Die juristische Presseschau vom 5. - 7. Oktober 2013: Lottoglück oder Zugewinnausgleich? – Deutsche Staatsanwälte mit EU-Hut – Belauschte Anwälte

07.10.2013

Weitere Themen – Justiz 

BND hört deutsche Provider ab: Der Verband der deutschen Internetwirtschaft bekomme wohl seit zwei Jahren regelmäßig Schreiben des Bundesnachrichtendienstes mit einer Anordnung zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, wie der Spiegel zu berichten weiß. Genehmigt hätten dies Bundeskanzleramt und Bundesinnenministerium. Sechs der insgesamt 25 Internet-Providern die der BND aufliste, seien deutsche Firmen, wie etwa 1&1. Auch diese zapfe der BND am Datenknotenpunkt De-Cix in Frankfurt an, obgleich, so der Spiegel, "über diese Leitungen fast ausschließlich innerdeutscher Datenverkehr" laufe und bei massenhafter, strategischer Fernmeldeaufklärung deutsche Telefonate und E-Mail "grundsätzlich tabu" seien.

Den Bericht greift Thomas Stadler (internet-law.de) auf und meint, soweit die Maßnahmen sich gegen deutsche Provider richteten, seien diese "mit hoher Sicherheit rechtswidrig".

Ermittlungsbehörden belauschen Anwälte: Nach einem Bericht des Spiegel haben deutsche Ermittlungsbehörden jahrelang rechtswidrig Telefongespräche zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten abgehört bzw. mitgeschnitten und protokolliert, ausgewertet und teilweise jahrelang aufbewahrt. Der Spiegel erläutert die Rechtslage und verweist dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus 2011, wonach automatisierte Mitschnitte auch von Gesprächen aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zwar zulässig seien, aber unverzüglich gelöscht werden müssten, es gelte ein striktes Verwertungsverbot. Im Falle eines vom Bundeskriminalamt überwachten Anwaltes aus Bochum, bei welchem Gespräche auch ausgewertet worden seien, habe der Bundesgerichtshof die Maßnahme als rechtswidrig deklariert; die Bundesanwaltschaft legte dagegen Beschwerde ein.

Anwälte gegen Totalüberwachung: Über die von zwölf Rechtsanwälten gegründete Initiative "Rechtsanwälte gegen Totalüberwachung" berichtet spiegel.de (Judith Horchert). Als Reaktionen auf Prism und Tempora wollen die Aktivisten die Bürger sensibilisieren und formulierten einen Forderungskatalog für die Bundesregierung: So sollen etwa alle NSA-Standorte in Deutschland geschlossen und die Verwendung von Programmen wie XKeyscore zu verhindert werden.

EGMR – Geheimdienstliche Überwachung: Wie lto.de knapp meldet, haben Bürgerrechtler von Big Brother Watch, Open Rights Group, dem britische Schriftstellerverband P.E.N. sowie Constanze Kurz, die Sprecherin des Chaos Computer Clubs, Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. Die Straßburger Richter sollen die Datenüberwachung und -weitergabe durch den britischen Geheimdienst auf Vereinbarkeit mit internationalem Recht überprüfen.

EuGH zu Individual-Klagebefugnis: Als "dogmatisch überzeugend" beschreibt der Rechtswissenschaftler Alexander Thiele für lto.de die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom Donnerstag zur Klage gegen das europäische Robben-Handelsverbot. Ebenso wie bereits das Europäische Gericht lehnte der Europäische Gerichtshof die Klageberechtigung der kanadischen Inuit ab. Eine Klagebefugnis für Privatpersonen gäbe es nur für Verordnungen, die nicht in einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren zustande kämen. So bleibe jedoch der Individualrechtsschutz gegen viele abstrakt-generelle EU-Regelungen weiter defizitär, so Thiele.

BFH korrigiert eigene Formulierung: Wie das Handelsblatt (asr) knapp informiert, musste der Bundesfinanzhof am Freitag die Formulierung eines am Mittwoch verkündeten Urteils korrigieren. In der Sache ging es um die Gefahr der Nachversteuerung bei der Nutzung einer spanischen Ferienimmobilie. Die Gefahr war am Mittwoch noch als "eher gering" eingestuft worden, am Freitag hieß es dann, der deutsche Fiskus könne nur dann keine Steuern nachfordern, wenn der spanische Fiskus bereits kassiert habe.

OLG Düsseldorf – Ennepetal gegen WestLB: Laut taz (Hermannus Pfeiffer) entscheidet das Oberlandesgericht Düsseldorf am Montag in zweiter Instanz im Streit zwischen der Stadt Ennepetal und der ehemaligen WestLB. Die Gemeinde habe von der Bank hochriskante und vor allem verlustbringende Finanzprodukte erworben. In erster Instanz hatte die Stadt obsiegt; die taz geht davon aus, dass am Ende jedenfalls der Bundesgerichtshof entscheiden wird.

VG München/EuGH – Deserteure als Flüchtlinge: Wie der Spiegel knapp meldet, hat das Verwaltungsgericht München das Asylverfahren eines desertierten US-Soldaten ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof angerufen. Dieser solle klären, wann Deserteure durch das europäische Flüchtlingsrecht geschützt sind. André Shepherd sei 2007 vor einem zweiten Irak-Einsatz nach Deutschland geflüchtet.

EuGH – Klage gegen Finanztransaktionssteuer: Nach einer Meldung des Spiegel kommt der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Klage Großbritanniens gegen die Finanztransaktionssteuer vor dem Europäischen Gerichtshof unbegründet sei. Das Vorhaben verstoße nicht gegen EU-Recht.

Energieversorger – Klagewelle: Spiegel (Frank Dohmen) widmet einen Beitrag einer möglicherweise anrollenden "Lawine von Rückforderungsklagen" von Verbrauchern wegen rechtswidriger Gas- und Strompreiserhöhungen. Der Bundesgerichtshof und der Europäische Gerichtshof hätten Preisanpassungsklauseln in Gas-Verträgen für Sonderkunden für nicht rechtmäßig erklärt. Es fehlte etwa an einer Bestimmung von Fristen oder Berechtigungen für Erhöhungen des Tarifs. Experten schätzen laut Spiegel, dass Millionen Verbraucher nun von den Urteilen profitieren könnten, da auch viele Stromverträge entsprechende Klauseln enthielten.

LG Kaiserslautern zu verhungertem Vater: Im Spiegel (Beate Lakotta) findet sich eine Reportage zu einem Prozess vor dem Landgericht Kaiserslautern: Wegen Totschlags durch Unterlassen verurteilt wurde die Ehefrau ihres, in der Familienwohnung verhungerten, schizophrenen Mannes; Sohn und Tochter bekamen Bewährungsstrafen wegen Körperverletzung durch Unterlassen mit Todesfolge. Diese habe sich, so die Verteidiger, völlig hilflos und überfordert gefühlt: Der Mann habe krankheitsbedingt Angst vor dem Essen gehabt und die Familie bedroht. Die lebensbedrohliche Lage hätten die drei indes nicht erkannt. Fraglich sei im Prozess auch gewesen, ob nicht auch das System aus Ärzten und Betreuern versagt hätte. Der Richter sähe indes die Verurteilten in der Pflicht.

"Braune Spione" im BfV: Im Politik-Teil der Samstags-SZ (Martin Mühlfenzl) findet sich ein Beitrag über das vom Bundesamt für Verfassungsschutz in Auftrag gegebene Forschungsvorhaben zur eigenen Organisationsgesichte. Die zuständigen Historiker der Ruhr-Universität Bochum suchten nach NS-Bezügen von Mitarbeitern aus der Gründungszeit nach 1950; dabei hätten sie bislang unter anderem herausgefunden, dass etwa 13 Prozent aller vor dem Jahr 1928 geborenen Verfassungsschutzmitarbeiter Mitglieder der NSDAP gewesen seien.

Geheimdienste – Leider keine Besserung in Sicht: Mit Rechtsanwalt und Honorarprofessor Niko Härting spricht lto.de (Constantin Baron van Lijnden) über Abhörtätigkeiten deutscher Geheimdienste im Vergleich mit amerikanischen und britischen, deren "Job" es ja gerade sei, so Härting, die Rechte der Bürger anderer Staaten zu verletzen. Dass sich in Deutschland trotz des Skandals rechtspolitisch endlich etwas bewegt, glaubt Härting nicht - einer Vorlage des G-10-Gesetzes beim Bundesverfassungsgericht räume er zwar gute Chancen ein, im Bundestag sei aber einfach niemand "scharf darauf", Geheimdienstbefugnisse in Frage zu stellen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 5. - 7. Oktober 2013: Lottoglück oder Zugewinnausgleich? – Deutsche Staatsanwälte mit EU-Hut – Belauschte Anwälte . In: Legal Tribune Online, 07.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9743/ (abgerufen am: 21.07.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen