Pro & Contra Anti-Doping-Gesetz: Überfällige Sanktionierung oder unzulässige Einmischung?

von Prof. Dr. Jens Adolphsen, Dr. Rico Kauerhof D.E.A. (Paris Sorbonne)

03.09.2013

Alle Jahre kommt sie wieder, die Debatte um ein Anti-Doping-Gesetz. Ist die Zeit diesmal reif, um auf Worte Taten folgen zu lassen? Die wichtigsten Argumente für und gegen die strafrechtliche Sanktionierung der sportlichen Betrügerei stellt der Beitrag vor - in einem sportlichen Schlagabtausch zwischen einem Juraprofessor und einem früheren Bundesligaspieler und langjährigen Rechtsanwalt.

Eine strafrechtliche Sanktionierung von Dopingbetrug ist rechtlich möglich und kriminologisch sinnvoll. Die Verbände allein sind mit dem Problem überfordert, die Glaubwürdigkeit auch der fairen Sportler steht auf dem Spiel. Der Staat, der in der Vergangenheit selbst an Dopingmitteln geforscht hat und den Sport weitgehend finanziert, ist in der Pflicht, ihn auch sauber zu halten, meint Prof. Jens Adolphsen.

Eins vorweg: Einer Bekämpfung des Dopingbetrugs mit den Mitteln des Strafrechts stehen keine rechtlichen Hindernisse entgegen. Zwar ist das Strafrecht in einer liberalen Rechtsordnung immer ultima ratio. Dennoch steht es dem Gesetzgeber frei, Rechtsgüter für schutzwürdig zu erklären und ihre Verletzung zu sanktionieren. Eine solche Entscheidung ist vom Bundesverfassungsgericht bislang noch in keinem Fall für verfassungswidrig erklärt worden.

Schutzwürdige Rechtsgüter fallen nicht vom Himmel. Sie werden entdeckt, rechtlich fixiert und dann mit den Mitteln staatlichen Rechts, auch mit denen des Strafrechts, geschützt. Im Bereich des organisierten Sportes ist dies einmal der wirtschaftliche Wettbewerb, aber es sind auch – schwerer greifbar, aber deshalb nicht weniger bedeutsam – Fairness und Chancengleichheit im sportlichen Wettbewerb.

Damit konzentriert sich alles auf die Frage, ob der Staat rechtspolitisch das Mittel des Strafrechts im Dopingkampf einsetzen soll. Gerade von den Vertretern des organisierten Sports, die sich seit Jahren dagegen wehren, den Sportler zu kriminalisieren, wird die Autonomie des Sports vorgeschoben. Diese hindert aber nicht Kooperation, wenn der Sport selbst überfordert ist.

Vorstellung eines staatsfreien Sports geradezu naiv

Dies ist im Dopingkampf aktuell der Fall: trotz verbesserter Regelwerke hat Doping ein Ausmaß angenommen, das die Glaubwürdigkeit auch der sauberen Sportleistung in Frage stellt. Zu Recht hat der Präsident des Deutschen Leichtathletikverbandes, Clemens Prokop, den Staat zur Hilfestellung mit den Mitteln des Strafrechts aufgefordert. Auch der Ehrenpräsident des DOSB, Manfred von Richthofen, hat unlängst ausdrücklich hervorgehoben, dass die Unabhängigkeit des Sports nicht dadurch verletzt wird, dass der Sport den Staat in einem kriminellen Bereich um Hilfe bittet. Er hat sich, wie auch Walther Tröger, langjähriger Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), jüngst für ein Antidopinggesetz ausgesprochen.

Zudem ist die Vorstellung von einem staatsfreien Sport in Deutschland geradezu naiv. Die jüngsten Entwicklungen haben gezeigt, dass der Staat sogar Doping gefördert hat. Aktuell ist die ganze Finanzierung des Sports ohne den Staat völlig undenkbar. Der Sport versucht, wofür vom Standpunkt des Marketings aus sicher gute Gründe sprechen, den Sportler nicht zu kriminalisieren.

Trotzdem muss die rechtliche Lücke, die derzeit bei der Anwendung des Strafrechts für Sportler besteht, durch den Tatbestand des Sportbetruges geschlossen werden. Der Sportler ist nicht Opfer, er ist im Dopingsystem die Zentralgestalt des Geschehens und selber Täter. Die Versuche, über eine Anknüpfung im Arzneimittelgesetz das Problem zu lösen, mögen juristisch einfacher sein, sie sind jedoch nicht wirklich ehrlich. Es geht nicht um den Handel mit Arzneimitteln, sondern darum, dass der Sportler, der Dopingsubstanzen nutzt, seine Gegner, die Veranstalter und die gesamte Öffentlichkeit, die seinen Sport letztlich finanziert, täuscht. Dieses Vorgehen ist derzeit strafrechtlich nicht zu erfassen.

Sportler ließen sich von Strafandrohung durchaus beeindrucken

Die Kooperation von Staat und Sportverbänden würde die Verfolgbarkeit von Dopingvergehen erheblich verbessern. In vielen Fällen wäre ein Anfangsverdacht für Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegeben, wenn eine Dopingprobe des Sportlers positiv ist. Das Bewusstsein von Polizei und Staatsanwaltschaften, gegen Doping im Profisport und nicht nur im Fitnessstudio vorzugehen, würde dadurch geschärft.

Zudem heben Kriminologen, wie der Marburger Kollege Dieter Rössner, immer wieder hervor, dass Entdeckung, Aufdeckung und Verfolgungsdruck und nicht (nur) die drohende Strafe selbst die entscheidenden Punkte einer wirkungsvollen Prävention sind. Das gilt umso mehr, als es sich bei der Gruppe der dopenden Sportler nicht um eine Bande von Schwerkriminellen handelt, die sich von einem staatlichen Strafanspruch nicht beeindrucken lassen. Vielmehr entstammen die Sportler überwiegend einem bürgerlichen Umfeld und sind der Wirkung staatlicher Strafdrohung deutlich zugänglicher als zum Beispiel Täter im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts.

Die Bundesregierung evaluiert nunmehr die verschiedenen Fassungen des Arzneimittelgesetzes seit fast 20 Jahren. Sie hat sich auch in ihrem letzten Evaluationsbericht nicht dazu durchringen können, das Strafrecht direkt gegen den dopenden Sportler einzusetzen. Es ist, um eine Formulierung aus dem Kanzlerduell vom vergangenen Sonntag zu verwenden, endlich an der Zeit, nicht länger ziellos im Kreisverkehr zu fahren, sondern die Kavallerie zu satteln.

Der Autor Prof. Dr. Jens Adolphsen ist Inhaber des Lehrstuhls für Sportrecht an der Justus-Liebig-Universität Gießen sowie Mitglied der Rechtskommission gegen Doping im Sport.

Zitiervorschlag

Pro & Contra Anti-Doping-Gesetz: . In: Legal Tribune Online, 03.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9481 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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