Der Starkoch hat zugegeben, Steuern hinterzogen zu haben. Der BGH entscheidet heute, wann Netzsperren bei Urheberrechtsverletzungen zulässig sind. Die StA Oldenburg fordert einen Freispruch für Högels Vorgesetzte mangels Vorsatz.
Thema des Tages
LG München I – Alfons Schuhbeck: Der angeklagte Starkoch Alfons Schuhbeck hat im Prozess wegen Steuerhinterziehung vor dem Landgericht München I ein weitgehendes Geständnis abgelegt. Er bestätigte den Vorwurf des mitangeklagten IT-Fachmanns, dass Schuhbeck mithilfe eines für diesen Zweck angefertigten Computerprogrammes Einnahmen am Finanzamt vorbeigeschleust und so Steuern in Höhe von 2,3 Millionen Euro hinterzogen haben soll. Jedenfalls im Restaurant "Orlando" habe es ein solches Programm gegeben, um Umsätze am Computer zu löschen. Die Angaben seines ehemaligen Mitarbeiters seien "im Großen und Ganzen richtig", so Schuhbeck. Bezüglich ähnlicher Vorwürfe beim zweiten Restaurant "Südtiroler Stuben" habe er hingegen "Erinnerungslücken". Er könne sich nicht erklären, wo das Geld verblieben sei. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2012 ist ab einer Million Euro an hinterzogener Steuer eine Haftstrafe ohne Bewährung fällig. Es berichten SZ (Annette Ramelsberger), LTO und spiegel.de.
Rechtspolitik
Sanktionen gegen Russland/Rechtsberatung: Das Bundesjustizministerium hat sich zur Kritik der Bundesrechtsanwaltskammer bezüglich des achten EU-Sanktionspaketes gegen Russland geäußert. Man habe sich gegen die Aufnahme eines Rechtsberatungsverbotes in das Sanktionspaket eingesetzt, Deutschland habe sich mit dieser Position aber nicht durchsetzen können. Zuvor hatte die Bundesrechtsanwaltskammer massive verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Rechtsberatungsverbot geäußert. LTO berichtet.
Unterhaltsrecht: Die SZ (Sigrid Rautenberg) betrachtet, wie sich die Situation für Alleinerziehende seit der Unterhaltsrechtsreform von 2008 verändert hat. Die Lage sei "prekär" und Alleinerziehende stünden seitdem schneller ohne Unterhaltsanspruch da. Immer mehr fordern daher, die "Reform zu reformieren".
Justiz
BGH – Haftung von Hostprovidern/LibGen und SciHub: Der Bundesgerichtshof wird heute darüber entscheiden, wann und unter welchen Voraussetzungen Rechtsinhaber von Internetzugangsanbietern (Access Providern) Netzsperrungen bei Urheberrechtsverletzungen im Internet verlangen können. Auf LTO geben die Anwält:innen Christian Leuthner und Joana Becker einen Ausblick auf die anstehende Entscheidung. Im Juni betonte der Vorsitzende Richter Thomas Koch, dass Netzsperren als Mittel gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet nur als "letztes Mittel" in Betracht kommen. Sollte das Gericht einen Anspruch gegen Access Provider bejahen, könnte dies dazu führen, dass Netzsperren bereits bei mangelnder Identifizierbarkeit der Rechtsverletzer oder fehlender Kontaktmöglichkeiten zu diesen eingesetzt werden könnten. Zudem bestehe die Gefahr, dass auch der Zugang zu legalen Inhalten für Nutzer blockiert werde, was ein "Overblocking" und den Eingriff in Grundrechte Dritter bedeuten könnte, so Leuthner und Becker. Geklagt hatten Wissenschaftsverlage gegen die Deutsche Telekom, um eine Sperrung der Seiten der Dienste "LibGen" und "SciHub" zu erreichen. Dort sind Artikel und Bücher ohne Zustimmung der Rechteinhaber veröffentlicht worden.
LG Oldenburg – Vorgesetzte von Niels Högel: Im Prozess gegen mehrere Vorgesetzte des verurteilten Serienmörders Niels Högel hat die Staatsanwaltschaft plädiert, dass alle sieben Angeklagten freigesprochen werden. Keiner von ihnen weise einen Vorsatz zur Beihilfe zum Totschlag oder versuchten Totschlags durch Unterlassen auf, so Staatsanwältin Gesa Weiß. Die Verteidigung fährt heute mit ihrem Plädoyer fort. Mit einem Urteil wird in zwei Wochen gerechnet. Es berichtet spiegel.de.
EuGH - DSGVO: Auf dem Verfassungsblog befasst sich Rechtsprofessor Martin Nettesheim mit den divergierenden Schlussanträgen von Generalanwalt Campos Sánches-Bordona im Verfahren "Meta Platforms Inc. u.a./Bundeskartellamt" und Generalanwalt Rantos im Verfahren "UI/Österreichische Post AG", die auf unterschiedlichen Datenschutzphilosophien beruhen. Der Autor hält das von Campos Sánches-Bordona entwickelte Verständnis von datenschutzrechtlicher Autonomie für vorzugswürdig.
BGH zu Handel mit Cannabis-Blüten: Der Bundesgerichtshof hat die Revision zweier Männer abgelehnt, die vom Landgericht Berlin wegen Handels mit Cannabis-Blüten mit hohem Gehalt des entspannenden Wirkstoffs Cannabidiol (CBD) zu Freiheitsstrafen verurteilt worden waren. Cannabis-Blüten seien Betäubungsmittel im Sinne der Anlage I zum Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Zwar lag der Gehalt des berauschenden Wirkstoffs THC unter 0,2, was für eine strafrechtliche Ausnahme genügen würde, doch könne z.B. durch Backen der Blüten weiteres THC freigesetzt werden, so dass diese doch zu Rauschzwecken eingesetzt werden könnten. Es bestehe zudem kein Verstoß gegen die europarechtliche Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV), denn ein Handel mit solchen Suchtstoffen sei von vornherein verboten. LTO berichtet.
BAG zu Meldung beim Arbeitsamt: Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass sich auch gekündigte Führungskräfte grundsätzlich beim Arbeitsamt melden müssen. Kommen sie dieser sozialrechtlichen Obliegenheit (§ 38 Absatz 1 SGB III) nicht nach, könne dies ihren Anspruch auf Annahmeverzugslohn gefährden, wenn sich die Kündigung als rechtswidrig herausstellt. Das BAG hat aber ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aufgehoben, das den Annahmeverzugslohn in diesem Fall völlig entfallen ließ, und eine neue Gesamtwürdigung der Umstände eingefordert. Es berichtet beck-aktuell (Joachim Jahn).
OVG Thüringen zu Probezeit eines Beamten: Das Oberverwaltungsgericht Thüringen hat entschieden, dass bei der Verlängerung der Probezeit eines Beamten in Thüringen keine Zustimmung des Personalrats erforderlich ist. Aus dem Thüringer Personalvertretungsgesetz lasse sich keine Allgemeinzuständigkeit der Personalvertretung ableiten. Demnach unterliege die Verlängerung der Probezeit auch nicht der eingeschränkten Mitbestimmung. Es schreibt LTO.
OLG Zweibrücken zu Dauer der Untersuchungshaft: Nun berichtet auch focus.de (Axel Spilcker) über die vorläufige Freilassung eines wegen Mordes und Vergewaltigung (noch nicht rechtskräftig) verurteilten 19-jährigen Mannes, die durch das Oberlandesgericht Zweibrücken wegen überlanger Verfahrensdauer angeordnet wurde.
LG Hannover – Hannover 96: Das Landgericht Hannover hat entschieden, dass der Unternehmer Martin Kind weiterhin Geschäftsführer des als GmbH organisierten Profibereichs des Fußball-Zweitligisten Hannover 96 bleiben darf. Kind wurde Ende Juli durch die Leitung des Stammvereins von seinem Posten enthoben. Dies meldet die FAZ (Christian Otto).
