BAG zu Arbeitnehmerdatenschutz: Freie Entscheidung im Arbeits­verhältnis ist möglich

von Dr. Marc Störing

21.05.2015

Mitarbeiter können in die Datenverarbeitung durch den Arbeitgeber einwilligen. Die Unterordnungssituation in Arbeitsverhältnissen steht der erforderlichen Freiwilligkeit nicht entgegen, entschied das BAG. Das Urteil erläutert Marc Störing.

Im entschiedenen Fall hatte ein Arbeitgeber ein Video zu Werbezwecken eingesetzt. Der darin abgebildete Arbeitnehmer hatte zuvor seine Einwilligung in die Verwendung der Bilder erklärt. Nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen widerrief er sie jedoch und klagte auf Unterlassung der Verwendung. Ohne Erfolg, entscheid das Bundesarbeitsgericht (BAG) Urt. v. 11.12.2014 – 8 AZR 1010/13) und überraschte mit diesem Urteil die Rechtsszene.

Das Datenschutzrecht arbeitet mit einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: Die Verarbeitung von personenbezogenen oder -beziehbaren Daten ist nach § 4 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) unzulässig – es sei denn, eine gesetzliche Vorschrift oder der Betroffene selbst erlauben sie ausnahmsweise. Wie dieser Grundsatz in Arbeitsverhältnissen bezüglich der Daten von Arbeitnehmer angewendet werden kann, hat der Gesetzgeber bislang nicht im Detail geregelt; § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG liefert lediglich eine allgemeine Wertung und erlaubt, was „erforderlich“ ist. Ein geplantes Arbeitnehmerdatenschutzgesetz scheiterte vor rund zwei Jahren auf politischer Ebene.

Naheliegend wäre es gewesen, die Mitarbeiter um Zustimmung zur Erhebung und Verarbeitung bestimmter Daten zu bitten. Notwendig für die Wirksamkeit dieser Einwilligung ist jedoch deren Freiwilligkeit. Ob diese mit Blick auf das Unterordnungsverhältnis eines Arbeitsnehmers überhaupt gegeben sein kann, bezweifelten viele Experten und auch einige Aufsichtsbehörden, etwa der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit. Im Zweifel sei die Einwilligung jedenfalls unfreiwillig.

Umso überraschender, dass das BAG die grundsätzliche Möglichkeit einer freiwilligen Einwilligung nun bejaht hat. Die Erfurter Richter entschieden, Arbeitnehmer könnten grundsätzlich auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses frei entscheiden, wie sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz ausüben wollten. Dieser Freiheit stünden weder die grundlegende Tatsache entgegen, dass Arbeitnehmer abhängig Beschäftigte seien, noch das Weisungsrecht des Arbeitgebers.

Zu beachten sind daher in einem Arbeitsverhältnis folgende Aspekte:

Die Einwilligung ist transparent und klar zu gestalten; es kommt auf eine konkrete Darstellung insbesondere von Daten und Zwecken an. Pauschaleinwilligungen sind unzulässig. Alle übrigen Anforderungen aus dem Bundesdatenschutzgesetz weiter. Dies bedeutet iSd § 4a Abs. 1 BDSG, dass die Einwilligung im Zweifel schriftlich erfolgen muss.

Doppelungen sollten unterbleiben: Bittet ein Arbeitgeber um eine Erlaubnis, obwohl die fragliche Maßnahme schon nach dem Gesetz zulässig wäre, muss er sich auch an einen eventuellen Widerruf der Einwilligung halten. Mit Einwilligung stünde der Arbeitgeber dann also schlechter als ohne.

Das Urteil ersetzt nicht die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 86 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Die Einführung und Anwendung von IT-Systemen ist deshalb in aller Regel mitbestimmungspflichtig (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Häufig kann aber schon eine sorgfältig ausgearbeitete Betriebsvereinbarung eine Einwilligung ersetzen.

Das Gebot der Freiwilligkeit gilt weiterhin. Das Erfurter Urteil ist kein Freifahrtschein, nun zur Abgabe von Einwilligungserklärungen auffordern zu können. Unternehmen sollten deshalb bedenken, dass eine Einwilligung stets verweigert oder später unter bestimmten Umständen widerrufen werden kann. Arbeitgeber sollten sich deshalb die Kontrollfrage stellen, ob sie solche Situationen handhaben können. Denn erfahrungsgemäß führen Alternativlosigkeiten häufig zu einer Drucksituation. Bei Ankündigungen etwa durch den Arbeitgeber, dass "jeder Arbeitnehmer das unterschreiben muss“, wäre die Einwilligung eben doch nicht mehr freiwillig – auch nicht nach dem Urteil des BAG.

Dr. Marc Störing berät im Kölner Büro von Osborne Clarke zu Fragen des Datenschutzes

Zitiervorschlag

BAG zu Arbeitnehmerdatenschutz: . In: Legal Tribune Online, 21.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15597 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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