Hochwasser in Deutschland: Land unter im Arbeitsrecht

von Christian Oberwetter

04.06.2013

Im Süden und Osten der Republik treten die Flüsse über die Ufer, die Pegelstände erreichen nie gekannte Höhen. Schlagen die Naturgewalten zu, sind immer auch Betriebe betroffen. Christian Oberwetter erklärt, ob Sekretärinnen Sandsäcke schleppen müssen und Arbeitnehmer eine Abmahnung kassieren, weil sie mit dem Auto nicht durch die Fluten kommen.

An Dauerregen hat sich die Republik in diesem Frühling zähneknirschend gewöhnt. Die katastrophalen Zustände durch das Hochwasser wurden allerdings nicht erwartet. Nun befinden sich die Regionen im Ausnahmezustand. Das betrifft auch Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Notfälle treten überraschend auf, das heißt jedoch nicht, dass die betroffenen Gemeinden unvorbereitet sind. Eine Vielzahl von ehrenamtlichen Helfern, sei es die Freiwillige Feuerwehr oder das Technische Hilfswerk, rücken aus, um drohende Schäden abzuwehren.

Wer ehrenamtlich unterwegs ist, kann  allerdings nicht zeitgleich seinem Brötchengeber dienen. Der Chef blickt dabei in die Röhre. Die ehrenamtlichen Helfer haben während des Einsatzes in der Regel einen Anspruch auf bezahlte Freistellung gegenüber ihrem Arbeitgeber. Das Geld kann sich das Unternehmen aber bei dem Träger des Katastrophenschutzes zurückholen.

Not kennt kein Gebot und die Sache mit den Risiken

Das Wasser steigt bedrohlich, die Evakuierung steht bevor. Der Familienvater müsste eigentlich zur Arbeit, bringt aber beherzt seine Angehörigen in Sicherheit. Muss er nun arbeitsrechtliche Maßnahmen befürchten?

Abmahnungen oder gar Kündigungen können nur bei Verschulden des Arbeitnehmers ausgesprochen werden. Daran fehlt es bei einer akuten Notlage. Der Arbeitgeber hat auch das Gehalt für den Arbeitsausfall gemäß § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) fortzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer persönlich betroffen ist und erst einmal seine eigenen Angelegenheiten regeln muss (BAG, Urt. v. 09.08.1982, Az. 5 AZR 823/80).

Wer erst nach stundenlanger Irrfahrt den Betrieb erreicht, weil die Straßen wegen Hochwassers gesperrt sind, ist auch kein Fall für die Personalabteilung:  Bei unerwartet auftretenden Störungen trifft den Arbeitnehmer kein Verschulden, der Chef darf ihn also nicht feuern.

Er muss allerdings seinem Beschäftigten die ausgefallene Arbeitszeit auch nicht vergüten, denn dieser trägt grundsätzlich das Wegerisiko (BAG, Urt. v. 09.08.1982, Az. 5 AZR 823/80). Anders sieht es aus, wenn der Arbeitnehmer trockenen Fußes zur Arbeit erscheint, die Maschinen im Betrieb wegen des Hochwassers aber stillstehen. In diesem Fall trägt der Unternehmer das Betriebsrisiko, er muss die geschuldete Vergütung gemäß § 615 BGB zahlen (BAG, Urt. v. 09.07.2008, Az. 5 AZR 810/07). Der Arbeitgeber kann in solchen Fällen aber Kurzarbeitergeld bei der Bundesanstalt für Arbeit beantragen und sein Risiko damit minimieren.

Schutz des Betriebes

Was aber, wenn man gemütlich im Büro sitzt und Kundenanfragen beantwortet, als der Chef herein stürmt und auffordert, im Dauerregen Sandsäcke schleppen, um den Betrieb vor drohender Überschwemmung zu schützen?

Da hilft es nicht, lässig mit dem Arbeitsvertrag zu wedeln und auf die vereinbarte Tätigkeit hinzuweisen. Bei Katastrophen gelten die üblichen Spielregeln nicht: Der Arbeitgeber kann  den Arbeitnehmer mit Aufgaben betrauen, die zur Katastrophenabwehr oder zur Beseitigung erster Schäden erforderlich sind. Allerdings muss er dabei die Konstitution des Arbeitnehmers berücksichtigen und darf ihn nicht mit gesundheitsgefährdenden Arbeiten betrauen.

Unentgeltliche Überstunden können berechtigt sein, allerdings nur  in zumutbarem Maß. So kassierte das Arbeitsgericht Leipzig die fristlose Kündigung eines Schlossers, der zu unentgeltlichen Aufräumarbeiten nach einer Überschwemmung verpflichtet worden war. Die Gefährdungssituation sei bereits vorüber gewesen, es habe sich nur noch um Aufräumarbeiten gehandelt und der Maschinenschlosser habe sogar 21 Überstunden geleistet, bevor er die Arbeit schließlich hinschmiss (Urt. v. 04.02.2003, Az. 7 Ca 6866/02).

Die Rechtsprechung ist also für etwaige Rechtsstreitigkeiten wegen hoher Pegelstände gut gerüstet. Übrigens: Auch Arbeitsrechtler leiden zuweilen unter Hochwasser. So hatte ein Anwalt aus Sachsen  im Jahre 2002 einen beim Arbeitsgericht Bremen geschlossenen Vergleich nicht rechtzeitig widerrufen können, weil sowohl seine Kanzlei als auch die örtliche Post überschwemmt gewesen waren. Das Landesarbeitsgericht nahm ihm eine wochenlange Notlage jedoch nicht ab (LAG Bremen, Beschl. v. 02.12.2002, Az. 3 Ta 80/02).  Man sollte die Pferde eben nicht im reißenden Strom wechseln.

Der Autor Christian Oberwetter, Rechtsanwalt und Maître en droit, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht in Hamburg.

Zitiervorschlag

Christian Oberwetter, Hochwasser in Deutschland: . In: Legal Tribune Online, 04.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8844 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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