Aus neuen Medien und dem medialen Meinungskampf hält sich die Justiz meist heraus – mit einigen Ausnahmen. Wer in der Öffentlichkeit die Würde des Amts für sich in Anspruch nimmt, der muss sie auch wahren, meint Andreas Mosbacher.
Moderne Zeiten bieten moderne Herausforderungen – für die Justiz im Moment etwa die Nutzung neuer Medien. Wer als Richter in seinem öffentlichen Facebook-Auftritt zweifelhafte Späße auf Kosten von Beschuldigten macht, wird heute ebenso kritisch betrachtet wie ein Senatsvorsitzender, der unter Hinweis auf sein hohes Amt in Online-Medien pointiert am öffentlichen Meinungsstreit teilnimmt.
Der Facebook-Richter, dessen Fall Anfang des Jahres durch die Presse ging, hielt es für angemessen, unter Hinweis auf sein Strafrichteramt ein Bild zu posten, das ihn in einem T-Shirt mit der Aufschrift "Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA" zeigte. Sein Kommentar darunter: "Das ist mein 'Wenn du rauskommst, bin ich in Rente'-Blick". Dass auch ein verständiger Angeklagter aus diesem Verhalten die Besorgnis der Befangenheit ableiten darf, hat der Bundesgerichtshof unlängst mit deutlichen Worten bestätigt (BGH v. 12.01.2016, Az. 3 StR 482/15). Einem Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof, der als solcher regelmäßig in einer großen Online-Zeitung eine Rechtskolumne veröffentlicht, werfen Kritiker teilweise vor, seine Äußerungen seien seinem Amt in Art und Wortwahl nicht angemessen.
Pflicht zur Zurückhaltung und Mäßigungsgebot
In beiden Fällen geht es nicht um die dienstliche Tätigkeit der Richter, sondern um ihr öffentliches Auftreten als Privatleute, allerdings unter Hinweis auf ihr Richteramt. Der Mehrwert dieses bewusst gesetzten Bezugs auf das immer noch angesehene Amt folgt aus der Seriosität der Justiz als Institution. Die Erhaltung und Stärkung dieser Institution, der dritten Gewalt, liegt im gemeinschaftlichen Interesse. Aus diesem Grund legen Verfassung und Gesetz dem Richter auch bei seinem außerdienstlichen Verhalten bestimmte Pflichten auf. Sie sind die Kehrseite des großen Freiraums und Vertrauensvorschusses, den Richter genießen.
Ihnen ist nach Art. 92 Grundgesetz (GG) in Person die rechtsprechende Gewalt "anvertraut". Pflichten für jeden Richter formuliert der § 39 Deutsches Richtergesetz (DRiG): "Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird" (sog. Mäßigungsgebot). Der Richter muss danach auch außerhalb seines amtlichen Pflichtenkreises der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die in das Richteramt gesetzt werden (BVerwG v. 29.10.1987, Az. 2 C 72/86). Die Regelung ist Ausdruck der durch Art. 33 Abs. 5 GG gebotenen Pflicht zur Zurückhaltung (BVerfG v. 30.8.1983, Az. 2 BvR 1334/82). Die Meinungsfreiheit des Richters als Privatperson gilt nur im Rahmen des Mäßigungsgebots aus § 39 DRiG (BVerwG und BVerfG aaO).
Schutz des Vertrauens gegenüber der Justiz als Institution
Nach dem führenden Kommentar zum Deutschen Richtergesetz (Schmidt-Räntsch) gilt: Das Mäßigungsgebot schützt das Vertrauen gegenüber der Justiz als Institution. Der Richter hat eine besondere Verantwortung. Er repräsentiert in seiner Person die Dritte Gewalt. Dieser Rolle muss er im dienstlichen wie im außerdienstlichen Verhalten gerecht werden. Er muss sich so verhalten, dass in der Öffentlichkeit kein ernstlicher Zweifel daran auftritt, dass er gerecht und unabhängig urteilt. Je näher öffentliche Äußerungen dem dienstlichen Bereich des Richters kommen und je höher sein Amt ist, desto mehr Zurückhaltung ist geboten. Betreffen Äußerungen laufende Verfahren anderer Gerichte oder Behörden, ist äußerste Zurückhaltung geboten. Politische Ideen und Auffassungen darf der Richter nicht in aufhetzender oder andere Personen verletzender Weise kundtun. Diese Vorgaben für das öffentliche Auftreten von Richtern sehen Kritiker in beiden eingangs genannten Fällen verletzt. Weshalb?
Vorsicht Facebook: Wenn das Private öffentlich wird
In sozialen Medien wird das Private zunehmend öffentlich. Ob ein Richter sein Amt auf Facebook öffentlich zu erkennen gibt, bestimmt er selbst – tut er es aber, so treffen ihn bei seinem gesamten Auftreten in dem Netzwerk die besonderen Mäßigungspflichten nach § 39 DRiG. Mit diesen unvereinbar dürften nach der eingangs zitierten Entscheidung des BGH jedenfalls Äußerungen sein, die den Rückschluss erlauben, der Richter urteile nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über die Angeklagten lustig.
Witzig sein zu wollen, ist keine Rechtfertigung
Daran ändert auch der Einwand nichts, der JVA-Spruch (oder eine andere öffentliche Äußerung) sei doch ersichtlich nur ein Scherz gewesen. Wer als Richter öffentlich unter Verweis auf sein Amt auftritt, muss sich grundsätzlich auch beim Wort nehmen lassen. Witz, Sarkasmus, Ironie und Satire können unmäßige öffentliche Äußerungen nicht ohne weiteres relativieren. Auch die nachgeschobene Erklärung, eigentlich sei alles ganz anders gemeint gewesen und die Leser seien offenbar humorlos, taugt als Rechtfertigung nur schlecht, denn ihr steht die Ernsthaftigkeit des im öffentlichen Raum in Bezug genommenen Amtes entgegen.
Äußerungen zu laufenden Straf- und Ermittlungsverfahren
Öffentliche Äußerungen von Richtern zu laufenden Verfahren sind besonders problematisch, insbesondere, wenn der Richter selbst später mit dem Verfahren dienstlich befasst werden kann. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach der abstrakt-generellen Möglichkeit, nicht nach aktuell gegebenen Zuständigkeiten. Kein Richter weiß schließlich, ob ihn das Präsidium des Gerichts, dem er angehört, nicht später in einen anderen Spruchkörper versetzt oder ihm (im Fall des "Doppelvorsitzes") gar einen zusätzlichen Spruchkörper zuweist (zweifelhaft daher ZON 5.1.2016).
Die Kritik an der Berichterstattung über laufende Straf- und Ermittlungsverfahren ist nicht unbedenklich, wenn sie Aussagen über die Prozessbeteiligten selbst enthält: "Frau Zschäpe hat ein etwas teigiges Mondgesicht, das erkennbar auf der Suche nach Peeling und Entspannung ist, sowie eine grauenhafte Frisur aus dem Bilderbuch des sachsen-anhaltinischen Weltniveaus." Was soll eine Angeklagte von einem Bundesrichter denken, der sie während eines laufenden Strafverfahrens so in der Öffentlichkeit darstellt und – möglicherweise – einmal für ihren Fall zuständig werden kann?
Erstaunt waren bestimmt auch diejenigen Staatsanwälte und Richter, die für die Durchsuchung bei dem Bundestagsabgeordneten Edathy zuständig waren. "Bitte entschuldigen Sie, Herr Edathy", meldet sich hierzu während des laufenden Ermittlungsverfahrens öffentlich ein Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof zu Wort und empfiehlt in einer großen Wochenzeitung, der Rechtsstaat möge sich bei dem Betroffenen ausdrücklich für dieses Vorgehen entschuldigen. Die anschließende Verfassungsbeschwerde von Herrn Edathy wurde übrigens verworfen, weil aus Sicht des Bundesverfassungsgericht am Vorgehen der Ermittlungsbehörden nichts auszusetzen war (BVerfG v. 15.08.2014, Az. 2 BvR 969/14).
Richterliches Mäßigungsgebot und moderne Medien: . In: Legal Tribune Online, 25.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20094 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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