Tag des bedrohten Anwalts 2015: "Wenn wir aufgeben, haben sie gewonnen"

"Natürlich sind wir in Gefahr, wir mischen uns schließlich in Streitigkeiten ein." Edre Olalia sagt das mit einer Selbstverständlichkeit, als gehörte es ganz offiziell zur Berufsbeschreibung des Anwalts. Gewissermaßen tut es das auch – zumindest für jene, die in seinem Heimatland, den Philippinen, die heiklen Mandate anpacken. An ihr Schicksal erinnern Kundgebungen am Freitag in Berlin und Essen.

Ein Gespräch mit Edre Olalia ist eine gewissermaßen surreale Erfahrung; fast droht man, verloren zu gehen in der Kluft zwischen Intonation und Inhalt seiner Aussagen.

Einmal sind da die Geschichten, die Olalia erzählt: Von der Kollegin, die sicherheitshalber jeden Tag einen anderen Weg zur Arbeit wählt. Von Dienstreisen, die man nur noch in Begleitung unternimmt und von Handys, die man lieber nicht einschaltet. Und von all jenen, bei denen diese Vorsichtsmaßnahmen nicht gereicht haben. Denen, die nachts attackiert wurden und morgens im Krankenhaus aufgewacht sind - wenn sie Glück hatten.

Olalia klingt, wenn er von diesen Vorfällen erzählt, die er nur als "Ablenkungen" bezeichnet, ernst, aber nicht verbittert. Nicht wie jemand, der auf das Mitleid seines Gegenübers hofft. Im Gegenteil, wenn er spricht, dann mit sportlichem Elan, wie der Außenseiter vor dem Boxkampf, der als einziger an den eigenen Sieg glaubt; auch wenn der Gegner mit Vorliebe unter die Gürtellinie schlägt und der Kampf über deutlich mehr als zwölf Runden gehen wird.

Zerrissenes Land, verbissener Kampf

Olalia ist Mitglied der National Union of People's Lawyers (NUPL), einer philippinischen Anwaltsvereinigung, die sich vor allem für die Schwachen stark macht: Farmer und Fischer, Alte und Kranke, Studenten und Migranten. Sie alle haben einen schlechten Stand in dem Land, dessen politischer Kurs trotz formell bestehender Demokratie vor allem von einer Handvoll ultrareicher Familien erdacht und von Polizei und Militär erzwungen wird.

Die innenpolitische Lage ist bescheiden bis desolat, je nachdem, welchen Maßstab man anlegt: Auf der einen Seite muslimische Rebellen- und Terrorgruppen, auf der anderen eine korrupte Herrscherkaste, die vor allem am Halten und Verwalten der eigenen Macht interessiert ist. Dazwischen läuft eine weitgehend verarmte Bevölkerung Gefahr, im Spannungsgefüge zerrieben zu werden, wenn sie nicht stillhält.

Natürlich sind (Menschrechts-)Anwälte nicht die alleinigen Leidtragenden dieser Situation. Auch andere Berufsgruppen, besonders Journalisten, werden kurzerhand vom Aktivisten zum Extremisten und damit zum Feind umdeklariert. Die Aufstandsbekämpfungsgesetze des Landes machen es möglich, sie verleihen weitgehende Freiheiten.

Umgekehrt ist nicht alle Gewalt, die sich gegen Anwälte richtet, politisch motiviert: Von den 41 Anwälten, die seit 2001 im Land ermordet wurden, waren nur 22 Prozent im Bereich der Menschenrechte tätig. Die Zahl ist dennoch beträchtlich, wenn man bedenkt, dass gerade einmal 0,5 Prozent der philippinischen Anwaltschaft überhaupt derartige Mandate behandelt. Und sie wird noch beträchtlicher, wenn man die nicht-tödlichen Angriffe einbezieht: Hier waren nach Zahlen der NULP in 76 Prozent aller Fälle Menschenrechtler betroffen.

Zitiervorschlag

Constantin Baron van Lijnden, Tag des bedrohten Anwalts 2015: . In: Legal Tribune Online, 22.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14459 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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