Verteidigerin Inez Weski soll im Amsterdamer Prozess gegen die Drogenmafia deren Mitglied geworden sein. Mario G. wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er Patienten medikamentös ruhigstellte. Papst gibt Vatikanstaat neues Grundgesetz.
Thema des Tages
Niederlande – RAin Inez Weski: LTO (Markus Sehl) schildert die Verunsicherung des niederländischen Rechtsstaats, nachdem Ende April Inez Weski, eine der bekanntesten Strafverteidigerinnen der Landes, verhaftet wurde. Sie hatte im Mega-Prozess gegen die Drogenmafia ("Marengo"-Prozess), den niederländisch-marokkanischen Drogenboss Ridouan Taghi verteidigt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, sie habe Nachrichten Taghis weitergeleitet und sei sogar selbst Mitglied der Drogenmafia geworden. Weskis Haft wurde Anfang Mai um 30 Tage verlängert. Am Montag ging der Prozess zum ersten Mal ohne sie weiter. Der Hauptangeklagte Taghi will sich erst einmal selbst verteidigen. Möglicherweise wurde Weski auch unfreiwillig zur Komplizin, weil sie von der Drogenmafia unter Druck gesetzt wurde. Es gebe auch das Gerücht, dass Weski zu ihrer eigenen Sicherheit festgenommen wurde.
Rechtspolitik
Abgeordnetenbestechung: Die Regeln für die Bestechung von Abgeordneten sollen im Strafgesetzbuch und im EU-Recht verschärft werden, berichtet die SZ (Ronen Steinke). Bisher kann ein Abgeordneter gemäß § 108e StGB nur bestraft werden, wenn sich der erhaltene Vorteil auf Handlungen "bei Wahrnehmung seines Mandats" bezieht. Im Koalitionsvertrag der Ampel ist eine Verschärfung der Norm vorgesehen, einen entsprechenden Vorschlag wollen die Berichterstatter der Ampel-Fraktionen in diesen Tagen vorlegen. Zugleich sieht ein Vorschlag der EU-Kommission für eine neue EU-Richtlinie zur Bekämpfung der Korruption vor, dass auch Abgeordnete jeder Ebene (inklusive Gemeinderäten) als "Amtsträger" eingestuft werden und ihre Bestechlichkeit entsprechend bestraft werden soll. Strafbar solle jede "missbräuchliche Ausnutzung der Stellung als Mandatsträger" sein.
Asyl: Der Rechts- und Politikwissenschaftler Maximilian Pichl kritisiert auf dem Verfassungsblog ausführlich die "äußerst restriktive" deutsche Verhandlungsposition zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Damit falle die Bundesregierung den Menschenrechtsorganisationen in den Rücken, "die das bisherige EU-Recht erfolgreich nutzen, um gegen die Abschottungspolitik ihrer Regierungen vorzugehen".
Medien/EMFA: Die rheinland-pfälzische Medienpolitikerin Heike Raab (SPD) listet in der FAZ im Namen der Länder Bedenken gegenüber der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Europäischen Medienfreiheits-Verordnung (EMFA) auf. Sie betont, dass Medienaufsicht staatsfern sein müsse und warb für das deutsche Modell. Die Länder seien nicht gegen die EMFA-Verordnung, sondern für eine bessere EMFA-Verordnung, die nur eine "Mindestharmonisierung" verlangt, um ein "Mehr" an Medienfreiheit und -vielfalt zu ermöglichen.
Strafverteidigertag: LTO (Hasso Suliak) fasst die wichtigsten Ergebnisse des Strafverteidigertages in Berlin zusammen. Gefordert wurde eine Dokumentation des Ermittlungsverfahrens, eine Regelung des V-Leute-Einsatzes, eine Verteidigerbestellung ab Beginn der ersten Vernehmung, eine Reform des Strafbefehlsverfahrens, die Entrümpelung des StGB und eine vollständige Entkriminalisierung des Cannabis-Konsums zum Eigengebrauch.
Justiz
LG München I zu Mord im Pflegeheim: Das Landgericht München I hat den Pfleger Mario G. wegen zweifachen Mordes und sechsfachen Mordversuchs zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Das Gericht stellte die besondere Schwere der Schuld fest und verhängte ein lebenslanges Berufsverbot für Tätigkeiten als Alten- und Krankenpfleger. Der 27-Jährige hatte Patienten auf einer Wachstation im Klinikum rechts der Isar in München Medikamente gespritzt, um sie ruhigzustellen. Zwei seiner Patienten (80 und 89 Jahre alt) starben daraufhin. Er sei zu Schichtbeginn immer so alkoholisiert gewesen, dass das Verabreichen von Beruhigungsmitteln nötig gewesen sei, damit er seinen "Rausch ausschlafen" konnte. Der Tod der Patienten sei ihm "egal" gewesen, hatte der Angeklagte ungerührt erklärt. FAZ (Karin Truscheit), SZ (Annette Ramelsberger) und spiegel.de berichten.
OLG Jena – "Knockout 51": Die Bundesanwaltschaft hat vier Angehörige der rechtsextremistischen Neonazi-Kampfsportgruppe "Knockout 51" aus Eisenach unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen und terroristischen Vereinigung vor dem Oberlandesgericht Jena angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, spätestens seit April 2021 Personen aus der linksextremen Szene töten zu wollen. "Knockout 51" locke unter dem Deckmantel des gemeinsamen körperlichen Trainings junge, nationalistisch gesinnte Männer an, um sie mit rechtsextremem Gedankengut zu beeinflussen und auf Kämpfe mit Polizeibeamten und mit der linken Szene vorzubereiten. Es berichten spiegel.de und taz (Konrad Litschko).
LAG Berlin – impfkritischer Lehrer: In einem Rechtsstreit über die Kündigung eines Lehrers, der die deutsche Corona-Impfpolitik mit dem Naziregime gleichsetzte, haben sich die Berliner Senatsschulverwaltung und der Lehrer vor dem Landesarbeitsgericht Berlin auf einen Vergleich geeinigt. Der Lehrer akzeptierte seine Kündigung aus betrieblichen Gründen und erhält eine Abfindung von 50.000 Euro. Die Senatsschulverwaltung erklärte, dass die Vorwürfe nicht aufrechterhalten werden. Der Lehrer hatte ein Video veröffentlicht, in dem ein Tor mit der Inschrift "Impfung macht frei" abgebildet war. spiegel.de berichtet.
LG Berlin zu Kokainbande: Das Landgericht Berlin hat drei Männer wegen bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln und der Beihilfe zum bandenmäßigen Drogenhandel zu Haftstrafen von bis zu zwölf Jahren und neun Monaten verurteilt. Sie hatten ab 2012 mindestens sechs Transporte mit einer Gesamtmenge von mindestens drei Tonnen Kokain von Südamerika nach Deutschland organisiert. Es berichtet der Tsp (Kerstin Gehrcke).
LG Schwerin – Totschlag an der Verlobten: Vor dem Landgericht Schwerin muss sich ein 44-Jähriger wegen Totschlags verantworten, weil er seine Verlobte nach einem gemeinsamen Weihnachtsmarktbesuch und dortigem Streit Ende letzten Jahres erstochen haben soll. Es sind sechs Verhandlungstermine bis Ende Juni vorgesehen. Dies schreibt spiegel.de.
LG Potsdam zu "Letzte Generation": Das Landgericht Potsdam hat den Anfangsverdacht bestätigt, dass es sich bei der "Letzten Generation" um eine kriminelle Vereinigung handeln könnte und wies damit die Beschwerde eines Aktivisten gegen einen von der Staatsanwaltschaft Neuruppin veranlassten Durchsuchungsbeschluss zurück. Der Beschluss bezog sich auf Aktionen gegen eine Raffinerie in Schwedt. Es schreibt der Tsp (Julius Geiler).
LG Erfurt zu Angriff durch Rechtsextreme: Das Landgericht Erfurt hat drei der verbliebenen sieben Angeklagten, die drei junge Männer aus Guinea mit Schlägen und Tritten teilweise schwer verletzt hatten, zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und vier Monaten und vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Daneben erhielt ein Angeklagter eine zweijährige Bewährungsstrafe, während drei der Angeklagten freigesprochen wurden. Das Gericht stellte fest, dass die Tat einen "eindeutig rechtsradikalen" Hintergrund hatte und erhöhte gem § 46 Abs. 2 StGB das Strafmaß. Es berichtet die taz (Rieke Wiemann).
AG München zu Haustieren an Bord: Das Amtsgericht München hat entschieden, dass ein Reisebüro seine Aufklärungs- und Beratungspflichten verletzt und sich schadensersatzpflichtig macht, wenn es Bedingungen, die für eine Flugreise von Relevanz sind, nicht ausreichend prüft und den Reisenden daraufhin Schäden entstanden sind. Geklagt hatte eine Familie aus München, die einen Urlaub nach Dubai plante und ihre beiden Chihuahuas mitnehmen wollte. Die Hunde durften nach der International Air Transport Association (IATA) nicht im Passagier- oder Frachtraum des Flugzeugs mitreisen, weshalb die Familie die Reise abbrach und Schadensersatz verlangte. Es sei klar gewesen, dass die Mitnahme der Tiere im Passagierraum das leitende Motiv für die Buchung im Reisebüro gewesen sei. Mitarbeitende des Reisebüros seien täglich mit Fragen im Zusammenhang mit Einreisebestimmungen konfrontiert, sodass dies bei der Auswahl der Flüge zwingend hätte geklärt werden müssen, so das Gericht. LTO berichtet.
