2/2: Verbot durch die Bundesregierung
Ein rechtlich sauberer, wenn auch diplomatisch heikler Weg, um Auftritte türkischer Politiker in Deutschland zu verhindern, führt jedenfalls nicht über Polizei oder Stadtverwaltung, sondern über die Bundesregierung. Diese könnte Erdoğan und seinen Ministern beispielsweise bereits die Einreise verweigern, was die angespannten politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei allerdings voraussehbar weiter belasten würde.
Weiterhin könnte die Bundesregierung die Einreise zwar erlauben, Auftritte bei Kundgebungen aber untersagen, um zu verhindern, dass innenpolitische Auseinandersetzungen der Türkei auf deutschem Boden ausgetragen werden. Jedoch ist diese Lösung rechtlich nicht einfach zu begründen. Denn auch hier fehlt es an einer expliziten gesetzlichen Grundlage.
Allerdings kann sich die Regierung auf die Bundeskompetenz zur Pflege auswärtiger Beziehungen in Art. 32 des Grundgesetzes berufen. Grundsätzlich sehen Verfassungsrechtler es kritisch, wenn sich die Exekutive direkt auf eine eher vage Verfassungsnorm beruft, ohne dass sie durch eine konkrete einfachgesetzliche Norm zum Handeln ermächtigt wird. Aber hier ist zu beachten, dass das Verbot zur Teilnahme an der Kundgebung an Erdoğan adressiert wäre. Als Staatsoberhaupt eines ausländischen Staates kann dieser sich grundsätzlich nicht auf Grundrechte berufen. Dasselbe gilt auch für seine Regierungsmannschaft.
Am Ende eine politische Entscheidung
Lediglich die deutschen Veranstalter der Kundgebung könnten sich auf die Versammlungsfreiheit berufen, weil diese grundsätzlich auch die Wahl der Redner umfasst. Ihnen gegenüber hat ein an Erdoğan gerichtetes Verbot jedoch nur mittelbare Wirkung.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung bei bloß mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen durch Informationshandeln der Bundesregierung vom Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage abgesehen (Beschl. v. 26.06.2002, Az, 1 BvR 670/91). Bewertet man die Rechtslage bei einem durch die Bundesregierung an einen ausländischen Staatschef gerichteten Teilnahmeverbot ähnlich, würde Art. 32 GG als Grundlage genügen.
Letztlich ist ein Auftrittsverbot aber eine politische Entscheidung. Die Bundesregierung muss abwägen, welche Auswirkungen ein solches auf die politischen Beziehungen mit der Türkei hat und wie wichtig ihr die Verhinderung eines Auftritts des türkischen Präsidenten ist. Möglicherweise ist türkischer Wahlkampf auf deutschem Boden am Ende doch das geringere Übel.
Prof. Dr. Niels Petersen ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an der Universität Münster. Er beschäftigt sich in seiner Forschung mit Grund- und Menschenrechten.
Verbot von türkischen Wahlkampfauftritten in Deutschland: . In: Legal Tribune Online, 03.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22264 (abgerufen am: 14.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag