Die juristische Presseschau vom 18. Juli 2023: 25 Jahre Römi­sches Statut / Debatte um Asyl­recht / Kryp­to­wäh­rung kein Wert­pa­pier

18.07.2023

Vor 25 Jahren wurde der Internationale Strafgerichtshof gegründet. CDU-Politiker Thorsten Frei fordert die Abschaffung eines Individualrechts auf Asyl. Die Kryptowährung XRP ist laut einem New Yorker Gericht in der Regel kein Wertpapier. 

Thema des Tages

IStGH: Vor 25 Jahren, 1998, unterzeichneten 60 Staaten in Rom einenen völkerrechtlichen Vertrag, das Römische Statut, zur Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs. Im UN-Hauptquartier in New York fand jetzt hierzu ein Festakt statt. Aus diesem Anlass stellen die SZ (Ronen Steinke) und tagesschau.de (Alena Lagmöller) die Geschichte und Errungenschaften des Internationalen Strafgerichtshofs dar. Habe sich das Gericht anfangs noch den Vorwurf westlicher "Einäugigkeit" oder eines einseitigen "Fokus auf Afrika" gefallen lassen müssen, ermittele der aktuelle Chefankläger Karim Khan heute auch gegen Venezuela, Myanmar und Israel. Thematisiert wird auch der Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen Auswirkungen. LTO thematisiert zudem die Debatte um die Einrichtung eines Sondertribunals für den Ukrainekrieg, die eine Folge der beschränkten Zuständigkeit des IStGH für Aggressionsverbrechen ist. In New York sprach sich Außenministerin Annalena Baerbock für eine "Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts" aus.

Jacques Schuster (Welt) bezweifelt die Realisierbarkeit von Vorschlägen, das Völkerstrafrecht so zu schärfen, dass es auch Angriffskriege von Großmächten erfasst. Einer Änderung des Völkerrechts müsste Russland zustimmen und im UN-Sicherheitsrat habe Russland ein Vetorecht. Das Völkerrecht bleibe "Knetmasse in den Händen der Großmächte."

Im Interview mit der FAZ (Helene Bubrowski) spricht Strafrechtsprofessor Claus Kreß über den Vorwurf der Siegerjustiz, das Verbrechen der Aggression, ein (eventuell hybrides) Sondertribunal zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine, deutsche historische Verantwortung, die beschränkte Zuständigkeit des IStGH, den IStGH-Haftbefehl gegen Wladimir Putin und deutsche völkerstrafrechtliche Strafverfahren gegen russische Kriegsverbrecher.

Völkerstrafrecht: Bundesjustizministers Marco Buschmann (FDP) hat den Referentenentwurf für eine Reform des Völkerstrafgesetzbuchs vorgelegt. Er sieht erleichterte Nebenklagemöglichkeiten für Opfer und Angehörige vor. Außerdem soll er Strafbarkeitslücken schließen, u.a. für sexuelle Sklaverei und die Verwendung von dauerhaft blind machenden Laserwaffen. n-tv berichtet.

Rechtspolitik

Asyl: Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag Thorsten Frei schlägt in der FAZ vor, das Grundprinzip des EU-Asylrecht zu reformieren, indem es von einem Individualrecht zu einer Institutsgarantie umgeformt wird. Die Aufnahme von Schutzbedürftigen solle dann über Kontingentlösungen erfolge, um die Probleme der ungesteuerten Migration zu lösen und die Gesellschaften der aufnehmenden Staaten zu entlasten.

Auch Reinhard Müller (FAZ) meint, mit dem Asylrecht könne es nicht so weitergehen wie bisher. Die Wege nach Europa müssten unterbunden werden. Es wäre "unmenschlich und verantwortungslos, das Grundrecht auf Asyl weiter hochzuhalten, ohne der Wirklichkeit ins Auge zu blicken."

"Sichere Herkunftsstaaten": Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Pia Lotta Storf kritisiert auf LTO die immer wiederkehrende Forderung der deutschen Innenministerkonferenz, die Maghreb-Staaten sowie Georgien, Armenien, Moldawien und Indien als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. So sei etwa Algerien insbesondere für LSBTI-Personen Ort politischer Verfolgung. Außerdem kritisiert die Autorin, dass bei der Beurteilung der Herkunftsstaaten "individuelle Schutzbedarfe hinter eine pauschalisierende Betrachtung zurücktreten, die in überhöhten Beweisanforderungen münden können". 

Kritische Infrastruktur: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat den Referentenentwurf für ein Gesetz zum Schutze kritischer Infrastruktur in die Ressortabstimmung gegeben, das sogenannte Kritis-Dachgesetz. Damit soll eine EU-Vorgabe, die CER-Richtlinie umgesetzt werden. Der Gesetzentwurf definiert Mindestnormen für die Betreiber von ritischer Infrastruktur, um die Versorgung der Bevölkerung mit Energie, Trinkwasser und weiteren unverzichtbaren Gütern sicherzustellen. Auch sind Bußgelder für die Betreiber kritischer Infrastruktur vorgesehen, sollten diese Anlagen und Geschäftsbetrieb nicht ausreichend und rechtzeitig absichern. Es berichten SZ (Constanze von Bouillon) und Welt. 

Cannabis: Über die Debatte um das derzeit legale Cannabinoid Hexahydrocannabinol (HHC) berichtet LTO (Hasso Suliak). HHC sei im Gegensatz zum in natürlichen Cannabis-Produkten enthaltenen Tetrahydrocannabinol (THC) nicht gut erforscht. Dennoch sei das Bundesgesundheitsministerium nicht sicher, ob man den Wirkstoff verbieten wolle und warne derzeit nur vor dessen Konsum. Hierauf gebe es Kritik sogar von Juristen, die Drogenverbote für falsch hielten, da THC nach dem jüngsten Referentenentwurf für ein Cannabisgesetz strengsten Regulierungen unterworfen werde, während für HHC keine vergleichbaren Schritte geplant seien. Auch der Hanfverband sei für eine Regulierung von HHC und die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen & Drogensucht bemängele fehlende Aufklärung und fehlende Gesetze in den Mitgliedsstaaten. 

Justiz

BVerfG – Wahlen in Berlin: An diesem Dienstag und Mittwoch verhandelt das Bundesverfassungsgericht darüber, in wie vielen Berliner Stimmbezirken die Bundestagswahl 2021 wiederholt werden muss. Die CDU/CSU-Fraktion hatte Wahlprüfungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Bundestages erhoben, die Wahl nur in 431 von 2256 Stimmbezirken (Wahllokalen) zu wiederholen. RND (Christian Rath) bringt einen Vorbericht.

BVerwG – Tippfehler in der Fristberechnung: Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass ein offensichtlicher Tippfehler in einem Antrag auf Fristverlängerung unberücksichtigt bleiben muss. Wie LTO berichtet, hatte eine Rechtsanwältin in einem Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eine Berufungsfristverlängerung "um einen Monat" beantragt, sich bei der Nennung des Fristendes aber verschrieben. Das Oberverwaltungsgericht hatte die Berufung des Klägers, die nach dem fälschlicherweise genannten Datum einging, als nicht fristgerecht verworfen. Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, man habe den Tippfehler ohne großen Aufwand als solchen erkennen können und verwies die Sache zurück an das Oberverwaltungsgericht. 

OLG Frankfurt/M. zu IS-Rückkehrerin: Wegen IS-Mitgliedschaft und Verletzung der Fürsorgepflicht hat das Oberlandesgericht Frankfurt/M. die IS-Rückkehrerin Laura H. zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. H. hatte sich 2016 dem Islamischen Staat (IS) in Syrien angeschlossen und ihre Kleinkinder mit nach Syrien genommen. Hierdurch habe sie die Kinder erheblichen Gefahren ausgesetzt und ihre Pflichten als Mutter gröblich verletzt. Die vergleichsweise milde Strafe sei auf die positive Entwicklung der Verurteilten nach ihrer Rückkehr vor vier Jahren zurückzuführen, so das Gericht. LTO berichtet.

VG Berlin zu Hundespielplatz: Ein in einem Wohngebiet betriebener Hundespielplatz ist nicht aufgrund des von ihm ausgehenden Lärms unzumutbar, wenn die Lärmschutzgrenzwerte eingehalten werden. Dies entschied das Verwaltungsgericht Berlin in einem nun veröffentlichten Urteil, nachdem eine Anwohnerin gegen den Hundeauslauf geklagt hatte. Laut Gericht komme es bei der Beurteilung der Zumutbarkeit nicht auf das persönliche Empfinden der gestörten Person, sondern auf die Einschätzung eines verständigen Durchschnittsmenschen an. Der Grenzwert von 55 Dezibel sei trotz rechnerischem Aufschlag eingehalten, es gebe Pausen zwischen der Nutzung des Hundeauslaufs und dieser sei aus Gründen des Tierwohls sinnvoll. Es berichtet LTO.  

VG Hamburg - Behinderung der Fischerei: Laut Bericht von LTO beschäftigt sich das Verwaltungsgericht Hamburg mit dem Rechtsstreit zwischen Greenpeace und dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) über die umstrittene Steinabwurf-Aktion, bei der die Umweltorganisation im Schutzgebiet "Adlergrund" Granitsteine in der Ostsee versenkt hatte. Greenpeace wehrt sich gegen den Untersagungsbescheid des BSH, das die Aktion als Verstoß gegen das Hohe-See-Einbringungsgesetz und als Behinderung der rechtmäßigen Fischerei ansah.

LG Hamburg zu Rammstein: Das Landgericht Hamburg hat im Eilverfahren die Berichterstattung des Spiegel über den Verdacht verboten, dass Till Lindemann Frauen bei Konzerten mit K.O.-Tropfen betäuben ließ, um sexuelle Handlungen an ihnen vorzunehmen. Nach Bericht von LTO begründete das Gericht dies mit einem fehlenden Mindestbestand an Beweistatsachen für eine zulässige Verdachtsberichterstattung. Das Gericht sah aber die Verwendung der Aussagen der Frauen, die zu den Vorwürfen gegen Lindemann befragt worden waren, als zulässig an. 

LG Hamburg zu Schließfacheinbruch: Die Hamburger Stadtsparkasse (Haspa) hat gegen ein Urteil des Landgerichts Hamburg von Ende Juni Berufung eingelegt. Das LG hatte drei Haspa-Kunden Schadensersatzansprüche in Höhe von infolge von insgesamt 278.000 EUR zugebilligt, weil sie durch Einbrüche in ihre Schließfächer geschädigt wurden. Die Haspa wendet sich insbesondere gegen den Vorwurf des Landgerichts, die in der Filiale verbaute Sicherheitstechnik sei nicht ausreichend gewesen. Die FAZ (Kerstin Papon) berichtet.

LG Leipzig – Gil Ofarim: Nun berichtet auch LTO, dass der Prozess gegen den Musiker Gil Ofarim wegen des Vorwurfs falscher Verdächtigung und Verleumdung vor dem Landgericht Leipzig am 7. November beginnen soll. 

AG Berlin-Tiergarten zu Klimaprotest: Nach falschem Feueralarm und drei Straßenblockaden ist ein 31-jähriger Klimaaktivist der Gruppe "Letzte Generation" zu vier Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Dies entschied das Amtsgericht Tiergarten nach Bericht der SZ

Verfassungsrichter Peter Müller: Die SZ (Wolfgang Janisch) portraitiert den Richter am Bundesverfassungsgericht Peter Müller, dessen Amtszeit im September endet. Der ehemalige CDU-Politiker habe durch die Aufnahme seiner Tätigkeit am Bundesverfassungsgericht nicht sein politisches Temperament verloren und äußere sich so immer wieder kontrovers, was als Vorfestlegung in darauffolgenden verfassungsgerichtlichen Verfahren gedeutet wird. Eine bevorzugte Behandlung der CDU könne man ihm jedoch nicht vorwerfen. 

Recht in der Welt

USA – Kryptowährung XRP: In Streit um die Zuständigkeit der amerikanischen Börsenaufsicht SEC, die auch für Wertpapiere zuständig ist, musste das Gerichts für den südlichen Teil von New York entscheiden, ob die (auch unter dem Namen Ripple bekannte) Kryptowährung XRP ein Wertpapier ist. Laut Gericht handels es sich bei Verkäufen über Kryptobörsen an Privatanleger nicht um ein Wertpapier. Bei Verkäufen von XRP, die im Vorfeld der Börsennotierung an institutionelle Anleger getätigt wurden, handele es sich dann aber doch um ein Wertpapier. Es berichten die FAZ und das HBl (Astrid Dörner und Andreas Neuhaus).

Martin Hock (FAZ) kritisiert, das Urteil werfe mehr Fragen auf, als es beantworte. Allerdings zeige sich der Gesetzgeber völlig überfordert und schiebe dringend notwendige Entscheidungen auf die lange Bank. 

USA – Welfenschatz: Das Bundesberufungsgericht Washington wies die Klage der Erben von jüdischen Kunsthändlern ab, die einen höheren Preis für den 1935 erfolgten Verkauf des Welfenschatzes erstreiten wollten. Die Klage sei unzulässig, da die Vorfahren der Erben Deutsche gewesen und damit deutsche Gerichte zuständig seien. Die vom US-Supreme Court aufgebrachte Frage, ob die Kunsthändler zum Zeitpunkt des Verkaufes bereits ausgebürgert waren, lehnte bereits das Bezirksgericht Washington 2022 als zu spät vorgebracht ab. Das Bundesberufungsgericht bestätigte dies am vorigen Freitag. Die FAZ (Patrick Bahners) berichtet. 

Israel – Justizreform: Alan Posener (zeit.de) hält eine Justizreform in Israel für sinnvoll, weil das Oberste Gericht mit seiner großen Macht nicht demokratisch angebunden sei und sich ausschließlich dem liberalen Judentum verpflichtet fühle. Erforderlich seien mehr Checks and Balances. Die Kritiker von Netanjahus Justizrefrom müssten diesem ein Angebot machen, das er nicht ablehnen kann. 

England – Benjamin Mendy: Der Fußballprofi Benjamin Mendy ist von Vorwürfen der Vergewaltigung gegen 13 Frauen mangels ausreichender Beweise freigesprochen worden. Laut SZ sollen sich die sexuelle Übergriffe von 2018 bis 2021 ereignet haben. 

Russland – Übernahme von Geschäftsanteilen: Per auf dem offiziellen Justizprotal Russlands veröffentlichtem Dekret, hat der russische Staat angekündigt, die Anteile der dänischen Brauerei Carlsberg und des französischen Lebensmittelkonzerns Danone an ihren russischen Tochtergesellschaften "vorübergehend zu verwalten". Danone prüfe derzeit alle Möglichkeiten, um seine Rechte als Anteilsinhaber zu schützen, berichtet die FAZ

Italien – Bärin: Nachdem eine Bärin in Trentino, Italien zwei Jogger getötet hatte, hat nach Bericht der SZ (Marc Beise und Marcel Laskus) die zweite Instanz der italienischen Verwaltungsgerichtsbarkeit am Freitag entschieden, dass diese nicht getötet werden darf. Gegen die Tötung hatten mehrere Tierschutzverbände geklagt. 

Sonstiges

Güterstandsrecht: Finanzanalytiker Volker Looman schriebt in der FAZ über die finanziellen Aspekte der Ehe und die Bedeutung von Eheverträgen. Es wird empfohlen, Eheverträge zu schließen, um den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft zu modifizieren. 

 

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LTO/lkh/chr

(Hinweis für Journalist:innen)  

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 18. Juli 2023: . In: Legal Tribune Online, 18.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52270 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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