Der Ethikrat hat Empfehlungen zur KI-Regulierung veröffentlicht. Ex-Verfassungsrichterin Lübbe-Wolff hat den Einfluss der Beratungskultur auf Urteile untersucht. Israels Ministerpräsident Netanjahu kündigte Kompromiss zu Justizreform an.
Thema des Tages
Künstliche Intelligenz: Der deutsche Ethikrat fordert in einer 287 Seiten langen Stellungnahme einen regulatorischen Rahmen für die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI). Demnach müsse der Mensch die Kontrolle behalten und dürfe nicht durch KI ersetzt werden. Der Einsatz von KI werfe in der Bildung, im Gesundheitswesen oder in der öffentlichen Verwaltung verschiedene ethische Fragen und Probleme auf. Beispielsweise dürfe das Patientenwohl durch den Einsatz nicht gefährdet werden. Bei der Entscheidungsfindung in der öffentlichen Verwaltung müsse eine Zementierung gesellschaftlicher Ungleichheiten verhindert werden. Eine "abwägende Praxis" sei daher geboten. Es berichten SZ (Andrian Kreye), FAZ (Heike Schmoll), taz und spiegel.de.
Rechtspolitik
Strafmündigkeit: Der Deutsche Anwaltverein (DAV) und die Neue Richtervereinigung (NRV) sprechen sich gegen eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters von 14 Jahren aus. Zwar sei der Vorfall von Freudenberg "schrecklich" und mache "fassungslos", so Swen Walentowski (DAV), die Kriminalpolitik dürfe sich jedoch nicht nach Einzefällen richten. Die Fachgruppe Familienrecht der NRV betont, dass frühzeitig interveniert werden müsse. Daher sollten mehr Ressourcen in Kindergärten, Schulen und in der Kinder- und Jugendhilfe zur Verfügung stehen. LTO berichtet.
Bundestags-Wahlrecht: Sabine am Orde (taz) fordert das Bundesverfassungsgericht auf, die Wahlrechtsreform zu korrigieren, weil sich die Ampel mit der Streichung der Grundrechtsmandatsklausel gezielt gegen Teile der Opposition richtete. Stefan Niggemeier (Übermedien) kritisiert, dass in den Medien die Verkleinerung des Bundestags als unausweichlich dargestellt wurde. Seiner Meinung nach sei der "übergroße Bundestag" der "Preis" für die Demokratie. Wenn die Zusammensetzung des Bundestags ungerecht wirke, komme dies die Demokratie "teurer zu stehen" als die Diäten für Ausgleichsmandate.
Arbeitsverhältnisse an Hochschulen: Nach der Veröffentlichung des Eckpunktepapiers zur geplanten Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) am vergangenen Freitag, sprechen sich vermehrt Stimmen gegen die Reform aus. Die dreijährige Mindestvertragslaufzeit bei Promotionen sei zu kurz, da Promovierende in Deutschland durchschnittlich etwa fünf Jahre benötigen. Nur durch eine längere Frist könne in der Abschlussphase der Promotion eine Arbeitslosigkeit und der Abbruch der Promotion verhindert werden. FAZ (Heike Schmoll), taz, spiegel.de und LTO (Linda Pfleger) berichten.
BVerfG-Richterwahl: Die SPD hat den rheinland-pfälzer Richter Lars Brocker als Vorschlag für die Nachfolge von Bundesverfassungsrichterin Gabriele Britz zurückgenommen. Sie reagierte damit auf das anhaltende Veto der CDU/CSU-regierten Bundesländer, die auf eine politische Vereinbarung von 2018 pochten, wonach diese Stelle Richter:innen eines Bundesgerichts vorbehalten ist. LTO (Christian Rath) beschreibt, dass nun zwar die Möglichkeit bestehe, die Parität am BVerfG zu erhalten. Die SPD, die hier das Vorschlagsrecht innehat, sehe sich aber nicht in der Pflicht, weil sie zuletzt als einzige Partei mehr Frauen als Männer vorgeschlagen hat.
Justiz
Beratung an Verfassungsgerichten: In einem Interview mit LTO (Annelie Kaufmann) erklärt die ehemalige Bundesverfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff die unterschiedlichen Beratungskulturen an Verfassungsgerichten und legt dar, welche Bedeutung sich hieraus für die Qualität und Akzeptanz von Entscheidungen ergibt. Lübbe-Wolff plädiert für eine verständigungsorientierte Beratungspraxis, mit der "sachlichere, ausgewogenere, mittigere und weniger einseitige" Entscheidungen produziert werden könnten.
BVerfG zu linksunten.indymedia: Nun berichtet auch die taz (Peter Nowak) über die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden von vier Männern und einer Frau, die laut Bundesinnenministerium (BMI) für den Betrieb der linksextremistischen Plattform "linksunten.indymedia" verantwortlich sein sollen.
OVG NRW zu Corona-Hilfen: LTO berichtet nun ebenfalls über die Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, das die Rückforderungen von Corona-Soforthilfen für Selbstständige bzw. Unternehmen durch das Land Nordrhein-Westfalen für rechtswidrig erklärt hat.
OLG Köln zu Woelki-Berichterstattung: Nun berichtet auch die FAZ über die Entscheidung des Oberlandesgericht Köln, nach der die Bild-Zeitung mehrere Äußerungen über Kardinal Rainer Maria Woelkis Umgang mit dem Missbrauchs-Skandal unterlassen muss. Von insgesamt vier Äußerungen, wurden jedoch auch zwei für zulässig erklärt, darunter "Kardinal Woelki beförderte Missbrauchs-Priester".
LAG Nürnberg zu Diskriminierung eines Bewerbers: Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat entschieden, dass die an einen männlichen Bewerber gerichtet Absage mit der Begründung, die Tätigkeit sei "eher etwas für flinke Frauenhände", eine Diskriminierung wegen des Geschlechts darstellt. Es hat ihm daher eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Höhe von 2.500 Euro zugesprochen. Ihm sei keine Gelegenheit gegeben worden, sein Können mittels Probearbeit zu zeigen, so das Gericht. Es schreibt LTO.
VG Würzburg zu "Held von Würzburg": Das Verwaltungsgericht Würzburg hat entschieden, dass der iranische Asylbewerber Chia Rabiei nicht abgeschoben werden darf. Rabiei wurde als "Held von Würzburg" bekannt, weil er im Jahr 2021 geholfen hatte, einen Messerangreifer zu stoppen, Seine Prominenz in deutschen Medien würde ihn bei seiner Rückkehr in den Iran gefährden, entschied nun das VG. Olaf Przybilla (SZ) begrüßt das Ergebnis, kritisiert aber die Verhandlungsführung des Gerichts, das vor allem die Konversion Rabieis zum Christentum in Frage stellte, obwohl dies für das Ergebnis nicht mehr relevant gewesen sei.
LG Leipzig zu MDR/Udo Foht: Wie die FAZ meldet, hat das Landgericht Leipzig den früheren Unterhaltungschef des MDR Udo Foht wegen Betrugs in 13 Fällen sowie Bestechlichkeit im Zusammenhang mit TV-Produktionen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Foht gestand, bis zu seiner Entlassung im Jahr 2011 Geldgeber aus dem Showbusiness um Darlehen gebeten zu haben, obwohl er wusste, dass er die Summe nicht pünktlich zurückzahlen konnte.
LG Bonn – Cum-Ex/Duet Group/Warburg Bank: Vor dem Landgericht Bonn haben zwei neue Cum-Ex-Verfahren begonnen. Dabei wird zum einen über die Anklage gegen einen Mitarbeiter des Londoner Hedgefonds und Asset-Managers Duet Group wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung verhandelt. Der Angeklagte soll in viele Absprachen eingeweiht gewesen sein, die vereinbarten Handelsstrategien umgesetzt haben und hierfür einen Bonus von 80.000 Pfund erhalten haben. Daneben hat ein weiterer Prozess gegen zwei langjährige Mitarbeiter der Hamburger Privatbank M.M. Warburg begonnen. Ursprünglich sollte dieses Verfahren bereits im Herbst 2020 stattfinden, wurde aber abgetrennt. Die FAZ (Marcus Jung) berichtet.
LG Berlin zur Zeitschrift "Sinn und Form": In einem Gastbeitrag für die SZ kritisiert Rechtsprofessor Christoph Möllers die vom Landgericht Berlin verfügte Einstellung der Literaturzeitschrift "Sinn und Form". Die herausgebende staatliche Akademie sei eine unabhängige Institution. Deshalb sei der Fall nicht mit der berechtigten Einstellung des Online-Magazins Libra zu vergleichen, bei dem faktisch die Bundesregierung Verlegerin gewesen sei.
