Wenige Stunden, nachdem wir über die Geschäftsmodelle dubioser Online-Datingportale und deren Bezug zu Staranwalt Ralf Höcker geschrieben hatten, erreichte uns eine Abmahnung. Hier ist unsere Reaktion.
Am vergangenen Montag hatten wir unter Bezugnahme auf Recherchen der Welt am Sonntag einen Artikel über ein Netzwerk von Dating-Portalen veröffentlicht, dessen Geschäftspraktiken für uns, vorsichtig formuliert, nicht eben ein Musterbeispiel an Transparenz und Verbraucherfreundlichkeit darstellen. Der Beitrag gab auch die Beziehungen dieses Netzwerks zur Internetone AG wieder, deren Aufsichtsratsvorsitzender Staranwalt Ralf Höcker ist.
Oder, besser gesagt: war. Noch am selben Tag legte der Anwalt, der vormals als Autor solch illustrer Werke wie das "Lexikon der Internetfallen: Was Ihnen im Internet blühen kann und was Sie dagegen tun können" in Erscheinung getreten war, sein Aufsichtsratsmandat nieder.
Nach seiner Erklärung gegenüber Meedia hatte er mit dem operativen Geschäft und dem Betrieb von Datingportalen durch Kunden der Internetone nichts zu tun, auch habe er zu keinem Zeitpunkt Anteile oder Beteiligungen gehalten oder sei als Treuhänder oder Treugeber aufgetreten – letzteres hatten allerdings auch weder die Welt noch wir behauptet. Höcker erklärte weiter, er sei lediglich als Medienrechtsexperte bei Internetone gewesen und lege sein Mandat nun nieder, weil er sich "nicht weiter spekulativen Anwürfen aussetzen" wolle.
Erweckte unser Text einen falschen Eindruck?
Ebenfalls am selben Tag erreichte uns das Schreiben eines anderen Medienrechtsexperten, der als Partner in Höckers Kanzlei tätig ist, und im Namen der Ideo Labs GmbH mehrere Punkte in unserem Beitrag monierte. Die geforderte Unterlassungserklärung haben wir ebenso abgelehnt wie die Begleichung seiner Kostennote, da wir die Forderungen für unberechtigt halten. In drei Punkten sind wir der Ideo Labs jedoch freiwillig entgegen gekommen: Unser ursprünglicher Beitrag enthält nun den Hinweis darauf, dass eine Kündigung des Vertrages über das Online-Interface von dateformore.de möglich ist, dass die "Testmitgliedschaft", welche sich automatisch in ein kostenpflichtiges Modell verlängert, einen Euro kostet, und dass die Ideo Labs erklärt, Rechtstreitigkeiten mit Kunden seien, wenn, dann aus Gründen der Kulanz gütlich beigelegt worden.
Diese Ergänzungen empfinden wir als legitim, weil sie den Tatsachen bzw. dem Parteivortrag entsprechen, auch wenn wir nicht denken, dass unser Text ohne diese Angaben geeignet war, einen falschen Eindruck über die bei dateformore.de waltenden Geschäftspraktiken zu erwecken. Aber diese Beurteilung überlassen wir Ihnen, liebe Leser, gerne selbst, und stellen deshalb in Folge kurz dar, wie die Registrierung, der Abschluss einer (Test-)Mitgliedschaft und deren anschließende Kündigung sich praktisch gestalten.
Die Testmitgliedschaft bei dateformore.de
Wer "einen aufregenden Flirt, heißen One-Night-Stand, eine langfristige Affäre oder einen knisternden Seitensprung" sucht, der kann auf dateformore.de sein Glück versuchen. Auf der Startseite muss man sich zunächst einloggen bzw. als neuer Nutzer registrieren, was so aussieht:
Anschließend folgen eine Reihe von Fragen über Präferenzen in der Partnersuche und Angaben zur eigenen Person, nicht aber zu Zahlungswegen. Bis hierhin ist in der Tat alles kostenlos. Nachdem man alle Fragen beantwortet hat, springt einem dieses freundliche Angebot entgegen:
Wer auf "Gutscheincode einlösen" klickt, kommt hier hin:
"nur 1,00 € Einmalzahlung" heißt es – von monatlichen Raten ist, im Gegensatz zu den anderen Angeboten, nicht die Rede. Ohne den Abschluss eines Premium-Modells sind viele Funktionen der Plattform nicht oder nur eingeschränkt nutzbar, wie aus der Liste ersichtlich. Wer auf weiter klickt, der landet hier:
Auf dieser Seite steht rechts und gefettet zunächst "Mindestlaufzeit: 14 Tage / Gesamtbetrag: 1,00 €". Erst darunter erfährt der geneigte Leser, dass sich dieses Angebot um sechs Monate zu je 89,90 € verlängert, sofern er nicht innerhalb der zweiwöchigen Testphase kündigt – mit einer Kündigungsfrist von einer Woche.
Noch einmal zur Erinnerung: Abgemahnt wurden wir, weil wir Folgendes geschrieben hatten. Angeblich würde dies den Eindruck erwecken, dass die Testmitgliedschaft, die sich in eine kostenpflichtige Mitgliedschaft verlängere, zunächst kostenlos sei (hier ohne unsere spätere Ergänzung):
"So würde Besuchern von dateformore.de zunächst der Abschluss einer Testmitgliedschaft angeboten, ohne jedoch hinreichend klar darauf hinzuweisen, dass diese sich später automatisch in ein kostenpflichtiges Modell verwandelt".
Die Kündigung bei dateformore.de
Unsere zweite Ergänzung betrifft die Art und Weise, wie man bei dateformore.de kündigen kann. Wir hatten hierzu geschrieben:
"…Kündigungen würden weder per Mail noch per Fax entgegengenommen…"
Dadurch, so der Vorwurf, könne der falsche Eindruck entstehen, dass die Kündigungsmöglichkeit bewusst unkomfortabel gestaltet wurde. Das sei aber gar nicht so, denn schließlich könne man ja auch direkt über die Webseite kündigen. Der Ausschluss von Fax und E-Mail erfolge, um sicherzustellen, dass keine unbefugten Personen den Vertrag kündigten.
Wieso das, zumindest mit Blick auf E-Mails, einen Unterschied machen soll, ist allerdings unklar. Wenn die Kündigungsmöglichkeit per Mail an die – ohnehin naheliegende – Bedingung geknüpft würde, dass die Mail von der Adresse aus verschickt werden muss, mit der das Mitglied bei Dateformore registriert ist, dann wäre eine Kündigung durch unbefugte Dritte nur möglich, wenn diese Zugriff auf die Mailadresse des Mitglieds haben. Haben sie das, so können sie ebenso gut die Online-Kündigungsmöglichkeit nutzen: Die TAN-Nummer, die hierzu gebraucht wird, wird an dieselbe Mailadresse verschickt, und ein neues Passwort lässt sich problemlos an die Mailadresse anfordern. Auf Nachfrage hierzu wiederholte der Prozessvertreter der Ideo Labs lediglich, dass bei einer Kündigungsmöglichkeit via E-Mail "jedermann von jedweder E-Mail-Adresse mit jedwedem Text kündigen könnte". Damit sei Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Auf den vorstehend aufgezeigten Punkt ging er auch auf nochmalige Nachfrage nicht näher ein.
Ob die "sehr einfache Online-Kündigungsmöglichkeit", auf welche uns die Abmahnung hinweist, tatsächlich so sehr einfach ist, darf übrigens bezweifelt werden. Wer davon Gebrauch machen will, muss sich auf dateformore.de einloggen, unter "Mein Profil" und "Einstellung" beim Menüpunkt "Art der Mitgliedschaft" die Option "bearbeiten" auswählen und anschließend seine Nutzerdaten erneut angeben. Dann geht es weiter per Klick auf den gut sichtbaren, grünen Button…
… nicht. Denn der führt zum Abbruch des Vorgangs. Wer kündigen will, muss stattdessen auf den sinnig beschrifteten Link "Anmeldung bestätigen" klicken. Auf der nächsten Dialogseite wird er nach einer TAN-Nummer gefragt, die sich in einer Mail befindet, die Dateformore zuvor an die genutzte Adresse verschickt hat. Dort ist sie immerhin gut sichtbar hervorgehoben:
… nicht. Die TAN steht ohne jede Hervorhebung mitten in einem langen Text – die rote Umrandung haben wir ergänzt. Anschließend muss man dann die Kündigung bestätigen und hat es damit geschafft.
Der Anwalt der Ideo Labs erklärt in einem zweiten Schreiben an uns, dass es selbstverständlich sei, dass man sich zum online Kündigen zunächst einloggen müsse. Die Platzierung der Option sei sinnvoll gewählt. Die zweite Eingabe der Nutzerdaten sei nötig, um missbräuchliche Kündigungen in Fällen zu vermeiden, in denen jemand zwar bereits eingeloggt sei, aber später z.B. ein Dritter an den Rechner komme, und anstelle des eigentlichen Mitglieds kündigen wolle. (Dies dürfte, nebenbei bemerkt, wohl die übliche Reaktion der meisten Ehefrauen seien, die ihrem Gatten auf diese Weise auf die Schliche kommen).
Dass das Online-Kündigungssystem funktioniere, so der Anwalt weiter, zeige sich schon daran, dass zahlreiche Kunden auf diesem Wege kündigen würden. Hinsichtlich der Farbgebung der Knöpfe zum Bestätigen bzw. Abbrechen des Kündigungsvorgangs dürfe davon ausgegangen werden, "dass Kunden des Lesens mächtig sind". Die TAN in der E-Mail schließlich hätten wir ja auch gefunden. Den Kündigungsprozess resümiert er als "denkbar einfach, plausibel und nachvollziehbar".
Das ist vermutlich auch der Grund, warum sich hierzu keinerlei Anleitungen im FAQ sowie auf der Hilfe-Seite von dateformore.de finden.
Constantin Baron van Lijnden, In eigener Sache: . In: Legal Tribune Online, 06.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16095 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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