SPD-Bundesschiedskommission zu Gerhard Schröder: In dritter Instanz hat nun auch die SPD-Bundesschiedskommission einen Parteiausschluss von Ex-Kanzler Gerhard Schröder wegen seiner Nähe zu Russland und Präsident Wladimir Putin abgelehnt. Das letzte Rechtsmittel war nur noch von den Ortsverbänden Leipzig-Ost/Nordost und Leutenbach erhoben worden. zdf.de berichtet.
NS-Verbrechen vor Gericht: Nun stellt auch die taz (Klaus Hillenbrand) den Audible-Podcast "Schuld oder: Die letzten Nazis" über die letzten Prozesse gegen NS-Täter vor. "Dem Autor Sören Musyal ist es gelungen, ein Stück deutsche Zeitgeschichte vorbildlich zu präsentieren."
Recht in der Welt
Italien – Vatikanstaat: Wie LTO berichtet, hat Papst Franziskus ein neues Grundgesetz für den Vatikanstaat erlassen, um den Staat zeitgemäßer zu machen. Eine wichtige Veränderung betrifft die Päpstliche Kommission, in der nun auch Frauen und Laien Mitglieder sein können. Es wird auch eine "strengere und detailliertere" Regelung des vatikanischen Budgets festgelegt. Der Papst behält weiterhin die gesamte Regierungsgewalt, und das vatikanische Rechtssystem bleibt eigenständig. Das neue Grundgesetz soll am 7. Juli in Kraft treten.
USA – Tod durch Würgegriff: Die Staatsanwaltschaft New York hat einen ehemaligen Soldaten wegen Totschlags angeklagt, nachdem er einen psychisch gestörten aggressiven Obdachlosen in den Würgegriff nahm und dieser daraufhin verstarb. Die Anwältin des 24-Jährigen betonte, er habe sich selbst und andere versucht zu verteidigen. Sie rief auf dem konservativen christlichen Crowdfunding-Portal „GiveSendGo“ zu Spenden auf. Etwa 40.000 Amerikaner haben bislang fast zwei Millionen Dollar für die Anwalts- und Gerichtskosten des New Yorkers in den Rechtshilfefonds eingezahlt. Die FAZ schreibt.
Österreich – Niki Laudas Erbe: Vor dem Landesgericht in Wien wird ein erbitterter Streit um das Erbe des verstorbenen Rennfahrers und Unternehmers Niki Lauda geführt, bei dem es um Immobilien und Vermögenswerte von bis zu 300 Millionen Euro geht. Das Verfahren ist nicht öffentlich, aber es wird über Streitigkeiten zwischen der ersten und der zweiten Ehefrau Laudas berichtet. Das Urteil soll der SZ (Cathrin Kahlweit) zufolge im Sommer gefällt werden.
Sonstiges
Städtebauförderung: Auf LTO erläutert Marius Möller, Beamter einer kommunalen Straßenverkehrsbehörde, warum die aktuellen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts die notwendige Verkehrswende im Spannungsverhältnis zwischen Verkehr und Stadtgestaltung erschweren und zeigt die rechtlichen Mittel auf, mit denen städtebauliche Ziele wie Verkehrsberuhigung und Klimafreundlichkeit erreicht werden können. Zwar existieren verschiedene rechtliche Instrumente zur Förderung der städtebaulichen Entwicklung, um diese nutzen zu können, seien jedoch ausgeklügelte Verkehrskonzepte, eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung und entsprechende politische Beschlüsse auf kommunaler Ebene notwendig.
Das Letzte zum Schluss
Geschwisterliebe: In Michigan hat ein 13-jähriger Junge seine Schwester vor einem Entführungsversuch gerettet, indem er mit einer Steinschleuder auf den Angreifer schoss. Der 17-jährige Angreifer hatte das Mädchen gepackt und versucht, sie in den Wald zu schleifen. Der Bruder handelte schnell und traf den Angreifer am Kopf und an der Brust. Die Polizei lobte den Jungen für seinen außergewöhnlichen Einsatz, der zur späteren Festnahme des Angreifers führte. So berichtet spiegel.de.
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LTO/ok/chr
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Die juristische Presseschau vom 16. Mai 2023: . In: Legal Tribune Online, 16.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51782 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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