Die Bundeswehr im Ausland: Betei­li­gung des Par­la­ments zeit­gemäß?

von Dr. Manuel Ladiges, LL.M. (Edinburgh)

15.03.2014

Einsätzen bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland muss der Bundestag zustimmen. Das gerät manchmal in Konflikt mit Bündnisverpflichtungen und eiligen oder geheimhaltungsbedürftigen Einsätzen. Eine Kommission im Bundestag soll daher nun prüfen, ob das Parlamentsbeteiligungsgesetz noch zeitgemäß ist. Manuel Ladiges schlägt einen besonderen Ausschuss für Auslandseinsätze der Bundeswehr vor.

Am Freitag hat der Bundestag über einen Antrag der Regierungsfraktionen eine 16-köpfige Kommission zur "Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr" in erster Lesung debattiert. Die Kommission soll vor dem Hintergrund der fortschreitenden Bündnisintegration sowie der wachsenden Zahl und Bandbreite der Auslandseinsätze prüfen, ob das Parlamentsbeteiligungsgesetz von 2005 angepasst werden muss.

Die Kommission soll innerhalb eines Jahres konkrete Handlungsempfehlungen vorlegen. Inhaltlich soll es unter anderem um die Möglichkeit der "Abstufung der Intensität parlamentarischer Beteiligung unter voller Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" gehen. Die Karlsruher Vorgaben zu berücksichtigen, dürfte dabei das größte Problem für die Kommission sein.

Bundesregierung beachtet Parlamentsvorbehalt nicht immer

Die Erfahrungen zeigen nämlich leider, dass die Bundesregierung den wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt nur ungenügend beachtet. So hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits 2008 festgestellt, dass die Beteiligung deutscher Soldaten an der AWACS-Überwachung in der Türkei im Jahr 2003 ohne Zustimmung des Bundestags den Parlamentsvorbehalt verletzte (Urt. v. 07.05.2008, Az. 2 BvE 1/03).

Aktuell ist beim BVerfG ein weiteres Organstreitverfahren anhängig. Dabei geht es um die Evakuierungsoperation Pegasus in Libyen im Februar 2011. Die Bundesregierung lehnte eine Mandatierung dieses Einsatzes ab. Die Operation sei lediglich ein "gesicherter Evakuierungseinsatz mit humanitärer Zielrichtung" gewesen, aber kein zustimmungsbedürftiger Einsatz bewaffneter Streitkräfte.

Die Fachliteratur sieht dies zu Recht überwiegend anders wegen der unklaren Lage sowie der erheblichen Gefährdung der beteiligten Soldaten. Bei Gefahr im Verzug darf die Exekutive zwar sofort handeln, muss aber nachträglich die Zustimmung des Bundestags einholen. Es ist unverständlich, dass die Bundesregierung das nicht getan hat. Ihr wäre eine breite politische Mehrheit sicher gewesen. So dürfte ihr nun eine erneute Niederlage in Sachen Parlamentsvorbehalt in Karlsruhe bevorstehen.

Besonderer "Entsendeausschuss" im Bundestag

Das Parlamentsbeteiligungsgesetz sieht bereits ein vereinfachtes Zustimmungsverfahren bei Einsätzen mit geringer Intensität vor. Verfassungsrechtlich ist das unbedenklich. Das BVerfG hat im Somalia-Urteil ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, bei Einsätzen von geringer Bedeutung "den Zeitpunkt und die Intensität der Kontrolle des Parlaments näher zu umgrenzen". Auch im Rahmen völkerrechtlicher Verpflichtungen könne das Zustimmungsverfahren abgestuft werden, wenn "die Art des möglichen Einsatzes der Streitkräfte bereits durch ein vertraglich geregeltes Programm militärischer Integration vorgezeichnet ist" (Urt. v. 12.07.1994, Az. 2 BvE 3/92 u.a.). Die Bundestags-Kommission wird diese Passage des Karlsruher Urteils wohl zum Ausgangspunkt für ihre Überlegungen machen, wie man die Parlamentsbeteiligung abstufen könnte.

Eine vernünftige Option wäre die Errichtung eines Parlamentsausschusses, der bei Einsätzen von untergeordneter Bedeutung die Rolle des Plenums übernimmt und ständiger Ansprechpartner der Bundesregierung im Zusammenhang mit bewaffneten Auslandseinsätzen ist. Ein solcher "Entsendeausschuss" wurde bereits bei den Beratungen zum Parlamentsbeteiligungsgesetz diskutiert und könnte einfachgesetzlich oder verfassungsrechtlich etabliert werden. Der Entsendeausschuss könnte das Plenum insbesondere bei routinemäßigen Verlängerungsbeschlüssen oder bei kurzfristig erforderlichen Rettungseinsätzen entlasten.

Im Zweifel muss der Bundestag das BVerfG um Hilfe bitten

Aus juristischer Sicht konfligiert der Parlamentsvorbehalt im Übrigen nicht mit den Bündnisverpflichtungen Deutschlands. Art. 11 des NATO-Vertrages regelt nämlich ausdrücklich, dass das nationale Verfassungsrecht den Verpflichtungen aus dem NATO-Vertrag vorgeht. Ähnliches gilt für die Beistandspflicht nach Art. 42 Abs. 7 des Vertrages über die Europäische Union.

Natürlich können die politischen Beziehungen zu Bündnispartnern trotzdem belastet werden, wenn ein Einsatz der Bundeswehr durch die erforderliche parlamentarische Zustimmung verzögert wird oder der Bundestag eine Unterstützung gar ablehnt.

In der Praxis geht es aber eher um die Tätigkeit deutscher Soldaten in internationalen Stäben und Hauptquartieren. Konkret stellte sich beispielsweise 2011 bei der Operation Unified Protector in Libyen die Frage, ob der Bundestag über die Verwendung deutscher Soldaten entscheiden musste, die durch die Einbindung in die NATO-Kommandostruktur zumindest mittelbar an den militärischen Operationen beteiligt waren. Unter Hinweis auf die Bündnisintegration fordern manche eine Regelung im Parlamentsbeteiligungsgesetz, wonach die Beteiligung deutscher Soldaten in der NATO-Kommandostruktur auch im Falle von bündnisgeführten Operationen schon gar kein Einsatz bewaffneter Streitkräfte ist. Dabei wird übersehen, dass der Begriff "Einsatz bewaffneter Streitkräfte" ein verfassungsrechtlicher ist, der sich einfachgesetzlich nicht abschließend definieren lässt.

Der wehrverfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt ist 20 Jahre nach seiner "Geburt" durch das Somalia-Urteil des BVerfG erwachsen geworden. In seiner Entwicklung hat er stetig an Bedeutung gewonnen. Er ist im Zweifel parlamentsfreundlich auszulegen und gilt nach dem Lissabon-Urteil des BVerfG als integrationsfest (Urt. v. 30.06.2009, Az. 2 BvE 2/08 u.a.) wodurch er sogar der Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen sein dürfte. Gleichwohl liegt die Durchsetzung des Parlamentsvorbehalts in der Praxis in der Hand des Bundestages, der im Zweifel das BVerfG zur Wahrung seiner Rechte gegenüber der Bundesregierung anrufen muss.

Der Autor Dr. Manuel Ladiges, LL.M. (Edinburgh) ist Akademischer Rat a.Z. sowie Habilitand an der Georg-August-Universität Göttingen und veröffentlicht regelmäßig zu wehrverfassungsrechtlichen Themen.

Zitiervorschlag

Die Bundeswehr im Ausland: . In: Legal Tribune Online, 15.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11342 (abgerufen am: 02.11.2024 )

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