Das Livestreaming von Fernsehsendungen im Internet ist europarechtswidrig, wenn nicht der Urheber seine Einwilligung erteilt hat. Einem britischen Internetdiensteanbieter half es am Donnerstag vor dem EuGH nicht, dass die gestreamten Sendungen im Fernsehen frei verfügbar waren. Daniela Schulz und Stefan Koch erklären die Entscheidung und was das für den deutschen Zuschauer bedeutet.
Mit seiner Entscheidung in der Sache TVCatchup Ltd. hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag einer weiteren Spielart der Verbreitung von Medieninhalten im Internet einen Riegel vorgeschoben.
Die Luxemburger Richter entschieden, dass es gegen Urheberrechte verstößt, Internetnutzern frei empfangbare Fernsehsendungen via Echtzeit-Streaming im Internet zugänglich zu machen (Urt. v. 07.03.2013, Az. C 607/11).
Das britische Unternehmen TVCatchup Ltd. hätte für diese Dienstleistung die Genehmigung des Urhebers in das Streaming gebraucht. Es ist ein Sieg nicht nur für die klagenden britischen kommerziellen Fernsehunternehmen, die sich nicht damit zufrieden gaben, dass die Nutzer nach dem Modell des Diensteanbieters ohnehin nur solche Inhalte streamen konnten, die sie auch im Fernsehen hätten empfangen dürfen.
Im Zeitalter von YouTube und anderen Streaming-Anbietern ist die Entscheidung aus Luxemburg auch ein klares Signal zugunsten der Werkschaffenden in der europäischen Gemeinschaft, deren angemessene Vergütung die Union sicherstellen will.
Die Geschäftsidee: TV-Sendungen per Stream - mobil, immer und überall
Der britische Internet-Diensteanbieter TVCatchup Ltd. (TVC) ermöglicht es Nutzern, über das Internet frei zugängliche Streams von fremden Fernsehsendungen und Filmen in Echtzeit zu empfangen. Die User können mithilfe dieser werbefinanzierten Dienstleistung am heimischen PC oder unterwegs, auf jedem mobilen Empfangsgerät, in den Genuss frei empfangbarer Fernsehsendungen und Filme kommen, ohne dass die Fernsehsendeunternehmen diese Art der Verbreitung vorgesehen haben.
Durch verschiedene Kontrollsysteme auf ihrer Website will TVC sicherstellen, dass ihre Kunden Zugang nur zu den Inhalten erhalten, zu deren Empfang sie bereits aufgrund einer Fernsehempfangslizenz im Vereinigten Königreich berechtigt sind. Wenn sich der potenzielle Nutzer außerhalb des Vereinigten Königreiches befindet oder nicht über die erforderliche Lizenz verfügt, wird ihm der Zugang zum Livestreaming verwehrt.
Die britischen kommerziellen Fernsehsendeunternehmen klagten gegen diese Geschäftsidee vor dem High Court of Justice of England & Wales. Ihrer Ansicht nach verletzt TVC mit dieser Form der angebotenen Dienstleistung das "Recht der öffentlichen Wiedergabe" der Fernsehsendeunternehmen. Da die in diesem Fall einschlägige Norm des britischen Urheberrechtsgesetzes, dem Copyright, Designs and Patents Act 1988, auf Unionsrecht basiert, hatte der EuGH im Vorlageverfahren über dessen Auslegung zu entscheiden.
Eine Frage der öffentlichen Wiedergabe
Die Luxemburger Richter urteilten, dass es auch eine Wiedergabe im Sinne des Art. Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt, wenn über das Internet via Streaming Fernsehsendungen und Filme zugänglich gemacht werden, welche ursprünglich terrestrisch verbreitet worden sind. Weil ein vom Ursprungsverfahren abweichendes spezifisches technisches Verfahren verwandt wird, hätte TVC auch für diese Form der Zugänglichmachung einer Einwilligung der Fernsehsendeunternehmen bedurft.
Nach der Urheberrechts-Richtlinie umfasst die öffentliche Wiedergabe nämlich jede drahtgebundene oder drahtlose Übertragung oder Weiterverbreitung an die nicht am Ursprungsort der Wiedergabe anwesende Öffentlichkeit und erfasst auch die Rundfunkübertragung. Soll ein Werk auf unterschiedliche Arten genutzt werden, muss sein Urheber jede Sendung oder Weiterverbreitung, die nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, erlaubt haben.
Es half dem britischen Diensteanbieter nicht, dass er nur den Nutzern das Streaming ermöglichte, welche die Sendungen und Filme im Fernsehen sehen durften. Denn – so führt der Gerichtshof an –, die Genehmigung des Urhebers, das Werk in eine Form der öffentlichen Wiedergabe einzubinden, bedeutet nicht, dass er das Recht verlöre, andere öffentliche Wiedergaben zu erlauben oder zu verbieten.
Wer ist eigentlich die "Öffentlichkeit"?
Der EuGH sieht die Wiedergabe durch TVC per Streaming zutreffend auch als eine öffentliche an. Die Verbreitung der Werke erfolgt bei TVC über das Internet. Jeder kann darauf zugreifen, der sich im Vereinigten Königreich aufhält, über einen Internetzugang verfügt und angibt, Inhaber einer Fernsehempfangslizenz zu sein.
Da jeder Nutzer mit dem Zugriff auf den Dienst einen eigenen "Livestream" zur Verfügung gestellt bekommt, ist die Zahl der Adressaten unbestimmbar und die Wiedergabe damit im Sinne der ständigen Luxemburger Rechtsprechung öffentlich (vgl. EuGH, Urt. v. 02.06.2005, Az. C-89/04 – Mediakabel, Urt. v. 14.07.2005, Az. C-192/04 – Lagardère Active Broadcast).
Auch und gerade im Zeitalter eines ständigen Informationsbedürfnisses dürfen die Inhaber der jeweiligen Urheberrechte nicht außer Acht gelassen werden. Die Entscheidung aus Luxemburg entspricht dem unionsrechtlichen Ziel, Werkschaffenden einen hohen Schutz zukommen zu lassen, damit diese für ihre Leistungen und die Nutzungen ihrer Werke angemessen vergütet werden.
Für den deutschen Zuschauer bedeutet das Urteil des EuGH, dass er auf die Online-Dienste der öffentlichen und privaten Fernsehsender verwiesen bleibt und hoffen muss, dass diese ihre Mediatheken und Livestreaming-Angebote weiterhin konsequent ausbauen und attraktiv gestalten. Dies dürfte in ihrem ureigenen Interesse liegen, um sich künftig gegen You-Tube und andere Streaming-Anbieter zu behaupten.
Die Autorin Dr. Daniela Schulz, LL.M ist Rechtsanwältin bei Harmsen Utescher in Hamburg, Stefan Koch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Universität Rostock.
Sieg für Fernsehsender: . In: Legal Tribune Online, 08.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8290 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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