US-Supreme Court zu Patentrechten: Das Chaos nach der welt­weiten Ersc­höp­fung

von Dr. Johannes Graf Ballestrem

14.06.2017

Im Fall Lexmark gegen Impression Products hat das oberste amerikanische Gericht die bisherige Rechtsprechung über den Haufen geworfen. Die Entscheidung und wie sie Europa und den Welthandel berührt, erläutert Johannes Ballestrem.

Wer ein Produkt verkauft, gibt auch seine Patentrechte an dem verkauften Stück auf. Das hat der Oberste Gerichtshof der USA im Streit um den Weiterverkauf gebrauchter Druckerpatronen des Druckerherstellers Lexmark entschieden (Az.: 15–1189).

Das Unternehmen hatte gegen den Wiederbefüller Impression Products Inc. geklagt, weil der in und außerhalb der USA leere Toner-Kartuschen weiterverkauft hatte. Lexmark hatte unter Berufung auf ein US-Patent versucht, den Weiterverkauf in den USA zu verhindern. Vor dem Bundesgericht hatte das Unternehmen mit seinen Klagen noch Erfolg. Der Supreme Court hob das Urteil jedoch in beiden Fällen auf und stellte damit die jahrzehntelange Rechtsprechung untergeordneter Bundesgerichte auf den Kopf. Die Begründung der US-Bundesrichter lautete, dass die unfaire Praxis seitens Lexmark die Drittanbieter und den Handel in den USA benachteilige und auch nicht durch Patentrechte gedeckt sei.

Die Entscheidung hat weitreichende Folgen für alle US-Patentinhaber, die ihre Produkte weltweit absetzen. Patentrechte seien nämlich auch bei einem Verkauf im Ausland erschöpft, so das Gericht. Besondere Bedeutung hat die Entscheidung daher beispielsweise für Hersteller von Arzneimitteln, die identische Medikamente zu unterschiedlichen Preisen auf die jeweiligen nationalen Märkte bringen. Bislang konnten US-Patentinhaber Re-Importe oder Parallelimporte aus diesen Ländern zurück in die USA unter Berufung auf US-Patente verbieten. Dies ist nun nicht mehr möglich.

Hersteller müssen somit ihre weltweite Preispolitik anpassen. Auch Lizenzverträge sind betroffen, da sie oft einschränkende Regelungen zur Erschöpfung des Patents enthalten. Letztere sind nun unwirksam. Das Urteil stärkt auch die Rechte von Wiederaufbereitern gebrauchter Produkte (sogenannte Remanufacturers). Deren Geschäftsmodell basiert nicht selten auf einem weltweiten Beschaffen und Ansammeln der gebrauchten Produkte, zum Beispiel Druckerpatronen, um sie dann weltweit weiterzuverkaufen. Für Exporte in die USA ist das nach dem Urteil des Supreme Courts nun leichter.

Ungleichgewicht beim Verbot von Importen

Besondere Relevanz hat das Thema für Europa. Denn Produkte, die außerhalb der USA verkauft wurden, durften bisher nicht importiert werden, wenn in den USA Patentschutz bestand. Da der Supreme Court seinen Kurs geändert hat, dürfte auch hier die Diskussion einer weltweiten Patenterschöpfung in Gang kommen.

Bislang müssen Produkte im europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht werden, um zur Erschöpfung von Patentrechten in der EU zu führen. Wird ein Produkt mit Zustimmung des Patentinhabers in der EU erstvermarktet, kann dieser anschließend den freien Handel innerhalb der Union nicht mehr durch nationalen Patentschutz blockieren.

Umgekehrt greift die Erschöpfung der Rechte nicht automatisch bei Importen aus dem europäischen Ausland. Ein Produkt aus den USA darf daher zum Beispiel nur dann in die EU eingeführt werden, wenn der EU-Patentinhaber dies gestattet. Hier liegt eine erhebliche Beschränkung des Welthandels vor. Die Diskussion über eine internationale Erschöpfung gehört zu den umstrittensten Fragen im Welthandelssystem.   

Offener Umgang mit Ausnahmen

Ungeklärt bleibt allerdings der Umgang mit möglichen Ausnahmen und Umgehungsmöglichkeiten der neuen Rechtsprechung. Eine denkbare Variante ist die Aufteilung der nationalen Patentrechte auf verschiedene Patentinhaber. Für Gegenstände, die nicht konsumiert werden, kommen zudem Miet- und Leasinggestaltungen in Betracht.

Vertragliche Vereinbarungen, die ansonsten die Verwendungsmöglichkeiten des Erwerbers beschränken oder diesen gar zur Rückgabe des Gegenstandes verpflichten, sind hingegen nicht möglich. Erschöpfung tritt in diesem Fall dennoch ein.

Dr. Johannes Graf Ballestrem ist Rechtsanwalt bei Osborne Clarke in Köln und berät Unternehmen bei Fragen des geistigen Eigentums, insbesondere im Patentrecht.

Zitiervorschlag

US-Supreme Court zu Patentrechten: . In: Legal Tribune Online, 14.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23184 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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