SG Berlin zu Prügelei auf der Betriebsfahrt: Das Sozialgericht Berlin hat entschieden, dass kein Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht, wenn es während einer Betriebsfahrt zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit einem anderen Verkehrsteilnehmer kommt. Verletzungen, die in diesem Zusammenhang entstehen, gelten nicht als Arbeitsunfall. Das Verlassen des Betriebsweges, um eine Angelegenheit "auszudiskutieren" und andere Verkehrsteilnehmer zurechtzuweisen, stelle eine Zäsur dar, ab der dieses Handeln privaten Zwecken diene, so das Gericht. Geklagt hatte ein Bauleiter, der einen beleidigenden Falschparker zur Rede stellen wollte, woraufhin es zu einer Schlägerei kam. Es schreibt LTO.
Massenverfahren/Flugrechte: Nun berichtet auch LTO über die wieder steigende Zahl an Klagen wegen Flugverspätungen bzw. -ausfällen und die damit verbundene Belastung für die Justiz.
Nachbarschaft: Die SZ (Wolfgang Janisch) stellt ausführlich das Phänomen der Nachbarschaftsstreitigkeit in der Rechtsprechung dar und erklärt anhand verschiedener (teils prominenter) Fälle aus der Vergangenheit, was zu tolerieren ist.
Politische Gerichte: In seinem Buch "Heile Welt in der Zeitenwende. Idealismus und Realismus in Recht und Politik" befasst sich Rechtsprofessor Matthias Herdegen mit dem Gestaltungsanspruch von Gerichten, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts. Er kritisiert Entscheidungen, in denen Gerichte nach dem Grundsatz handelten, bestimmte Aufgaben seien zu "wichtig", um sie "der Politik zu überlassen". Laut Jörg Echternkamp (FAZ) regt sein Werk im richtigen Moment zum Nachdenken an und lasse sich wie eine "Streitschrift" lesen.
Recht in der Welt
Israel – Justizreform: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat eine Abschwächung der geplanten Justizreform angekündigt und die Beschlussfassung von Teilen des Gesetzespaketes auf den 30. April verschoben. Ursprünglich sollte die Regierungsmehrheit die volle Kontrolle bei der Ernennung von Richter:innen haben. Im neuen Entwurf soll die Koalition nur noch zwei oberste Richter ernennen können und für weitere Stimmen auf Opposition und Richter angewiesen sein. US-Präsident Joe Biden hatte Netanjahu einen "Kompromiss" bei der Reform nahegelet. Kritiker bezeichneten aber auch den neuen Entwurf als "Kriegserklärung" gegen "das Volk und die israelische Demokratie". FAZ (Alexander Haneke), SZ, taz, und spiegel.de berichten.
IStGH - Ukraine: Die Regierungen von Großbritannien und den Niederlanden haben ein Treffen organisiert, um die Ukraine-Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterstützen. Der Chefankläger des Gerichts bezeichnete die Lage als "düster", da das Gericht bisher kein Budget für seine Ermittlungen in der Ukraine hat und von Gebern abhängig ist. Die Gastgeber sagten jeweils 1 Million Euro zu, die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hingegen fordert eine generelle Erhöhung des Budgets, um die Unabhängigkeit des Gerichts zu gewährleisten. Dies meldet die taz.
USA – Mord an Rapper XXXTentacion: In den USA sind Michael Boatwright, Dedrick Williams und Trayvon Newsome wegen Mordes an dem 20-jährigen Jahseh Dwayne Onfroy, auch bekannt als Rapper XXXTenacion, schuldig gesprochen worden. Das Strafmaß soll am 6. April verkündet werden. Onfroy war im Juni 2018 vor einem Motorradgeschäft in der Stadt Deerfield Beach nördlich von Miami in Florida überfallen, beraubt und erschossen worden. spiegel.de berichtet.
Russland – VW/GAZ Group: Ein Gericht in Nischni Nowgorod an der Wolga hat VW zu einer Vertragsstrafe von umgerechnet 190 Millionen Euro verurteilt. Der russische Autobauer GAZ hatte geklagt, weil VW nach Beginn des russischen Angriffskriegs seinen Montagevertrag zur Produktion von Skodas und VWs gekündigt hatte. Die Kündigung wurde für nichtig erklärt und das Verhalten VWs als Vertragsbruch gewertet. FAZ (Christian Müßgens), Hbl (Lazar Backovic) und spiegel.de berichten.
Sonstiges
Spiros Simitis: Der Jurist Spiros Simitis, der 1970 das erste Datenschutzgesetz geschaffen hat, ist im Alter von 88 Jahren gestorben. Die SZ (Heribert Prantl) beschreibt ihn in einem Nachruf als "brillanten Gelehrten, vielsprachig und weltgewandt, geistreich und eloquent", der die Menschen mit seinem "wunderbaren Singsang" in seinen "Bann" zog.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/ok/chr
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Die juristische Presseschau vom 21. März 2023: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51359 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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