Legal-Tech-Hackathon 2017: Vir­tu­elle ReNo schlägt Chatbot-Anwalt

14.02.2017

Was kommt dabei heraus, wenn man Juristen und Programmierer zwei Tage zusammen einschließt? Dieses Experiment fand im Rahmen der Konferenz "Berlin Legal Tech" statt. LTO stellt die teils vielversprechenden Ergebnisse vor.

300 Quadratmeter Altbau in Charlottenburg, hohe Stuckdecken, viele Menschen. Die Anwesenden diskutieren, kritzeln auf Flip Charts oder schauen konzentriert auf ihre Notebooks. Ihre Aufgabe: Eine Idee entwickeln, wie man juristische Dienstleistungen digitalisieren kann - und anschließend einen funktionsfähigen Prototypen programmieren. Und das in nur 48 Stunden. Perfektion erwartet niemand, dafür aber Enthusiasmus, Kreativität und Improvisationstalent.

Die IT-Welt kennt solche "Hackathons" schon seit beinahe 20 Jahren, für deutsche Juristen sind sie hingegen Neuland. Sie stellen gut die Hälfte der Teilnehmer, der Rest sind Programmierer und "Legal Engineers", die Kenntnisse in Recht und Softwareentwicklung gleichzeitig mitbringen.

Nach einer Nacht mit – wenn überhaupt – sehr wenig Schlaf erreichen acht von elf Teams das Ziel: Sie können funktionsfähige Anwendungen präsentieren - und die sind teilweise vielversprechend.

Zwei Tage wach

Eine davon ist ein Chatbot, also ein Programm, das mit Nutzern über den Whatsappp-ähnlichen Messenger "Telegram" in einen Dialog tritt. Entwickelt hat ihn ein Team aus der Ukraine. In ihrer Heimat haben die Bürger des Landes eine hohe Hemmschwelle, anwaltlichen Rat zu suchen, und einen geringen Glauben daran, überhaupt Recht bekommen zu können. Das soll der Chatbot namens "Consumranger" ändern: Er stellt dem Nutzer einige Fragen und erstellt auf Basis der Antworten ein Schreiben, das an einen Anwalt weitergeleitet und von diesem nur noch unterschrieben werden muss.

(c) Teilnehmer der Berlin Legal Tech

Am Abend des zweiten Tages prämiert eine Jury die besten Ergebnisse. Consumeranger gehört nicht dazu. Den ersten Platz belegt vielmehr eine virtuelle Kanzlei-Assistentin mit dem Namen "RenoJane". Mit ihr sollen Anwälte ihre Kanzleisoftware und andere Anwendungen per Sprachbefehl steuern können. Das Team – unter anderem mit Jurato-Gründer Philipp von Bülow und Lawlift-Gründer Konstantin Bertram – griff auf eine Schnittselle zu Apples Siri zurück.  Während der Präsentation ließ Philipp von Bülow RenoJane Termine eintragen, Akten für neue Mandaten anlegen oder Informationen zu bestimmten Mandanten anzeigen. Das klappte erstaunlich gut, jedoch nur auf Englisch und - genau wie Siri - antwortete auch Jane (noch) zu oft mit "Sorry, I don‘t understand".

Der zweite Platz ging an den "Data Protection Buddy". Er zielt auf die Europäische Datenschutz-Grundverordnung ab, die im Mai 2018 in Kraft tritt. Bis dahin müssen sich sehr viele Unternehmen mit den gleichen rechtlichen Fragen auseinandersetzen und brauchen sehr ähnliche Antworten – ein besonders offensichtlicher Einsatzbereich für Legal Tech also. Der Data Protection Buddy prüft, ob ein Unternehmen von den Änderungen betroffen ist und erstellt einen Aktionsplan darüber, was zu tun ist. Der Prototyp basierte auf einem Frage-Antwort-Dialog, wie man ihn von anderen Legal-Tech-Lösungen wie Smartlaw oder Legalbase kennt.

Ergebnisse mit Potential für echte Start-Ups

Am Morgen danach führt der Weg zur abschließenden Konferenz über einen Hinterhof. Draußen sind es minus fünf Grad, auf den Fluren der ehemaligen Münzprägeanstalt, die als Location dient, ist es nicht viel wärmer. Hinter der Tür im ersten Stock: ein angenehm beheizter, holzvertäfelter Konferenzraum. 200 Besucher lassen sich die Blockchain und Machine Learning erklären und schlürfen dabei Bio-Limonade, Charity-Tee oder Fair-Trade-Kaffee.

Florian Glatz sieht geschafft aus. Zwei Tage vor Weihnachten trafen er und Prof. Stefan Breidenbach den Entschluss, die Veranstaltung in Berlin zu organisieren. Viel zu wenig Zeit eigentlich und deshalb ein Risiko. Lassen sich genug Menschen so kurzfristig für das Konzept begeistern? Tatsächlich ist die Konferenz ausgebucht. Sie hätten deutlich mehr Tickets verkaufen können. Die Teilnehmer sind aus der ganzen Welt angereist: Aus Großbritannien, den USA, Schweden. Es könnten acht Nationen hier vertreten sein oder zehn. Glatz hat den Überblick verloren.

Wichtiger noch als die reine Teilnahme sind ihm der Enthusiasmus der Teilnehmer und die Qualität der Ergebnisse des Hackathons. In beiden Bereichen seien Erwartungen weit übertroffen worden. "Zwei oder drei der Projekte werden weitergehen", glaubt er, "und vielleicht Start-Up-Status erreichen." Fest steht aber ganz sicher: Es wird weitere Hackathons und eine Fortsetzung der Berlin Legal Tech geben.

Florian Glatz hat Impressionen, Videos und ein Recap der Veranstaltung hat in seinem Blog veröffentlicht.

Zitiervorschlag

Legal-Tech-Hackathon 2017: . In: Legal Tribune Online, 14.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22095 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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