Über Olympia soll gefälligst nur nett berichtet werden. Um diesen Wunsch wahr werden zu lassen, hat das Olympische Komitee in den Nutzungsbedingungen seiner Internetseite geregelt, dass anstößige Berichte nicht auf die Seite london 2012.com verlinken dürfen. Rechtlich ist dieses Verbot unhaltbar und verleitet manch einen dazu, das genaue Gegenteil zu tun, meinen Niklas Haberkamm und Florian Wagenknecht.
Es ist nicht das erste Mal, dass bereits im Vorfeld der Spiele Unverständnis über die Vorgaben des Olympischen Komitees geäußert wird. So soll die Bevorzugung von Sponsoren so weit gehen, dass andere Pommes als die von McDonald's nicht verkauft werden dürfen – außer natürlich den traditionellen "Fish 'n Chips".
Nun sorgen auch noch die "Terms of use" der offiziellen Webseite der Olympischen Spiele in London in der Netzgemeinde für Empörung: In Punkt 5 steht geschrieben, dass kein Link gesetzt werden darf, der die Veranstaltung in "falscher, irreführender, abfälliger oder in sonstiger Weise anstößig darstellt". In anderen Worten: Es ist gefälligst nur positiv über die Olympischen Spiele zu berichten!
Der britische Blog lawinthecloud.com weist darauf hin, dass eine Google-Suche viele weitere Webseiten aufzeigt, die den gleichen Satz verwenden. Das deutet auf eine Standardklausel hin, mit deren Hilfe auch andere Seitenbetreiber eine abfällige Berichterstattung und Verlinkung unterbinden wollen.
Standardklausel als Zensurversuch
Doch dieser Wunsch kann aus mehreren Gründen nicht erfüllt werden. Möchte man von einer Bindungswirkung der Nutzungsbedingungen ausgehen, müssten diese dem Betroffenen konkret zugänglich gemacht beziehungsweise auf sie hingewiesen werden. Bereits diese Voraussetzung macht das Vorhaben weltfremd. Ein unerwünschter Link kann nämlich ohne jegliche Kenntnisnahme der Nutzungsbedingungen gesetzt werden. So bestehen die Nutzungsbedingungen der Olympia-Seite London2012.com in ihrer jetzigen Form bereits seit September 2010, sind jedoch erst jetzt aufgefallen. Das tatsächliche Lesen der Bedingungen ist allerdings nicht erforderlich.
Auch sonst sind die "Terms of use" – zumindest nach deutschem Recht – äußerst fragwürdig. Denn Verlinkungen auf eine fremde Website sind prinzipiell erlaubt, solange es sich bei der verlinkten Seite nicht selbst um eine illegale Seite oder eine Seite mit illegalem Inhalt handelt. In der Entscheidung "Paperboy" stellte der Bundesgerichtshof (BGH) fest, dass man sich gegen Links, die auf einen bestimmten Unterteil einer Webseite verweisen unter Umgehung der Startseite, so genannte Deep Links, nur zur Wehr setzen kann, indem man technische Schutzmaßnahmen vornimmt (Urt. v. 17.07.2003, Az. I ZR 259/00).
Presse- und Meinungsfreiheit auch für Links
Dass man keine bewusst unwahren Tatsachen behaupten oder Schmähkritik ausüben kann, ohne gegen Rechte zu verstoßen, ist selbstverständlich. Die Klausel der Nutzungsbedingungen versucht allerdings, darüber hinaus auch die Meinungsfreiheit zu beeinflussen und Verlinkungen in jeglicher negativen Nuance zu untersagen. Dies ist nach den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber schlicht nicht möglich. Mit der Entscheidung "AnyDVD" hat der BGH nochmals klargestellt, dass der Schutz der Pressefreiheit ebenso wie der Schutz der Meinungsfreiheit das Recht umfassen, den Inhalt und die Form der Berichterstattung frei zu wählen (Urt. v. 14.10.2010, Az. I ZR 191/08).
Eine Verlinkung auf die Seite london2012.com ist auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur eine technische Funktion, sondern eine Information, die bei entsprechender Einbettung in Beiträge und Stellungnahmen eigenständig durch die Presse- und Meinungsfreiheit geschützt ist (Beschl. v. 15.12.2011, Az. 1 BvR 1248/11).
Ein Hinweis darauf, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 06.03.2001, Az. C-274/99 P) sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urt. v. 20.05.1999, Az. 21980/93) sogar solche Informationen, die Dritte beleidigen, aus der Fassung bringen oder sonst stören können, von der Meinungs- und Pressefreiheit geschützt sind, würde die Verantwortlichen des Olympischen Komitees wohl nachhaltig in ihrem Weltbild irritieren.
Auch das Urheber- und das Wettbewerbsrecht können das Verbot negativer Verlinkungen nicht rechtsfertigen. Und in England schützt jedenfalls Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention vor "censorship".
"Dabei sein ist alles"
Im Netz findet sich mittlerweile viel Kritik an den Nutzungsbedingungen, die den Wunsch des Komitees mehr als nur missachten. Cnet.com fragt sich beispielsweise, ob "abfällige Berichterstattung" auch schon dann zutreffen möge, wenn man die olympische Bewegung mit seiner Historie von Korruption, Doping und Inkompetenz in Zusammenhang bringe.
Der Blogger Cory Doctorow treibt es bei boingboing.net auf die Spitze, indem er dem Streisand-Effekt folgend das genaue Gegenteil dessen umsetzt, was gewünscht war - munter schimpft er drauf los und verlinkt dabei immer wieder auf die offizielle Olympia-Seite.
Dass der Versuch, bestimmte Informationen zu unterdrücken, oftmals das Gegenteil erreicht und eine Flut unerwünschter Berichte durch das Netz schwappt, erfahren die Verantwortlichen des Olympischen Komitees nun nur allzu deutlich. Am Ende der Spiele werden sie vielleicht zu dem Fazit kommen, dass sie sich lieber an den Olympischen Gedanken gehalten hätten, statt unnütze Verbote aufzustellen: "Dabei sein ist alles".
Der Autor Niklas Haberkamm, LL.M. oec. ist Partner der Rechtsanwälte Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum Partnerschaft in Köln. Der Autor Florian Wagenknecht ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Partnerschaft und Mitbetreiber der Website www.rechtambild.de. Sie sind spezialisiert auf das Urheber- und Medienrecht und dort insbesondere auf Rechtsverletzungen im Internet.
Niklas Haberkamm, Nutzungsbedingungen der Internetseite von Olympia 2012: . In: Legal Tribune Online, 20.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6666 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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