamentskammern - Senat und Repräsentantenhaus - eingebrachte Gesetze per Veto verhindern. Er kann aber mit einer Zweidrittelmehrheit überstimmt werden. Bekannt ist dieses System als "Checks and Balances", die eine übermäßige Machtverteilung zugunsten eines Präsidenten verhindern sollen.
Mit Ausnahme der ersten zwei Jahre seiner Amtsperiode hat der Demokrat Obama immer gegen den Kongress regieren müssen. Zwar stellten die Demokraten bis vor zwei Jahren im Senat noch eine knappe Mehrheit, allerdings blockierten die Republikaner dort über die sog. "Filibuster"-Regelung jegliche Gesetzesvorhaben. Durch diese traditionelle Regelung benötigte jede Abstimmung eine "Supermajority" von 60:100 Stimmen. Seit 2015 haben die Republikaner sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus die Mehrheit und konnten deshalb sämtliche Gesetzesvorhaben und Nominierungen Obamas ausbremsen.
Exekutivanordnungen gegen Blockadepolitik
Aufgrund der Blockadepolitik des Kongresses setzte Obama zunehmend auf das Instrument der "Executive order", durch das der Präsident per Dekret exekutive Anordnungen erlassen kann. Diese betreffen in der Regel Änderungen innerhalb der Verwaltung. Eine der bekanntesten Exekutivanordnungen seiner Amtszeit war der Schutz von 750.000 illegal eingewanderten Jugendlichen und Kindern vor der Deportation.
Allerdings kann Donald Trump als neuer Präsident alle 275 Anordnungen Obamas per Federstrich revidieren. Diese Anzahl war im Übrigen nicht besonders hoch, sie liegt im Durchschnitt der letzten 10 Präsidenten. Es ist zu erwarten, dass Trump, sollte er auf Widerstände treffen, dieses Instrument wesentlich häufiger nutzen wird.
Die Kernfrage lautet also: Wie wird der Republikaner mit dem von seiner Partei beherrschten Kongress zusammenarbeiten?
Das Parteiensystem in den USA ist mit dem deutschen kaum zu vergleichen, Anforderungen wie die Fraktionsdisziplin gibt es dort nicht. Daher ist nicht zu erwarten, dass die beiden Kammern alles durchwinken, was Trump als Gesetzesinitiative anstößt.
Kommt es zum Streit mit dem Parlament, hat der Präsident kein Recht, dieses aufzulösen und Neuwahlen auszurufen. Während seines polarisierenden Wahlkampfs hat Donald Trump sich überdies mit vielen Parteivorderen überworfen, unter anderen mit Fraktionsführer Paul Ryan und prominenten Senatoren wie John McCain und Lindsay Graham. Es wird spannend zu beobachten sein, wie er seine Begabung als Dealmaker einsetzen wird. Für den Immobilienmogul ist alles eine Transaktion, er wird sich wohl in ständigem Handel mit dem Kongress befinden.
Die Ära der Deals
Es wurde Obama immer als Schwäche ausgelegt, dass er nie ernsthaft auf die Abgeordneten zugegangen ist und sich um Kompromisse bemüht hat. Andererseits ist es natürlich schwierig, mit Personen wie dem Senatsführer Mitch McConnell zu verhandeln. Dessen einziges Ziel war es, jeglichen politischen Erfolg Obamas zu verhindern. Insofern bleibt Obamacare, also die Gesundheitsreform von 2010, das größte politische Vermächtnis des ersten schwarzen Präsidenten im Weißen Haus.
Die Abschaffung der Reform ist nun die oberste Priorität der Kongressmehrheit, und sie ist bereits eingeleitet worden. Trump hat sie als Desaster bezeichnet, aber - wie immer - keine Alternative vorgestellt, außer zu behaupten es käme eine Krankenversicherung "für alle". Es steht daher zu befürchten, dass in der bevorstehenden "Ära der Deals" Obamacare für eines der Lieblingsprojekte Trumps geopfert werden wird, also etwa den Bau einer Mauer zwischen Mexiko und den USA. Denn das kann er nicht ohne den Kongress. Das Nachsehen haben könnten 20 Millionen Bürger, die ihre Krankenversicherung verlieren würden, sowie illegale Einwanderer.
Ende Oktober stellte Trump bei einer Rede in Pennsylvania seinen Plan für die ersten 100 Tage im Amt vor. Darin sprach er auch von Lobbyingverboten, dem Ausstieg aus der geplanten Transpazifischen Partnerschaft mit u.a. Australien, Kanada und Mexiko TPP und einer weitreichenden Deportation von "kriminellen illegalen Einwanderern". Auch das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA will er kappen. Für all das braucht er die Zustimmung des Kongresses. Und auch sein geplantes Infrastrukturprogramm sowie die Senkung der Unternehmensteuern auf 15 Prozent kann er nicht allein durchsetzen.
Robert Peres, Checks and Balances: . In: Legal Tribune Online, 20.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21829 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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