Disziplinarverfahren nach verweigertem Handschlag: Eine Frage des Respekts

von Sarah Nußbaum

08.08.2017

Ein muslimischer Polizist gab seiner Kollegin aus religiösen Gründen nicht die Hand, das rheinland-pfälzische Innenministerium hat ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Er könnte sogar aus dem Dienst entfernt werden, meint Sarah Nußbaum



In dem beamtenrechtlichen Verfahren wird es vor allem um die Frage gehen, wie ein verweigerter Handschlag zu bewerten ist. Soll harte Kante gezeigt und ein Exempel statuiert werden? Oder handelt es sich um einen seltenen Einzelfall, der eine dezente Disziplinarmaßnahme ausreichen lässt?

Bereits jetzt werden Konsequenzen aus dem Fall für die Einstellung neuer Polizisten gefordert. Bevor Beamte offiziell ernannt werden, wird – schon immer - auch ihre charakterliche Eignung geprüft. Der Fall in Rheinlad-Pfalz könnte also den Anstoß geben, die bisher angesetzten Maßstäbe zu ändern.

Der mittlerweile in den Innendienst versetzte Beamte wurde zunächst für den Polizeidienst als charakterlich geeignet eingeschätzt, er gilt als unauffällig. Erst bei seiner Beförderung ist aufgefallen, dass er Frauen aus religiösen Gründen nicht berühren will. Es fragt sich also, ob er in den Jahren seiner Ausbildung bisher noch keiner einzigen Frau, keiner Kollegin oder weiblichen Vorgesetzten die Hand geben musste.

Der Handschlag als grundgesetzliche Pflicht?

Im Einsatz auf der Straße sind Polizisten nicht verpflichtet, einen angebotenen Handschlag zu ergreifen - weder den von Bürgerinnen noch den von Bürgern. Zu rechtfertigen ist dies leicht mit der Gefahreneinschätzung. Bei der Kollegin, die dem muslimischen Polizisten auf einer internen Feier zu seiner Beförderung gratulieren wollte, greift dieser Gedanke hingegen nicht.

Gerade für Beamte der Polizei gilt es, Neutralität zu wahren und das Grundgesetz zu achten. Jeder Beamte gelobt bei seiner Ernennung zum Beamten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Für Polizisten gilt dies im besonderen Maße. Sie verteidigen die Rechtsordnung nach Außen und müssen sich auf ihre Kameradinnen und Kameraden verlassen können.

Zu dieser umfassenden Treuepflicht des Beamten gehört als Kern jedenfalls die Verfassungstreuepflicht. Das Verhalten des muslimischen Polizisten weckt Zweifel daran, ob er die Gleichstellung von Mann und Frau sowie die staatliche Neutralität in Fragen der Religion beachtet. Schüttelt der Beamte seinen männlichen Kollegen die Hand und tut er dies bei seinen weiblichen Kolleginnen nicht, stellt dies eine Ungleichbehandlung dar. Er verstößt dann gegen Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz. Der Achtung und dem Vertrauen, die sein Beruf erfordert, würde der Polizist damit nicht gerecht.

Disziplinarrechtliche Konsequenzen

In der Öffentlichkeit werden bereits jetzt Konsequenzen gefordert. Das Landesdisziplinargesetz Rheinland-Pfalz eröffnet der entscheidenden Behörde viele Möglichkeiten: von einer bloß mündlichen Missbilligung, einem schriftlichen Verweis über eine Geldbuße bis hin zur Zurückstufung. Dem Beamten droht sogar die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, über die aber ein Gericht entscheiden müsste.

Bisher ist offen, welche Milderungsgründe der Beamte anführen wird. Eine Frage des Respekts wäre sicherlich eine Entschuldigung für sein Verhalten, das seine Kollegin herabgewürdigt hat. Bei der Entscheidung über die angemessene Disziplinarmaßnahme wird in der Waagschale aber auch die Religionsfreiheit des Beamten liegen. Dieses Grundrecht erlaubt unter Umständen auch religiös motivierte Verhaltensweisen während der Dienstausübung.

Schon die Einleitung eines Disziplinarverfahrens, also die Tatsache, dass die Behörde diesen Respekt offen einfordert, ist jedenfalls ein deutliches Signal.

Zitiervorschlag

Disziplinarverfahren nach verweigertem Handschlag: . In: Legal Tribune Online, 08.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23845 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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