Wie und in welchem Umfang durften die Medien über den Fall Kachelmann berichten? Gibt es Einschränkungen bei der Berichterstattung aus einer mündlichen Verhandlung? In einer Revisionsverhandlung vor dem VI. Zivilsenat des BGH ging es am Dienstag hoch her. Ein Grundsatzurteil muss sich daraus aber nicht ergeben, berichtet Martin W. Huff.
Vor dem für das Schadensersatzrecht zuständigen Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) ging es um ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 14. Februar 2012. In dieser Entscheidung, der hitzige Debatten im Rheinland vorausgegangen waren, hatten die Kölner Richter bild.de verboten, über Details der Vernehmung von Jörg Kachelmann vor dem Haftrichter zu berichten.
Das Internetportal hatte damals eine Berichterstattung des Focus aufgegriffen, der über zutreffende Detailkenntnisse verfügte. Die Gerichte hatten die Berichterstattung untersagt, da sie unzulässigerweise in Persönlichkeitsrechte eingreife.
Dem Springer-Verlag hatte seine Argumentation bislang nicht geholfen, dass das Vernehmungsprotokoll später in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim verlesen worden war, ohne dass der Wettermoderator den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt hätte. Damit sei die Wiederholungsgefahr für ein Verbot entfallen.
Das OLG Köln führte in den Urteilsgründen aus, dass Journalisten auch aus der mündlichen Verhandlung nicht alles berichten dürften, was sie hörten. Unter Pressevertretern wie Medienrechtlern sorgte das für erhebliche Verunsicherung.
Kachelmann-Anwalt moniert schmuddelige Berichterstattung
Auch nach der mündlichen Verhandlung vor dem VI. Zivilsenat (VI ZR 93/12) am Dienstag blieb offen, ob die Karlsruher Richter über die Frage des zulässigen Umfangs der Berichterstattung aus einer Gerichtsverhandlung entscheiden wird. Die vom OLG Köln angesprochenen Fragen wurden in Karlsruhe kaum thematisiert.
Es kann sein, dass der Senat einen anderen Weg findet und eine Grundsatzentscheidung umgeht. So könnten der BGH etwa entscheiden, dass die Berichterstattung generell zulässig gewesen sein könnte, weil die Öffentlichkeit ein großes Interesse an dem Ermittlungsverfahren hatte und die Medien darüber berichten durften. Schließlich gaben sie ja wahre Details aus der Vernehmung wieder.
Möglich ist auch, dass der Senat die konkrete Form der Berichterstattung untersagen wird, ohne Schlüsse auf die Zulässigkeit der Berichterstattung aus Hauptverhandlungen im Allgemeinen zu ziehen.
Im Verhandlungstermin in Karlsruhe diskutierten die beiden Seiten heftig miteinander. So vertrat der Vertreter des Springer-Verlags die Auffassung, dass bild.de nicht unzulässig in Persönlichkeitsrechte eingegriffen habe, da die zitierten Aussagen eher entlastend für Kachelmann und eher nachteilig für seine damalige Freundin gewesen seien.
Kachelmanns Anwalt Matthias Siegmann betonte, dass der bild.de-Artikel schmuddelig gewesen sei, auf ein "Speichellecken beim Leser" abgezielt und keine seriöse Berichterstattung dargestellt habe. Er verlangte, dass auch entlastende Details immer in einen ausführlichen und konkreten Zusammenhang gestellt werden müssten. Er warf der Online-Ausgabe des Boulevardblatts vor, Kachelmann "stigmatisieren" zu wollen. Auch knapp zwei Jahre nach dem Freispruch des Wettermoderators sind die Gemüter auf beiden Seiten noch immer erhitzt. Jetzt bleibt abzuwarten, ob der BGH eine Einzelfallentscheidung verkündet oder ein Grundsatzurteil fällt. Auch ob eine Entscheidung noch am Dienstag fällt, stand mit Schluss der mündlichen Verhandlung noch nicht fest.
Martin W. Huff ist Rechtsanwalt, Journalist und Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Er schrieb früher selbst als Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und bildet heute Pressesprecher an Gerichten aus.
Martin W. Huff, Kachelmann gegen Springer Verlag: . In: Legal Tribune Online, 19.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8363 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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