Die juristische Presseschau vom 27. September 2012: Ein bisschen katholisch geht nicht – Mutti im Gefängnis – Vatileaks vor Gericht

27.09.2012

Das Bundesverwaltungsgericht hat eine nur teilweise Austrittsmöglichkeit aus der katholischen Kirche abgelehnt. Außerdem in der Presseschau: Sportförderung soll ins Grundgesetz, EU-Finanzmarktregulierung, ESM-Haftungsgrenzen, Branding für Kanzleien, Polizeigewalt vor Gericht, und warum der BGH Verständnis zeigt, wenn Kokain ein Mitbringsel ist.

BVerwG zu Kirchenaustritt: Ein Kirchenaustritt auf dem Standesamt bedeutet immer einen vollständigen Kirchenaustritt und ist nicht auf die Pflicht zur Zahlung der Kirchensteuer beschränkt. Über die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bericht die FTD (Franziska Broich, ähnlich ftd.de).

Damit, so die SZ (Wolfgang Janisch), werde die Entscheidung des Kirchenrechtlers Hartmut Zapp anerkannt, die katholische Kirche, "so wie sie in Deutschland existiere“, zu verlassen. Zapp hatte seine Kirchenaustrittserklärung auf dem Standesamt Staufen auf die Kirche als "Körperschaft des öffentlichen Rechts“ beschränkt. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hatte diese Erklärung nach einer Klage des Erzbistums Freiburg wegen ihrer Zweideutigkeit für insgesamt nichtig erklärt. Nach einem Dekret der Katholischen Bischofskonferenz verwirke ein Gläubiger mit seinem Austritt auch den Empfang der Sakramente.

Wenke Husmann (zeit.de) stellt das durch das Urteil bestätigte Privileg in Frage, dass die Kirchensteuer in Deutschland nach wie vor vom Staat eingetrieben wird. Matthias Drobinski (SZ) meint, das deutsche Kirchensteuersystem sei weitgehend gerecht und effizient  und damit besser als sein Ruf, allerdings könne "eine Kirche als Heilsgemeinschaft den Glauben nicht vom Bezahlen abhängig machen." Lucas Wiegelmann (welt.de) unterstützt die Position der Bischöfe: "Mehr als jeder andere Verein darf eine weltanschauliche Organisation wie die Kirche doch wohl von ihren Mitgliedern verlangen, sich zu entscheiden.“

Weitere Themen – Rechtspolitik

Provisionen weitergeben: Wenn Berater in Banken ihren Kunden bestimmte Finanzinstrumente wie Fonds empfehlen und dafür Provision kassieren, müssen sie diese an den Kunden weitergeben oder offenlegen, von wem sie die Provision erhalten haben. Dies, berichtet die SZ (Silke Bigalke) im Wirtschaftsteil, habe der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europaparlaments bei der Festlegung der neuen Finanzmarktrichtlinien (Mifid) beschlossen. Zum gleichen Thema berichtet auch die taz (Eric Bonse).

EU-Finanztransaktionssteuer: Wie das Handelsblatt (Ruth Berschens, Kurzversion auf handelsblatt.com) berichtet, steht die geplante EU-Finanztransaktionssteuer vor dem Aus. Nachdem Spanien und Italien das Projekt nicht länger befürworteten, sei es unwahrscheinlich, dass die für eine Realisierung erforderlichen neun EU-Länder zueinander fänden.

Finanzmarktregulierung ab 2013: Das Handelsblatt (Elisabeth Atzler) gibt einen Ausblick auf die zum 1. Januar 2013 neuen EU-Vorschriften zur Finanzmarktregulierung. Im Dossier (Frank M. Drost) werden die wichtigsten Strukturelemente erläutert.

Bußgelder der EU-Kommission: Rechtsanwalt Carsten Grave untersucht auf dem Handelsblatt-Rechtsboard Möglichkeiten, die, wie er schreibt, immer höheren Bußgelder der EU-Kommission wegen Verstößen gegen das Kartellrecht zu reduzieren.

Sport ins Grundgesetz: Die SZ (Heribert Prantl) berichtet über die Forderung der SPD, den Schutz und die Förderung des Sports ins Grundgesetz aufzunehmen. Das Grundgesetz sei damit einmal mehr "eine Art Adelsregister für gewichtige Anliegen“. Die Debatte darüber findet im Bundestag am 28. September statt.

Beschneidung: Die FTD kritisiert in ihrem Leitartikel den Regelungsvorschlag zur Beschneidung und vermutet, die Diskussion werde sich dadurch nicht beenden lassen.

In einem Beitrag für lto.de meint der Juraprofessor und Mitglied des Ethikrats Wolfram Höfling, die Eckpunkte des Bundesjustizministeriums böten eine gute Grundlage für die weitere Diskussion.

CleanIT: Auch auf spiegel.de (Hakan Tanriverdi) gibt es jetzt einen Beitrag zum EU-Projekt CleanIT, bei dem ein Entwurfspapier vorsieht, dass Internet-Unternehmen die Inhalte der von ihnen betriebenen Websites selbständig auf Terrorismusinhalte zu untersuchen und diese der Polizei zu melden hätten.

Weitere Themen – Justiz

BVerfG zu ESM-Haftungsgrenzen: Wie die Badische Zeitung (Christian Rath) berichtet, ist die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Klärung zur Haftungsgrenze für Deutschland beim ESM-Rettungsschirm geklärt. Die Bundesregierung habe mit den anderen 16 Euro-Staaten eine "interpretative Erklärung" ausgehandelt. Keine Bestimmung des Vertrags könne so ausgelegt werden, dass die ESM-Haftung gegen deutschen Willen erhöht werden könne. Die Erklärung soll heute von den 17 EU-Botschaftern beschlossen werden.

Branding für Kanzleien: Das Handelsblatt (Marcus Creutz) bringt in seiner Spezialsektion "Legal Success“ zur anwaltlichen Tätigkeit einen Bericht, wie sehr die Markenentwicklung, das "Branding“, für Kanzleien an Bedeutung gewinnt, und wie oberflächlich sich viele Kanzleien mit diesem Thema auseinandersetzen.

Nichtaufarbeitung Polizeigewalt: Die Zeit (Sabine Rückert) bringt ein Dossier über die lückenhafte und zögerliche gerichtliche Aufarbeitung von Polizeigewalt. Bei den Verfahren sähen sich die geschädigten Bürger regelmäßig unter Druck gesetzt, Beamte würden häufig nicht zur Rechenschaft gezogen.

Ambros Waibel (taz) meint in seiner Kolumne, Polizei sei so wichtig, dass man sie sich niemals selbst überlassen dürfe.

Magnus Gäfgen als Folteropfer: Magnus Gäfgen, der vor zehn Jahren den elfjährigen Jakob von Metzler entführte und ermordete, kämpft vor Gericht darum, als Folteropfer anerkannt zu werden. Darüber berichtet die taz (Christian Rath).

Mutti im Gefängnis: Über die schwierige Situation von mehr als 100.000 Kindern, bei denen sich ein Elternteil im Strafvollzug befindet, berichtet die taz (Elisabeth Gamperl). Weniger als die Hälfte der 145 deutschen Haftanstalten hielten spezielle Angebote für Kinder bereit, von denen jedes dritte bis zweite unter psychischen Belastungen leide.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Italien – "Vatileaks": Die FTD (Tobias Bayer) bringt einen Vorbericht zum "Vatileaks“-Verfahren. Ab Freitag muss sich der ehemalige Kammerdiener von Papst Benedikt XVI. vor Gericht verantworten. Paolo Gabriele soll Dutzende Privatbriefe an die Presse weitergeleitet haben.

Homosexuellenrechte weltweit: In ihrer Reihe von künstlerisch gestalteten Grafiken bringt Die Zeit (Smetek / Nora Coenenberg / Sven Stockrahm) in dieser Woche einen regenbogenfarbenen Überblick, der zeigt, wie es um die Rechte von homosexuellen Männern und Frauen weltweit bestellt ist.

Sonstiges

Sven Thomas: Klaus Ott (SZ) porträtiert Sven Thomas, den Anwalt von Bernie Ecclestone

Das Letzte zum Schluss

Kokain als Mitbringsel: Wer einem Freund eine geringe Menge Kokain zum Selbstkostenpreis überlässt, "handelt“ nicht mit dem Rauschgift im Sinne des BtMG. lawblog.de (Udo Vetter) stellt einen Beschluss des Bundesgerichtshofs vor, durch den sich die Bewährungsstrafe des Verurteilten von eineinhalb Jahren auf sechs Monate und eine Woche reduzierte.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.)

lto/ro

(Hinweis für Journalisten)  

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 27. September 2012: Ein bisschen katholisch geht nicht – Mutti im Gefängnis – Vatileaks vor Gericht . In: Legal Tribune Online, 27.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7189/ (abgerufen am: 01.07.2024 )

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