Die juristische Presseschau vom 24. - 26. Oktober 2015: ProstSchG ohne Kom­pe­tenz – Kar­tell­för­de­rung genügt – Straf­fällig laut Soft­ware

26.10.2015

Justiz

EuGH zu Kartellbeteiligung: Auch wer nicht unmittelbar im betroffenen Marktsektor tätig ist, kann mit einer kartellrechtlichen Buße belegt werden. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs genügt die Begünstigung der Zuwiderhandlungen. Die Unternehmensberatung AC Treuhand war erfolglos gegen eine Buße vorgegangen, die ihr die EU-Kommission wegen Koordinationstätigkeiten in einem Kartell auferlegt hatte, berichtet Rechtsanwalt Nico Just auf lto.de.

EuGH – Arbeitnehmermitbestimmung: Dass im Ausland Beschäftigte eines mitbestimmungspflichtigen deutsche Unternehmens nicht im Aufsichtsrat vertreten sein müssen, hält das Kammergericht für unionsrechtswidrig und hat, laut Montags-FAZ (Joachim Jahn), den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht. Joachim Jahn (Montags-FAZ) meint, der EuGH werde die Unionsrechtswidrigkeit bestätigen. Das komme einer "kleinen Kulturrevolution" gleich, denn mangels Kenntnis des System des "Ko-Managements" seien ausländische Mitarbeiter "nicht die größten Vorkämpfer für Arbeiterrechte".

EuGH zu Bitcoin-Umtausch: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass der Umtausch von Bitcoins, wie der Umtausch gesetzlicher Zahlungsmittel, nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. e) Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie umsatzsteuerfrei ist. Das berichtet Rechtsprofessor Dennis Klein auf lto.de.

BGH zu Absage der Hauptversammlung nach Beginn: Rechtsprofessor Ulrich Wackerbarth kritisiert auf dem Handelsblatt-Rechtsboard eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs von Ende Juni. Die Absage einer Hauptverhandlung durch den Vorstand nach deren Beginn ist nicht wirksam. Verlassen nun Mitglieder den Saal und wird die HV in ihrer Abwesenheit durchgeführt, sei ihr Teilnahmerecht nicht verletzt und Beschlüsse seien nicht anfechtbar, meint Wackerbarth entgegen dem Gericht. Andernfalls könnten durch solche unwirksamen Absagen der Hauptverhandlung die Minderheitsrechte aus § 122 Aktiengesetz umgangen werden.

OVG Bln-Bbg – Lobbyistenliste: Die Bundestagsverwaltung muss über Lobbyisten informieren, die mit Hausausweisen ausgestattet sind. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin bereits Ende September mit Eilentscheidung zugunsten des Tagesspiegels entschieden. Hiergegen hat die Bundestagsverwaltung Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg erhoben, über die noch zu entscheiden ist. Die SPD Fraktion habe vergangene Woche bereits "freiwillig" ihre Liste veröffentlicht, berichtet der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof).

LAG Kiel zu Kündigung wegen Führerscheinentzug: Wenn der (Außendienst-)Mitarbeiter die vertraglich geforderte Leistung auch ohne eigene Fahrerlaubnis erbringen kann, berechtigt der Entzug der Fahrerlaubnis nicht zur Kündigung, entschied das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein im Juli, wie Rechtsanwalt Norbert Pflüger in der Samstags-FAZ berichtet. Maßgeblich sei dabei jedoch weiterhin die vertraglich festgelegte Leistung, wobei der Arbeitgeber bestimmen könne, wie die Arbeit zu erbringen ist.

VG Stuttgart zu "Racial Profiling": Weil er nahe der Deutsch-Französischen Grenze nach § 23 Bundespolizeigesetz ("Schleierfahndung") kontrolliert wurde, klagte ein deutscher Staatsbürger afghanischer Abstammung vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Das VG gab der Klage statt, denn die Norm verstoße gegen Unionsrecht, welches systematische Grenzkontrollen untersage. Zum eigentlichen Grund der Klage, der Auswahl des Klägers zur Kontrolle aufgrund seines Aussehens ("Racial Profiling"), äußerte sich das Gericht nicht, berichten die taz (Christian Rath – ausführlich auf taz.de) und lto.de. Der Jurastudent Lukas Müller weist auf verfassungsblog.de darauf hin, dass das Urteil dem Entschluss der Bundesregierung, vorübergehend Kontrollen an Schengen-Binnengrenzen wieder einzuführen, nicht entgegensteht.

LG Hamburg zu EHEC-Warnung: Die Stadt Hamburg muss einem spanischen Gemüsehändler Schadensersatz zahlen. In einer Pressemitteilung der Hamburger Verbraucherschutzbehörde war 2011 der – wie sich später herausstellte fälschliche – Eindruck erweckt worden, die Salatgurken des Händlers seien für die EHEC-Welle verantwortlich. Dass noch unklar war, ob der in den Gurken gefundene EHEC-Stamm der maßgebliche Erreger war, hätte mitgeteilt werden müssen, entschied das Landgericht Hamburg laut lto.de.

VG Braunschweig zu AirBerlin/Etihad: Im Streit um die Flüge von Air Berlin und Etihad Airways im Codesharing-Verfahren hat das Verwaltungsgericht Braunschweig per Eilentscheidung zunächst bis 8. November eine Fortsetzung genehmigt. Die Bundesregierung erklärte sich daraufhin mit einer Fortsetzung bis zum 15. Januar einverstanden, um den Passagieren die bereits Tickets erworben hatten Nachteile zu ersparen. Bis dahin müssen die Fluggesellschaften eine organisatorische Lösung finden, berichtet unter anderem zeit.de.

GBA – NSA/GCHQ: Nachdem auf dem Rechner einer Referatsleiterin im Bundeskanzleramt die Spionagesoftware "Regin" gefunden wurde, hat die Bundesanwaltschaft noch unter Leitung Harald Ranges ein Verfahren wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit eingeleitet. Zwar werde das Verfahren derzeit gegen Unbekannt geführt, in Fachkreisen bestehe jedoch kein Zweifel daran, dass "Regin" der NSA oder dem GCHQ zuzuordnen sei, melden Spiegel (Fidelius Schmidt/Jörg Schindler) und Montags-SZ.

SG Berlin – Vermehrte Klagen: Die Samstags-FAZ (Joachim Jahn/Dietrich Creutzburg) berichtet vom Sozialgericht Berlin, bei dem sich Eilanträge und Klagen unter anderem aufgrund der Überforderung des LaGeSo häufen.

Rassistisch motivierte Taten: Wolfgang Janisch (Samstags-SZ) fordert ein entschiedeneres Vorgehen der Strafverfolger bei rassistisch motivierten Straftaten. Es bedürfe eines Mentalitätswandels der Behörden, um in Zusammenarbeit in die hoch konspirativen rechten Strukturen eindringen zu können und solche Taten effektiv zu bekämpfen.

Arbeitsrecht: Wie Unternehmen Vertriebler, die sie loswerden wollen, rechtswidrig kaltstellen und wie sich die Arbeitnehmer mit Eilverfahren und Klagen zur Wehr setzen können, beschreibt zeit.de (Christoph Abeln/Claudia Tödtmann).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 24. - 26. Oktober 2015: ProstSchG ohne Kompetenz – Kartellförderung genügt – Straffällig laut Software . In: Legal Tribune Online, 26.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17325/ (abgerufen am: 03.07.2024 )

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