GEMA-Tarif für DJs: "Aufschlag für Clubbetreiber war einfacher einzutreiben"

Interview mit Dr. Marc-Oliver Srocke

02.04.2013

Vinyl war gestern. Die DJs von heute spielen ihre Musik vom Laptop oder von gebrannten CDs. Ab April müssen sie hierfür die Rechte bei der GEMA einholen. Wofür nun gezahlt werden muss, was er von der Informationspolitik der Verwertungsgesellschaft hält und warum sich DJs erst einmal die 125-Euro-Pauschale leisten sollten, erklärt der Medienrechtsanwalt Marc-Oliver Srocke im LTO-Interview.

LTO: Bislang mussten die Betreiber von Diskotheken für die "Vervielfältigung von Musikwerken zur öffentlichen Wiedergabe" einen sogenannten Laptopzuschlag an die GEMA zahlen, wenn ihre DJs Musik vom Computer oder selbstgebrannten CDs abspielten. Ab dem 1. April gilt nun eine neue Regelung. Was hat sich geändert?

Srocke: Bisher zahlten Veranstalter beziehungsweise Clubbetreiber einen 30-prozentigen Aufschlag auf ihre GEMA-Gebühren, wenn gebrannte CDs oder kopierte Musikdateien abgespielt wurden. Diese Lizenzgebühren für die Anfertigung von Kopien von Musikwerken zum Zwecke der öffentlichen Wiedergabe werden nun auf die DJs abgewälzt.

Dr. Marc-Oliver SrockeWeiterhin bezahlt durch den Clubbetreiber werden die Gema-Gebühren für die öffentliche Wiedergabe der Musik. Legt der DJ Originaltonträger oder -dateien auf, fallen keine weiteren Lizenzgebühren an. In diesen Fällen hat der Tonträgerhersteller oder der legale Anbieter der Dateien die Vervielfältigungsrechte bei der GEMA bereits lizenziert. Kommen aber gebrannte CDs oder kopierte Musikdateien im Club zum Einsatz, muss für diese Vervielfältigung gezahlt werden, die dann ja auch nicht für private Zwecke erfolgt, also keine Privatkopie ist und somit nicht von der Ausnahme des § 53 Abs. 1 S. 1 Urheberrechtsgesetz erfasst ist.

LTO: Warum werden künftig die DJs zur Kasse gebeten?

Srocke: Die Musikveranstalter wollten für die Kosten nicht mehr aufkommen. Es geht also um ökonomische Interessen. Die GEMA hat den Tarif mit dem Interessenverband der Musikveranstalter ausgehandelt. Dabei wurde allerdings auch ein Interessenverband von Berufs-DJs beteiligt, ob der aber repräsentativ ist und wie viel Verhandlungsspielraum bestand, kann ich nicht beurteilen.

Nun DJs anstelle der Veranstalter zur Kasse zu bitten, ist vermutlich ein Zugeständnis an letztere, nachdem sie im vergangenen Jahr ja recht öffentlichkeitswirksam gegen Tariferhöhungen in ihrem Bereich Sturm gelaufen sind. Rechtlich lässt sich die Umwälzung auf DJs natürlich ganz gut damit begründen, dass dort gezahlt werden soll, wo die Vervielfältigung stattfindet. Und das ist nun mal beim DJ.

Praktisch könnte man dagegen natürlich einwenden, dass die ökonomisch relevante Verwertungshandlung erst im Club stattfindet und nicht schon im Wohnzimmer, wo der DJ die Musik kopiert. So fernliegend ist der Gedanke nicht, bisher hat sich ja auch niemand gewundert, dass die Veranstalter herangezogen wurden. Formal betrachtet geht es hier aber nun einmal um die Vergütung für die Vervielfältigung und nicht für die Wiedergabe.

"Die GEMA muss auch erklären, warum gezahlt werden muss"

LTO: Was halten Sie von dieser Änderung?

Srocke: Zunächst einmal muss man festhalten, dass nach der geltenden Gesetzeslage für eine nicht zu privaten Zwecken vorgenommene Vervielfältigung gezahlt werden muss, und hieran gibt es auch nichts zu rütteln. Dass die GEMA hier Lizenzgebühren verlangt, ist also eigentlich nicht das Thema. Als nächstes stellt sich die Frage, von wem, aber auch dass die Gebühren nunmehr von den DJs statt von den Veranstaltern verlangt werden, lässt sich wie gesagt rechtfertigen. Es verbleibt natürlich die Frage nach dem "wie".

Und ob es taktisch geschickt ist, dieses unpopuläre und vor allem auch schwer zu vermittelnde Thema ausgerechnet jetzt anzupacken, nachdem man wegen Youtube und der Veranstaltertarife ja Shitstorm um Shitstorm hat über sich ergehen lassen müssen, ist wieder ein andere Sache. Die Kritik ist oft unberechtigt, aber das ist eben alles auch eine Frage der Informationspolitik, und auf die wird es auch hier besonders ankommen:

Woher sollen denn die tausenden, nebenberuflichen DJs überhaupt wissen, dass sie ab dem 1. April mit zahlreichen Nutzungsrechtsverletzungen im Gepäck auflegen, obwohl sie mit dem gleichen Laptop oder CD-Koffer in den Club marschieren wie im März? Denen muss die GEMA nicht nur erstmal mitteilen, dass gezahlt werden muss, sondern auch warum. Die Leute haben wenig Verständnis dafür, dass Lizenzgebühren anfallen, wenn sie eine Kopie von einer selbst gekauften CD spielen, während keine Gebühren anfallen, wenn sie die Original-CD einlegen. Bei Kopien von selbst gekauften Musikdateien, also im nichtphysischen Bereich, ist das natürlich noch schwerer zu vermitteln. Es reicht ja nicht, im Recht zu sein, sondern man muss auch die gesellschaftliche Akzeptanz für das Urheberrecht im Auge behalten. Letztlich muss man auch über einen neuen Vervielfältigungsbegriff für den digitalen Bereich nachdenken. Das ist aber Aufgabe des Gesetzgebers, nicht der GEMA.

LTO: Viele DJs übertragen die Musik, die sie später im Club spielen wollen, zuhause von CD oder Vinyl auf ihren Laptop. Für diese Vervielfältigung fällt künftig eine Kopierpauschale von 13 Cent je Werk an. Da die Laptops und Festplatten von DJs häufig mit einigen 100, wenn nicht sogar 1.000 Tracks gefüllt sind, dürfte dies schnell teuer werden. Bietet die GEMA irgendwelche Pauschalmodelle an?

Srocke: Zunächst einmal können alle bisher, das heißt, alle vor dem 01.04.2013 angefertigten Kopien für eine Pauschalgebühr in Höhe von 125 Euro lizenziert werden. Ferner kann für das Jahr 2013 ein Jahrespauschalvertrag für mindestens 500 Vervielfältigungsstücke abgeschlossen werden, nach dem 50 Euro pro angefangene 500 Vervielfältigungsstücke gezahlt werden müssen. Man muss die Kirche also auch mal im Dorf lassen: das werden die meisten wohl stemmen können.

Zitiervorschlag

GEMA-Tarif für DJs: . In: Legal Tribune Online, 02.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8442 (abgerufen am: 23.11.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen