FIFA und UEFA scheitern vor EuGH: Fußball-WM und EM nicht nur im Pay-TV

von Gregor Lentze, LL.M.

18.07.2013

Belgien und England dürfen festlegen, dass alle Spiele einer Fußball-WM und EM im frei zugänglichen Fernsehen übertragen werden müssen und nicht nur im Pay-TV, so der EuGH am Donnerstag. Das Urteil könnte auch Auswirkungen auf Deutschland haben, das ebenso wie Belgien und England kein Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter kennt, meint Gregor Lentze.

Nach der sogenannten EU-Fernsehrichtlinie können Mitgliedstaaten untersagen, dass Ereignisse mit "erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung" exklusiv im Bezahlfernsehen (Pay-TV) übertragen werden. Damit soll sichergestellt werden, dass ein Großteil der Öffentlichkeit das Ereignis im frei zugänglichen Fernsehen verfolgen kann.

In Deutschland enthält § 4 (2) des Rundfunkstaatsvertrags  eine Liste mit solchen Ereignissen. Danach sind die Olympischen Spiele, die Spiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, die Halbfinals und das Finale des DFB-Pokals, die Endspiele von Champions League und Europa League mit deutscher Beteiligung sowie bei der Fußball-WM und EM die Spiele der deutschen Nationalmannschaft, das Eröffnungsspiel, die Halbfinals und das Finale im frei zugänglichen Fernsehen zu übertragen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte nun über Nichtigkeitsklagen von UEFA und FIFA gegen die positive Entscheidung der EU-Kommission über die Listen von Belgien und England zu entscheiden. In Belgien müssen neben der belgischen Meisterschaft der Profiradrennfahrer auch alle Spiele der Fußball-WM im frei zugänglichen Fernsehen übertragen werden. Auf der Liste Englands stehen neben den Endspielen des Tennisturniers in Wimbledon und der Kricket-WM auch alle Spiele der Fußball-WM und Fußball-EM.

FIFA und UEFA hatten geltend gemacht, dass das Pay-TV Vergabeverbot und die mit diesem Verbot verbundenen Einnahmeausfälle ihre Rechte unverhältnismäßig einschränkten. Die Luxemburger Richter folgten dieser Argumentation nicht und bestätigten damit die erstinstanzliche Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union.

Free-TV-Liste mit allen Spielen der WM und EM ist verhältnismäßig

FIFA und UEFA erzielen mit der Verwertung ihrer Medienrechte erhebliche Einnahmen, mit denen sie die WM und EM sowie ihre Vier-Jahreshaushalte finanzieren. Wie auch bei anderen Wirtschaftsgütern definiert sich der Wert eines Medienrechts nicht nur über Inhalt und Popularität des Events, sondern vor allem auch über den Wettbewerb im Markt, vor allem auch dem Wettbewerb zwischen Pay-TV und Free-TV-Sendern. Ein Verbot der exklusiven Übertragung im Pay-TV führt daher zu erheblichen Einnahmeausfällen. Das hat auch der EuGH bestätigt, der den freien Dienstleistungsverkehr, die Niederlassungsfreiheit, den freien Wettbewerb und das Eigentumsrecht für beeinträchtigt hält.

Kern der gerichtlichen Prüfung war somit die Frage, ob das Informationsinteresse der Allgemeinheit diesen Eingriff in die Rechte von UEFA und FIFA rechtfertigt. Dies hat das höchste EU-Gericht bejaht. Die in diesem Fall betroffenen Mitgliedstaaten Belgien und England dürfen sicherstellen, dass die Öffentlichkeit breiten Zugang zur Fernsehberichterstattung über WM und EM hat.

FIFA und UEFA hatten zudem geltend gemacht, dass nicht alle Spiele einer Endrunde eine "erhebliche gesellschaftliche Bedeutung" für ein Land haben würden und somit auch nicht die kompletten Endrunden ihrer Turniere dem gesetzlichen Pay-TV-Verbot unterfallen dürften. Dabei ist zu beachten, dass sich UEFA und FIFA selbst Pay-TV-Beschränkungen auferlegen, insbesondere wegen der mit der Medienverbreitung verbundenen Sponsoreninteressen. So wurde etwa bei der EURO 2012 in fast allen Ländern mindestens ein Spiel pro Tag, einschließlich Eröffnungsspiel, Finale und der Spiele der eigenen Nationalmannschaft im Free-TV ausgestrahlt. Bei den Spielen der Champions League sind die Rechte von Uefa so vergeben, dass in jeder Spielwoche mindestens ein Spiel sowie das Finale im Free-TV übertragen werden muss.

Zwar hat der EuGH bestätigt, dass nicht alle Spiele der WM und EM zwangsläufig ein Ereignis von erheblicher Bedeutung sind, allerdings könnten auch Spiele mit geringerer Bedeutung in der Öffentlichkeit ein Interesse hervorrufen, das groß genug ist, um zu einem Ereignis von erheblicher Bedeutung zu gehören.

Kein Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter

Das Urteil führt indirekt zum einem rechtlichen "Dauerbrenner", dem  Sportveranstalterschutzrecht. In Deutschland, Belgien und England gibt es ein solches Recht nicht, anders etwa seit 1992 in Frankreich. Der Generalanwalt hat in seinem Schlussantrag ausdrücklich angemerkt, dass man bei der Interessenabwägung wohl zu einem anderen Ergebnis gelangen müsste, wenn Sportveranstaltern – in diesem Fall in England und Belgien – ein solches Leistungsschutzrecht zustehen würde. Ähnlich hatte auch der EuGH in früheren Fällen argumentiert.

Man kann diese EuGH-Entscheidung über "Listed Events" also guten Gewissens auf die laufend länger werdende Liste von Fällen setzen, in denen die Rechtsposition eines Sportveranstalters nicht oder nur unzureichend geschützt werden konnte, weil es an einem entsprechenden Recht fehlte.

Zudem erscheint die vom EuGH bestätigte Antwort auf die Frage, was von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung ist, im Übrigen nicht unerheblich politisch begründet. Es ist nicht auszuschließen, dass die Politik in Deutschland versuchen wird, das Urteil für sich zu nutzen, und wie ihre Kollegen in England und Belgien eine Erweiterung der Liste auf alle Spiele der Fußball-WM und EM fordern – spätestens wenn der nächste Bieterstreit zwischen Free-TV und Pay-TV vor der Tür steht.

Auch wenn die Wahrscheinlichkeit zum jetzigen Zeitpunkt gering ist – die Versuchung für die Politik ist zumindest nicht von der Hand zu weisen und es wäre auch nicht das erste Mal, dass das Thema "Fußball für alle im Free-TV" seinen Weg in den Wahlkampf findet.

Der Autor Gregor Lentze LL.M. ist Partner der auf Sportrecht spezialisierten Kanzlei Lentze Stopper Rechtsanwälte in München, die verschiedene nationale und internationale Verbände, Clubs und Sportler vertritt.

Zitiervorschlag

FIFA und UEFA scheitern vor EuGH: . In: Legal Tribune Online, 18.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9171 (abgerufen am: 23.11.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen