Laut BAG kann die Körperreinigung nach der Arbeit Teil der vergütungspflichtigen Arbeitszeit sein. Heute verkündet der BGH sein Urteil zur Revision von Irmgard Furchner. Radiospot der PARTEI mit Tötungs-Satire verstößt nicht gegen Strafrechtsnormen.
Thema des Tages
BAG zu Duschen nach der Arbeit: Das Bundesarbeitsgericht stellte in einem nun veröffentlichten Urteil aus dem April 2024 klar, dass "Körperreinigungszeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit sein" können, wenn diese in "einem unmittelbaren Zusammenhang mit der eigentlichen Arbeitsleistung" stehen oder wenn Arbeitnehmer:innen "bei der geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzen, dass ihnen ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs ohne eine vorherige Reinigung nicht zugemutet werden kann". Nicht ausreichend sei die "übliche Verunreinigung" oder die Beseitigung von Schweiß. Damit verwies das BAG den Fall, in dem ein Containermechaniker eine Nachzahlung für das Duschen außerhalb der bezahlten Arbeitszeit verlangte, zur weiteren Sachaufklärung zurück an das Landesarbeitsgericht Nürnberg. beck-aktuell, beck-community (Christian Rolfs) und spiegel.de berichten.
Rechtspolitik
Schwangerschaftsabbruch: Der SZ (Leila Al-Serori) liegt ein Positionspapier von grünen Landesminister:innen aus sieben Bundesländern vor, die sich für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen aussprechen und eine bessere Versorgung fordern. Die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina weist darauf hin, dass "Deutschland hinter der Rechtslage in vielen europäischen Ländern" zurückbleibe.
Nachhaltigkeit: Die taz (Hannes Koch) stellt den Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zur Umsetzung der EU-Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) vor. Bis 2025 sollen sukzessive dreimal so vielen Unternehmen wie unter dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LksG) Nachhaltigkeitsberichtspflichten auferlegt werden. Alexander Pradka (Hbl) begrüßt, dass das Gesetz nicht über die EU-Vorgaben hinausgeht und "unnötige Dopplungen" mit LksG-Berichtspflichten vermieden werden.
Schiedsverfahren: Die Rechtsanwält:innen Nicole Grohmann und Nico Gielen stellen auf beck-aktuell den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Schiedsverfahrensrechts vor. Der Entwurf stellt klar, dass mündliche Verhandlungen auch als Videoverhandlung durchgeführt werden können, und stärkt den Schiedsstandort Deutschland dadurch, dass "Schiedsgerichte fortan von Commercial Courts flankiert werden", sodass Zeit und Kosten für Übersetzungen gespart werden können.
Cannabis im Straßenverkehr: Nach Informationen der taz (Cem-Odos Güler) fertigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vergangenen Freitag das Anfang Juli vom Bundestag beschlossene Gesetz aus, mit dem neue THC-Grenzwerte im Straßenverkehr eingeführt werden. Künftig wird erst ab einem THC-Wert von mindestens 3,5 Nanogramm je Milliliter Blut ein Bußgeld und ein Fahrverbot drohen.
Gewalt und Gemeinwohl: Der Verband der Hausärzte und Hausärztinnen forderte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auf, in das geplante Gesetz zum besseren Schutz von Einsatzkräften auch die Arztpraxen einzubeziehen. Auch die Beschäftigten von Arztpraxen seien zunehmend Opfer von aggressivem und beleidigendem Verhalten. Minister Buschmann will den Vorschlag prüfen. Der Gesetzentwurf sieht u.a. höhere Strafen bei Angriffen auf Angehörige bestimmter, dem Gemeinwohl dienender Berufsgruppen vor. Die SZ berichtet.
Messer: Philipp Kollenbroich (spiegel.de) kritisiert die "exzessive Berichterstattung" über mit einem Messer begangene Gewalttaten, die "mit der Realität wenig bis gar nichts zu tun" habe. Der Anteil von Messerangriffen ist laut Zahlen des Bundeskriminalamtes seit der Erfassung 2021 unverändert. Kollenbroich mahnt, dass es vielmehr Aufgabe der Politik sei, "die Gewaltkriminalität insgesamt zu senken".
Justiz
BGH – KZ-Sekretärin Stutthof: Im Vorfeld der für den heutigen Dienstag angesetzten Urteilsverkündung ruft die FAZ (Carlotta Roch) im Frage-Antwort-Format die Hintergründe des Falls, die von der Verteidigung von Irmgard Furchner monierten Rechtsfehler und die bisherige Rechtsprechung deutscher Gerichte zu "'kleineren Rädchen' im Vernichtungssystem der Nationalsozialisten" in Erinnerung.
