Die juristische Presseschau vom 26. Juni 2012: Volksabstimmung über Europa – Linke Verteidigung eines Neonazis – Religiöse Beschneidung

26.06.2012

Neue Woche, neue Debatte: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat mit seinem Vorstoß zu einer Volksabstimmung über Europa für Unruhe gesorgt und eine neue Debatte angestoßen, die nicht allen willkommen ist. Außerdem in der Presseschau: Religiöse Beschneidung ist strafbar, Kontroverse um die Verteidigung eines Neonazis und ein Einbrecher, der sich als Vibrator entpuppt.

Volksabstimmung zu EU-Entwicklung: Der Vorstoß von Bundesfinanzminister Schäuble zu  einer Volksabstimmung über die Entwicklung der EU stößt bei der Bundesregierung auf Widerstand, berichtet zeit.de (Till Schwarze).
Heribert Prantl (SZ) kommentiert, dass es sich bei Fiskalpakt und ESM um "stille Verfassungsänderungen" handele: Wenn sie in die Kernsubstanz des Grundgesetzes eingreifen würden, genüge nicht einmal die Zweidrittelmehrheit: "Dann müsste das Volk gefragt werden." Günter Nonnenmacher (FAZ) gibt demgegenüber zu bedenken, dass "die Büchse der Pandora" besser geschlossen bleiben sollte.

Auch Christian Rath (taz) warnt eindringlich vor einer neuen Debatte: "Europa ist schon kompliziert genug" – besser sei es, auf Bundesebene "generell Volksentscheide zuzulassen", "dramatisierende Sonderplebiszite zur Ablösung des Grundgesetzes" seien gefährlich und ein Schaden für die europäische Idee. Für das Handelsblatt kommentiert Klaus von Dohnanyi auf der Seite Recht und Steuern.

Weitere Themen – Rechtspolitik

ESM-Abstimmung: Nach dem Willen der Bundesregierung soll der Euro-Rettungsschirm ESM am Freitag in Bundestag und Bundesrat nun doch mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden, berichtet die FAZ (Majid Sattar).

Reichensteuer: Die Vorsitzende der Linken Katja Kipping hatte kürzlich mit ihrer Forderung für Aufsehen gesorgt, Einkünfte von Spitzenverdienern auf 40.000 Euro im Monat zu begrenzen. Warum ein Spitzensteuersatz von 100 Prozent mit dem geltenden Verfassungsrecht "nur schwer" vereinbar ist, erläutert für lto.de der Rechtswissenschaftler Henning Tappe.

Fiskalvertrag und die Ewigkeitsklausel: Max Steinbeis (verfassungsblog.de) setzt sich ausführlich mit der Frage auseinander, ob der Fiskalvertrag gegen den unabänderlichen Kern des Demokratieprinzips verstößt. Das Fehlen einer Kündigungsklausel und die Konkretisierungsbefugnis der Europäischen Kommission stünden der Verfassungsmäßigkeit des Fiskalpakts nicht entgegen, anders verhalte es sich möglicherweise mit der in Art. 7 vorgesehenen parlamentarischen Kontrolle.

Leistungsschutzrecht: Rechtsanwalt Markus Ruttig beschäftigt sich für lto.de mit dem geplanten Gesetz zum Leistungsschutzrecht. Es gehe zu weit, "den Untergang der Kommunikations- und Meinungsfreiheit im Internet zu beschwören." Das Kalkül der Verlage könne wohl eher zu einem "Eigentor" führen.

EU-Verordnung zum Erben: Das Handelsblatt (Constanze Hacke) erläutert auf der Seite Recht und Steuern eine EU-Verordnung, die bei grenzüberschreitenden Nachlässen für Vereinfachung sorgen soll. Die Verordnung gilt erst 2012, um den Mitgliedstaaten Zeit zur Umsetzung zu geben.

Breivik im deutsches Strafrecht:  Auf blog.beck.de geht Henning Ernst Müller der Frage nach, wie das deutsche Strafrecht auf "solche extremen Taten" wie in Norwegen im vergangenen Jahr reagieren könnte.

