2/2: Was ist hier eigentlich der Skandal?
Dass ihr neuer Schützling Gina-Lisa Lohfink, sonst nicht gerade eine Ikone der Frauenrechtsbewegung, eine Vergewaltigung frei erfunden hat, scheint Alice Schwarzer nicht weiter skandalös zu finden.
Zur Erinnerung: Wie auch schon die Staatsanwälte in dem Ermittlungsverfahren gegen die beiden Männer, das mangels Tatverdachts eingestellt wurde, ist auch das AG Tiergarten zu dem Ergebnis gekommen, dass nichts für die von Lohfink behauptete Vergewaltigung sprach. Nach dem Sachverständigengutachten war eine Manipulation durch KO-Tropfen ausgeschlossen. Das vermeintliche Opfer Lohfink war in der umfassend auf Video festgehaltenen Nacht wach, ansprechbar und vollständig orientiert. Sie selbst hatte zunächst von einvernehmlichem Sex gesprochen, dann von einer Vergewaltigung, schließlich von K.o.-Tropfen. Die von ihr als "geschockt" über ihre Wunden zitierte Gynäkologin, die sie direkt nach der angeblichen Tat aufgesucht haben wollte, bescheinigte nach vier Jahren, dass es bei einem Termin mehr als zehn Tage nach der angeblichen Vergewaltigung keine körperlichen Merkmale gegeben habe.
Ob Frau Lohfink ihre Sexualpartner einer Vergewaltigung bezichtigt hat, um nach der Verbreitung der Sexvideos ihren Ruf zu schützen, so wie es die Staatsanwaltschaft vermutete? Ob sie umso weniger zurück konnte, je lauter die öffentliche – und gar politische – Unterstützung für sie wurde? In ihrem letzten Wort betonte die Angeklagte, sie habe mit dem Verfahren nicht berühmt werden wollen – nun ja, zu spät.
Längst ist unter vielen auch EMMA-Herausgeberin Schwarzer auf den Zug aufgesprungen und instrumentalisiert das It-Girl fleißig, um pauschal gegen die Vergewaltiger-Spezies Mann zu konspirieren. Ist nicht das der Skandal? Dass Feministinnen, sogar nach einem Urteil, weiterhin eine Bewegung fortsetzen, die sich ohne Aktenkenntnis und ohne Sachverstand ein Strafverfahren zunutze machte, um eine Strafrechtsreform zu beschleunigen, die mit dem Verfahren nicht das Geringste zu tun hat. Dass Familienministerin Manuela Schwesig ihre Solidarisierung mit Lohfink nicht leugnen kann und selbst Bundesjustizminister Heiko Maas klarstellen muss, dass er "nicht zum #TeamGinaLisa gehört" habe - ist nicht das der Skandal?
Wie die Justiz mit Falschbeschuldigungen umgeht – und wieso
Aber zurück zum Fall: Skandalös am Fall "Gina-Lisa" ist die Tatsache, dass Täter von Falschbeschuldigungen im Sexualstrafrecht quasi nie eine Strafverfolgung zu befürchten haben – im Gegensatz zu kleinen Schwarzfahrern und Kiffern, wo die Justiz mit aller Härte des Gesetzes zuschlägt.
Das hat einen Grund. Die Justiz will nämlich trotz der eklatanten Fallzahlen rund um Falschbeschuldigungen bei Sexualdelikten um jeden Preis vermeiden, dass wahre Opfer davon abgehalten werden, Strafanzeige gegen ihren Peiniger zu erstatten, weil sie fürchten, dass die Ermittler Zweifel am Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen haben könnten.
So belegt eine Studie des LKA Bayern, dass Anzeigen wegen Vortäuschung oder falscher Verdächtigung - mit wenigen Ausnahmen – nur äußerst selten von der Polizei an die Staatsanwaltschaft abgegeben werden. Das geschieht nach dieser Studie nur dann, wenn das vermeintliche Opfer gesteht, den Sachverhalt falsch geschildert zu haben, oder die Beweislage bei Abschluss der Ermittlungen klar gegen die Aussagen des vermeintlichen Opfers spricht. Und selbst in diesen Fällen wurde noch rund ein Viertel der Strafverfahren ohne Folgen für die mutmaßliche Täterin eingestellt.
Eine milde Strafe per diskretem Strafbefehl – wohl nicht so ihr Ding
Dass die Berliner Justiz die Falschbeschuldigerin Lohfink strafrechtlich zur Verantwortung gezogen hat, war absolut richtig und vor allem das richtige Zeichen. Denn wer einen anderen unschuldig eines schweren, kaum nachweisbaren Verbrechens bezichtigt, um einen wie auch immer gearteten Vorteil daraus zu ziehen, sei es nur Rache oder eben eine Wiederbelebung der eigenen TV-Präsenz, der verdient es, dafür bestraft zu werden.
Fragen könnte man sich noch, ob es nicht ein Skandal ist, dass die Berliner Justiz Gina-Lisa Lohfink sogar noch mit einer milden Geldstrafe entgegenkam, die sie ihr zudem am liebsten ganz diskret mit einem postalisch zugestellten Strafbefehl auferlegen wollte. Wohlgemerkt für die falsche Verdächtigung wegen einer Straftat, für die im Falle einer Verurteilung die von ihr bezichtigten Männer bis zu fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe erwartet hätten. Aber diskret ist eben eher nicht Gina-Lisas Lohfinks Stil - gleiches gilt für Alice Schwarzer.
Der Autor Dr. Alexander Stevens ist Rechtsanwalt in München. Er ist spezialisiert auf die Vertretung von Tätern und Opfern in Sexualstrafsachen. Er ist außerdem Autor des Buchs "Sex vor Gericht".
Nach Urteil gegen Gina-Lisa Lohfink: . In: Legal Tribune Online, 24.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20368 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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