Der emeritierte Rechtsprofessor Heiner Alwart findet im FAZ-Einspruch, dass die "früheren, schwerwiegenden Versäumnisse nicht dadurch kompensiert werden können, dass man sich einiger übrig gebliebener Greise bedient, um den heutigen 'Kampf gegen rechts' didaktisch zu befeuern". Das "Konstrukt" der Bundesanwaltschaft, "eine Bestärkung des Kommandanten in der Dienstbereitschaft seiner Sekretärin finden zu können", "sprengt jedes Bemühen um eine konsistente, gerechte Zurechnungslehre".
VG Leipzig zu PARTEI-Werbespot: Das Verwaltungsgericht Leipzig verpflichtet den MDR in einem Eilverfahren, einen Radiowerbespot der Satirepartei Die PARTEI auszustrahlen, in dem ein Ehepaar nach einem fiktiven AfD-Landtagswahlerfolg auf unbekannte Menschen schießt und meint, es werde bei 50-prozentiger AfD-Zustimmung schon die richtigen treffen. Der summarischen Prüfung des VG Leipzig zufolge verstößt der Werbespot nicht evident gegen Strafnormen, weil der Dialog des Ehepaars und die anschließenden Handlungen offensichtlich satirisch stark überzeichnet sind, so beck-aktuell.
BVerfG – Entführung der Block-Kinder: Die Anwält:innen der Hamburger Unternehmerin Christina Block haben Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Sie monieren, dass sich das Hanseatische Oberlandesgericht im Februar in dem Sorgerechtsstreit um ihre Kinder für unzuständig erklärte, weil der verfestigte Lebensmittelpunkt der Kinder inzwischen in Dänemark sei. zeit.de, focus.de und bild.de berichten.
BGH zu Auslandskrankenversicherung/Ausschlussklausel: Der Bundesgerichtshof urteilte Mitte Juni, dass eine Klausel, die die Leistungspflicht einer Auslandskrankenversicherung pauschal "bei einem bereits vorher bekannten medizinischen Zustand" ausschließt, gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstößt und damit unwirksam ist. Versicherten wird nicht klar, welche Krankheiten konkret von der Versicherung ausgenommen sind und welchen Umfang der Ausschluss hat. Es berichten LTO und beck-aktuell.
OLG Köln – Postbank-Übernahme: Nach Informationen von SZ und FAZ (Marcus Jung/Archibald Preuschat) hat das Oberlandesgericht Köln die für Mittwoch angesetzte Urteilsverkündung über Klagen von Postbank-Aktionär:innen "wegen fortdauernden Beratungsbedarfs" auf den 23. Oktober verschoben.
LG Erfurt zu Dieselskandal/Rechte der Natur: Nun schreibt auch die FAZ (Katja Gelinsky) über die Entscheidung des Landgerichts Erfurt, das Eigenrechte der Natur annahm und "schutzverstärkend" zugunsten eines Dieselfahrers wertete, der einen Schadensersatzanspruch geltend machte. In einem separaten Kommentar kritisiert Katja Gelinsky (FAZ) die "Ideologisierung des Rechts durch (Über-)Dehnung von Vertrags- und Rechtsnormen". Sie findet es "befremdlich", dass der ehemalige BMW-Besitzer der "Einzige ist, der profitiert".
VG Freiburg zu "Freiwillig 30"-Schildern: Nun berichtet auch so LTO über die Eil-Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg, dass Anwohner:innen Schilder, mit denen sie dazu auffordern, statt der erlaubten 50 Kilometer pro Stunde freiwillig nur 30 Kilometer pro Stunde zu fahren, von ihren Grundstücken entfernen müssen, weil die Schilder mit amtlichen Verkehrszeichen verwechselt werden könnten. Die Deutsche Umwelthilfe, die die Kläger:innen unterstützt, kündigte bereits an, gegen die Entscheidung Beschwerde einzulegen,
LG München I – Ex-Wirecard-Chef Braun/von Erffa: Im Wirecard-Prozess bestreitet der frühere Wirecard-Chefbuchhalter Stephan von Erffa weiterhin, dass er an der Fälschung von Geschäftszahlen beteiligt war oder dazu aufgefordert habe. Zwar habe er, wie er einräumte, fehlende Abrechnungen "nacherstellt", allerdings handle es sich hierbei nicht um Fälschungen. Der mitangeklagte Kronzeuge Oliver Bellenhaus habe seine Zahlen vielmehr immer zu spät und nur nach wiederholten Mahnungen geliefert. SZ und Hbl (René Bender/Michael Verfürden) berichten.
LG Frankfurt/M. – Tod in Zahnarztpraxis: Im Strafprozess gegen einen Anästhesisten, der sich vor dem Landgericht Frankfurt/M. wegen des Vorwurfs der Körperverletzung mit Todesfolge verantworten muss, weil infolge einer verunreinigten Narkosespritze ein vierjähriges Mädchen an einer Blutvergiftung starb, bestritt der Angeklagte den Großteil der staatsanwaltschaftlichen Vorwürfe. Sein Anwalt verlas eine Einlassung, in der es hieß: "Ich übernehme die Verantwortung dafür, dass mir unbewusst Fehler in der Hygiene unterlaufen sind". Es berichten FAZ (Elena Zompi), spiegel.de (Julia Jüttner) und bild.de.
LG Berlin I – Dilek Kalayci: Nun berichten auch FAZ (Marlene Grunert) und taz (Uta Schleiermacher) über die Anklagen der Berliner Staatsanwaltschaft gegen die ehemalige Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) wegen Bestechlichkeit und den Chef einer PR- und Werbeagentur wegen Bestechung im Zusammenhang mit Kalaycis Hochzeitsfeier im Mai 2019. Verena Mayer (SZ) "überrascht es, wie still es derzeit in der Berliner Landespolitik ist". Gerade SPD-Politiker:innen äußern sich sonst schnell zu Korruptionsvorwürfen – im Fall Kalayci "wäre es gut, wenn es ein ähnliches Gespür für mögliche Missstände in den eigenen Reihen gäbe".
AG München zu verpasstem Rückflug: Einer Familie, die ihren um vier Stunden vorverlegten Rückflug verpasste, steht kein Anspruch auf Erstattung der Ersatzflugtickets zu. Das Amtsgericht München wies damit die entsprechende Klage ab, weil die Familie nicht nachvollziehbar begründet hatte, warum sie den Flug verpassten. Die Familie war um 12 Uhr informiert worden, dass der Rückflug um 19.50 Uhr statt um 23.55 Uhr starten werde. LTO berichtet.
Compact-Verbot/Elsässer vs. Faeser: Wie die FAZ (Michael Hanfeld) meldet, kündigte der Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer auf dem Landesparteitag der AfD Sachsen-Anhalt an, Schadenersatz und Schmerzensgeld von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu fordern.
Recht in der Welt
IStGH – Krieg in Gaza/Haftbefehle: Auf dem Verfassungsblog kritisiert Rechtsprofessor Kai Ambos die amicus curiae-Stellungnahmen westlicher Staaten (inklusive Deutschland) zu den bei der Vorverfahrenskammer des Internationalen Strafgerichtshofs beantragten Haftbefehlen gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant. Deutschlands Verweis auf Israels "robustes und unabhängiges Rechtssystem" sei nicht relevant, weil es vielmehr darauf ankomme, ob "das betreffende Justizsystem das inkriminierte Verhalten konkret (personen- und tatbezogen) untersucht". Es sei "angesichts der schlechten Erfolgsbilanz Israels bei der Ermittlung und Verfolgung von Verbrechen an Palästinensern" unwahrscheinlich, dass Israel seiner völkerstrafrechtlichen Ermittlungspflicht nachkommt.
Sonstiges
Gerichtszeichner:innen: beck-aktuell (Denise Dahmen) befasst sich mit der "Kunst des Gerichtszeichnens", einer "subjektiven Interpretation des Geschehens" im Gerichtssaal, und spricht dafür mit mehreren Zeichner:innen. Beim Gerichtszeichnen "ist Schnelligkeit gefragt", um "die Reaktionen und Emotionen aller Beteiligter einzufangen".
Nationalität von Tatverdächtigen: Im Interview mit der FAZ (Thorsten Winter) weist der Gießener Polizeipräsident Torsten Krückemeier darauf hin, dass nicht die Nationalität, sondern "vielmehr soziale Einflüsse und persönliche Gründe zu Kriminalität" führen. Er erklärt sich den Wunsch nach Mitteilung der Nationalität von Täter:innen mit durch die Kriminalität geweckten "irrationalen Ängsten", aber auch damit, dass manche "dadurch Vorurteile schüren und verstärken" wollen.
Illegale Grenzübertritte: Reinhard Müller (FAZ) behauptet anlässlich des nun veröffentlichten Jahresberichts der Bundespolizei, der unter anderem 130.000 verhinderte illegale Grenzübertritte verzeichnet, dass "die Massenmigration die größte Gefahr für den sozialen Rechtsstaat und den Zusammenhalt der Gesellschaft ist".
Karrierewechsel: LTO-Karriere (Franziska Kring) spricht mit Rechtsprofessorin und Mentorin Krystyna Okoye-Montis über ihre Aufgabe des Richterberufs, die Arbeit an einer Universität im Vergleich zur Arbeit in der Justiz und darüber, dass es "als Schwarze Person in der homogenen Justiz nicht immer leicht" war.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/lh/chr
(Hinweis für Journalist:innen)
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Die juristische Presseschau vom 20. August 2024: . In: Legal Tribune Online, 20.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55234 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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