Weitere Themen - Justiz

BGH zur Ärzte-Bestechung: Nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofes zur Bestechlichkeit von Kassenärzten fordern Fachanwälte einen neuen Straftatbestand für Mediziner, berichtet die FTD (Andreas Kurz/Thomas Steinmann). Sven Clausen (FTD) konstatiert, "eine bessere Vorlage" sei für die Politik kaum vorstellbar. Das Untätigbleiben der Regierung halte er für einen "Skandal". Rechtsanwalt Oliver Sahan (FTD) begrüßt den Beschluss des BGH, der "für eine längst überfällige Klärung" der Rechtslage gesorgt habe.

BAG  in "Emmely"-Folgeverfahren: Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts kann der Diebstahl geringwertiger Sachen auch nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Grundsatz rechtfertigen. Dies gelte allerdings nicht, wenn der Arbeitnehmer durch eine verdeckte Videoüberwachung überführt werde. Das so gewonnene Beweismaterial sei nur unter strengen Voraussetzungen prozessual verwertbar, so das BAG. Es berichtet auf blog.beck.de Christian Rolfs.

OVG Rheinland-Pfalz zu Al-Qaida: Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz darf Deutschland Mitglieder von Al-Qaida ausweisen, weil die Vereinigung den internationalen Terrorismus unterstützt. Dies berichtet knapp lto.de.

LG Köln zu religiöser Beschneidung: Nach einem Urteil des Landgerichts Köln ist die religiöse Beschneidung von Jungen als Körperverletzung zu werten und damit strafbar, weiß die FTD (Matthias Ruch). Wie das Gericht in seiner Urteilsbegründung klargestellt habe, könne weder das Elternrecht noch die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit diesen Eingriff rechtfertigen. Über Jahrzehnte hätten Ärzte in Deutschland in einer juristischen Grauzone agiert, das Urteil des LG Köln sorge nun für Rechtssicherheit.

Neonazi-Verteidigung: Christian Rath (lto.de) schildert die Diskussion um die Verteidigung eines Neonazis, der sich wegen versuchten Totschlags seit einer Woche vor dem Freiburger Landgericht verantworten muss. Eine linke Juristin beteilige sich an der Verteidigung und sehe sich nun mit heftigen Anfeindungen aus der linken Szene konfrontiert.

NSU: Nach einem Bericht der taz (Wolf Schmidt) habe der ehemalige Chef der Sonderkommission "Bosporus", Wolfgang Geier, im NSU-Untersuchungsschuss nicht "die volle Wahrheit gesagt". In seiner Zeugenaussage vor dem Ausschuss habe Geier die Schuld für die erfolglosen Ermittlungen beim Verfassungsschutz gesucht. Aus geheimen Unterlagen des Bundesamts für Verfassungsschutz gehe dagegen hervor, wie "dilettantisch" die Sonderkommission agiert habe.

Weitere Themen – Recht in der Welt

EuGH zu Gebrauchtsoftware: Am kommenden Dienstag wird der EuGH die Frage entscheiden, ob der Handel mit Second-hand-Software ohne Erlaubnis der Hersteller zulässig ist. Die FAZ (Thomas Münster) beschäftigt sich auf ihrer Recht-Seite vorab mit dem "Grundsatzurteil".

Tunesien – Auslieferung: Wie die taz (Rainer Wandler) meldet, liefert Tunesien den letzten Premier von Libyen an die Regierung in Tripolis aus. Es berichtet auch die FTD (Sabine Muscat).

Das Letzte zum Schluss

Batteriebetriebener Einbrecher: Wie die Welt meldet, hatte ein Bochumer der Polizei verdächtige Geräusche in einem Wohnhaus gemeldet. Einen Einbrecher hätten die Beamten aber nicht erwischt: Ein batteriebetriebener Vibrator war aus einem Regal gefallen, angesprungen und unter die Heizung gerollt.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/lp

(Hinweis für Journalisten) 

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 26. Juni 2012: Volksabstimmung über Europa – Linke Verteidigung eines Neonazis – Religiöse Beschneidung . In: Legal Tribune Online, 26.06.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6471/ (abgerufen am: 01.07.2024 )

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