Er war der wohl mutigste Publizist der Weimarer Zeit und des Dritten Reiches. Sein Friedensengagement sorgte für zahlreiche Konflikte – so auch für den Weltbühne-Prozess von 1931. Der Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky wurde am 3. Oktober 1889 in Hamburg geboren.
Er war der wohl mutigste Publizist der Weimarer Zeit und des Dritten Reiches. Sein Friedensengagement sorgte für zahlreiche Konflikte – so auch für den Weltbühne-Prozess von 1931. Der Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky wurde am 3. Oktober 1889 in Hamburg geboren.
Carl von Ossietzky war unbequem, stur und streitbar. Schon frühzeitig ging er seiner journalistischen Leidenschaft nach und ebenso frühzeitig geriet seine spitze Feder in juristische Auseinandersetzungen mit den Staatsorganen. Als er 1914 einen kritischen Artikel über ein Urteil des Erfurter Militärgerichtes veröffentlichte, wurde er dafür zu einer Geldstrafe von 200 Reichsmark verurteilt.
Das erschütternde Weltkriegserlebnis als Infanterist an der Westfront machte ihn zu einem entschiedenen Gegner des Militarismus und seiner Romantisierung des Krieges. 1920 lernte von Ossietzky als Mitinitiator der Friedensbewegung "Nie wieder Krieg!" Kurt Tucholsky kennen.
Nach einer wechselvollen Zeit mit vielfältigen journalistischen und politischen Tätigkeiten begann er auf Vermittlung seines Freundes Tucholsky im April 1926 seine Tätigkeit in der Redaktion der Berliner Wochenschrift "Die Weltbühne", deren Herausgeberschaft er 1927 übernahm. "Die Weltbühne" bildete das Forum der radikaldemokratischen, bürgerlichen Linken.
Der "Weltbühne"-Prozess von 1931
Am 12. März 1929 veröffentlichte "Die Weltbühne" einen Aufsatz mit dem Titel "Windiges aus der Deutschen Luftfahrt", in dem der Luftfahrtexperte Walter Kreiset im Wesentlichen die Anfrage des Reichstagsabgeordneten Krüger im Haushaltsausschuss referiert und in dem auf allerlei Misswirtschaft bei der mit 22 Millionen Mark aus dem Reichshaushalt subventionierten Lufthansa hingewiesen wurde. In einer Passage heißt es zudem, dass "vor einigen Jahren eine Seeversuchsanstalt gegründet (worden sei), deren Zwecke immer dunkel geblieben ist [...]. Nun pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass (sie) nichts anderes als eine getarnte Abteilung der Marineleitung ist."
Der Inhalt des Artikels war nahezu identisch mit dem öffentlich einsehbaren Protokoll der 312. Sitzung des Ausschusses für den Reichshaushalt vom 3. Februar 1928.
Zweieinhalb Jahre nach Veröffentlichung des Artikels erhob die Reichsanwaltschaft Anklage gegen Carl von Ossietzky als verantwortlichen Herausgeber der "Weltbühne" vor dem für Hoch- und Landesverrat erst- und letztinstanzlich zuständigen Reichsgericht.
Und obwohl eine Riege der profiliertesten deutschen Strafverteidiger an der Seite des Angeklagten auftrat, wurde dieser "wegen Verbrechens gegen § 1 Abs. 2 des Gesetzes gegen den Verrat militärischer Geheimnisse" zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Das Urteil wurde zudem für geheim erklärt und allen Beteiligten ein Schweigegebot nach § 174 Abs. 2 GVG auferlegt.
Das Urteil verriet zahlreiche Ungereimtheiten und Widersprüche, insbesondere zu der entscheidenden Frage, ob die mitgeteilten Fakten überhaupt noch geheim waren und ob sie einer ausländischen Regierung verraten wurden, da sie im Wesentlichen einem öffentlichen Protokoll des Reichstags entnommen waren. Verschiedentlich ist den Reichsrichtern deshalb Rechtsbeugung vorgeworfen worden.
Nach dem Scheitern von Gnadengesuchen, der erfolglosen Interpellation der SPD-Reichstagsfraktion und einer Petition von 43.600 Unterzeichnern wie Albert Einstein und Thomas Mann, trat von Ossietzky am 10. Mai 1932 seine Gefängnisstrafe in Tegel an. Kurz zuvor hatte ihn der spätere Reichskanzler Kurt von Schleicher persönlich zur Flucht in die Schweiz überreden wollen. Von Ossietzky lehnte ab und kommentierte: "Jetzt sollen die Herren, die mir die Gefängnissuppe eingebrockt haben, sie auch selber auslöffeln."
Nach 227 Gefängnistagen wurde er auf Grund einer großen Weihnachtsamnestie am 22. Dezember 1932 entlassen.
"Soldaten sind Mörder" und andere Konflikte
Am 4. August 1931 veröffentlichte Tucholsky in der "Weltbühne" die Glosse "Der bewachte Kriegsschauplatz", in der es heißt:
"Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder."
Auch für diese Veröffentlichung wurde Carl von Ossietzky als verantwortlicher Herausgeber wegen "Beleidigung der Reichswehr" angeklagt. Das Berliner Schöffengericht sprach ihn am 1. Juli 1932 mit der Begründung frei, dass der allgemeine Satz "Soldaten sind Mörder" nicht auf bestimmte Personen ziele und deshalb keine Beleidigung sei. Ein Revisionsantrag der Staatsanwaltschaft wurde vom Kammergericht nicht zugelassen.
Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung gehörte auch Carl von Ossietzky aufgrund seiner pazifistischen und demokratischen Einstellung zu den Feinden des Regimes, die sofort verhaftet wurden. Seine Festnahme erfolgte – natürlich ohne eigentlichen Rechtsgrund – am 28. Februar 1933. Anschließend wurde von Ossietzky im Gefängnis Berlin-Spandau untergebracht. Es folgte in den nächsten Jahren die Internierung in den Konzentrationslagern Esterwegen und Sonnenburg, wo er gefoltert und von Zeitzeugen beschrieben wurde als ein "zitterndes, totenblasses Etwas, ein Wesen, das gefühllos zu sein schien, ein Auge verschwollen, die Zähne anscheinend eingeschlagen". Im Vorfeld der Sommerolympiade 1936 wurde er aus der Haft entlassen und schwerkrank im Berliner Staatskrankenhaus unter Bewachung der Gestapo untergebracht.
Am 23. November 1936 erhielt Carl von Ossietzky rückwirkend den Friedensnobelpreis des Jahres 1935 zugesprochen. Das Drängen von Hermann Göring, den Preis abzulehnen, wies von Ossietzky mutig ab. Am 4. Mai 1938 starb er im Krankenhaus Nordend an den Folgen einer Tuberkulose. Er hinterließ seine Frau Maud und seine Tochter Rosalinde, die über England nach Schweden emigrieren konnten.
Der Autor Jürgen Seul lebt als freier Publizist und Redakteur in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Er verfasste zahlreiche Publikationen u. a. zum Architektenrecht, Arbeitsrecht sowie zu rechtshistorischen Themen.
Jürgen Seul, Carl von Ossietzky zum Geburtstag: . In: Legal Tribune Online, 02.10.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1619 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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