Ein Apotheker, der einem Patienten ein verschreibungspflichtiges Medikament ohne Rezept aushändigt, handelt auch dann wettbewerbswidrig, wenn ein befreundeter Arzt die Abgabe des Medikaments befürwortet. Auch ein einmaliger Verstoß gegen die Verschreibungspflicht des § 48 AMG als Marktverhaltensregel beeinträchtigt die Verbraucherinteressen spürbar, entschied der BGH am Donnerstag.
Der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) bestätigte damit die erstinstanzliche Verurteilung einer Apothekerin, die einer Patientin ohne Rezept ein blutdrucksenkendes verschreibungspflichtiges Medikament ausgehändigt hatte. Auch wenn das Rezept später nachgereicht wurde, hätte die Pharmazeutin auch nicht auf die Auskunft einer ihr, nicht aber der Patientin bekannten Ärztin vertrauen dürfen, dass sie das Medikament ohne Rezept herausgeben dürfe (BGH, Urt. v. 08.01.2015, Az. I ZR 123/13 - Abgabe ohne Rezept).
Die Verschreibungspflicht gemäß § 48 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG), nach der verschreibungspflichtige Medikamente nicht ohne ärztliche Verordnung abgegeben werden dürfen, diene dem Schutz der Patienten vor gefährlichen Fehlmedikationen. Auch ein einmaliger Verstoß gegen diese Vorschrift zum Schutz der Bevölkerung beeinträchtige Verbraucherinteressen stets spürbar, stellen die Bundesrichter klar.
Sie bestätigen damit ihre bisherige Rechtsprechung, Regelungen zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher stets als solche zur Regelung des Marktverhaltens im Sinne des § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) anzusehen und Verstöße gegen diese immer als spürbar zu bewerten. Damit obsiegte in Karlsruhe der klagende konkurrierende Apotheker aus demselben Ort in der Nähe von Ravensburg, der in zweiter Instanz noch unterlegen war.
Ausnahmen nur im Ausnahmefall
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart war nämlich davon ausgegangen, dass das Interesse von Marktteilnehmern noch nicht spürbar beeinträchtigt und der Vorgang damit nicht wettbewerbsrechtlich relevant sei, wenn nur "ein einmaliger, versehentlicher oder gar entschuldbarer und geringer Gesetzesverstoß" vorliege. In dem kleinen Ort sei es, so laut Apotheke-adhoc.de der klagende Konkurrent, der erst im Jahr 2010 zugezogen sei, gang und gäbe gewesen, das Medikament ohne Rezept abzugeben.
Schon das OLG hatte allerdings die Verteidigung der Apothekerin nicht gelten lassen, sie hätte das Medikament ausnahmsweise nach § 4 der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) ohne schriftliches Rezept herausgeben dürfen. Die Patientin sei nicht akut gesundheitsgefährdet gewesen, sondern habe bloß zu einer Urlaubsreise aufbrechen wollen. Auch von dem Argument, dass die Apothekerin den Hausarzt der Patientin nicht erreicht und deshalb eine befreundete Ärztin angerufen habe, ließen sich schon die Stuttgarter Richter nicht überzeugen.
Auch der BGH zeigt sich in dieser arzneimittelrechtlichen Frage strikt. Die Abgabe des Medikaments sei nicht nur nicht dringend im Sinne der Ausnahmevorschrift des § 4 AMVV gewesen, so dass die Patientin den ärztlichen Notdienst im Nachbarort hätte aufsuchen können, so die Bundesrichter. Eine Ärztin, welche die Patientin nicht kennt, könne auch keine eigene Therapieentscheidung treffen, welche für die Anwendung von § 4 AMVV Voraussetzung sei.
pl/LTO-Redaktion
Pia Lorenz, BGH bejaht Wettbewerbsverstoß: . In: Legal Tribune Online, 08.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14309 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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