LG Hannover – VW-Dieselskandal/Vergleiche: Wie LTO berichtet, wies das Landgericht Hannover die Klagen von Aktionärsvertretern gegen Beschlüsse der letzten VW-Hauptversammlung im Zusammenhang mit dem Dieselskandal ab. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger und die Verbraucherzentrale für Kapitalanleger hatten Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage gegen Vergleiche mit früheren VW-Führungskräften eingelegt, u.a. mit dem Ex-Konzernchef Martin Winterkorn. Dem Gericht zufolge gab es keine formellen Fehler bei der Beschlussfassung durch die Hauptversammlung. Dass der Sachverhalt im Zusammenhang mit Pflichtverletzungen der Vorstandsvorsitzenden noch nicht vollständig aufgeklärt sei und demnach die Schadenshöhe noch nicht endgültig bezeichnet werden könne, sei aus rechtlichen Gründen irrelevant.
LG Hamburg – Grünen-Bezirksfraktionschef Osterburg: Wie spiegel.de meldet, hat die Staatsanwaltschaft Hamburg Anklage gegen Michael Osterburg, Grünenfraktionschef in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte und Ex-Partner von Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne), wegen gewerbsmäßiger Untreue in 121 Fällen erhoben. Er soll zwischen 2015 und 2019 Fraktionsgelder in Höhe von 34.500 Euro für private Zwecke verwendet und wahrheitswidrig fraktionsbezogene Anlässe vorgegeben haben.
VG Karlsruhe - BVerfG-Rechtsvertretung: Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat einen Eilantrag der Bild-Zeitung gegen das Bundesverfassungsgericht abgelehnt. Bild wollte wissen, wieviel das Bundesverfassungsgericht in 39 konkreten presserechtlichen Auskunftsstreitfällen für externe Anwält:innen ausgab. Zwar hatte das BVerfG nur in zwei der 39 Fälle externe Anwält:innen beauftragt, doch überwiege in diesen Fällen das Geschäftsgeheimnis dieser Kanzleien (zu dem auch die Höhe von Honoraren gehört) das Auskunftsinteresse der Zeitung. spiegel.de (Dietmar Hipp) berichtet.
BVerfG-Pressearbeit: Das Bundesverfassungsgericht hat bis 2014 gegen die eigene Geschäftsordnun (BVerfGGO) verstoßen, nach der Presseverlautbarungen über Urteile generell erst dann hinausgegeben werden durften, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung den Prozessbeteiligten zugegangen ist. Nach einer bis heute geltenden Praxis erhalten jedoch die Mitglieder der Justizpressekonferenz in Karlsruhe bereits am Tag vor der Urteilsverkündung exklusiv Zugang zu Pressemitteilungen, dürfen aber erst nach Urteilsverkündung berichten. Die BVerfGGO wurde im Jahr 2014 entsprechend geändert. Trotz öffentlicher Kritik von Politikern, dem Presserat und Journalisten-Verband halte man an dieser Praxis fest. Die Vorab-Mitteilung sei "wegen der Komplexität der Urteile" nötig, so das Gericht. Es berichtet der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof).
Hessen – mehr Stellen in der Justiz: Das Land Hessen möchte mit einem Pakt für den Rechtsstaat die Landesjustiz stärken. Vorgesehen seien neben Investitionen in neues Personal auch die zügige Einführung der elektronischen Akte, bauliche Maßnahmen und Präventionsprojekte, so Justizminister Roman Poseck (CDU). Dies berichtet LTO.
Recht in der Welt
Myanmar – Aung San Suu Kyi: Ein Gericht in Myanmar hat die Haftstrafe der 76 Jahre alten Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi um 6 Jahre verlängert. Ihre komplette Haftstrafe beläuft sich demnach auf 26 Jahre. Sie soll in zwei Korruptionsfällen 567.000 Euro Bestechungsgeld von einem Geschäftsmann angenommen haben. Die Prozesse gelten als politisch motiviert. Es berichtet spiegel.de.
USA – Carroll vs. Trump: Wie spiegel.de berichtet, soll der ehemalige US-Präsident Donald Trump im Rahmen einer Verleumdungsklage der Autorin Jean Carroll zu Vergewaltigungsvorwürfen Stellung nehmen. Der Versuch, die vorgesehene Aussage zu verschieben, wurde durch das Gericht mit der Begründung zurückgewiesen, sie stelle für Trump "keine unangemessene Belastung" dar. Carroll hatte Trump im Jahr 2019 vorgeworfen, sie 23 Jahre zuvor vergewaltigt zu haben. Trump behauptete darauf, er habe Carroll nie getroffen und sie habe schon andere Männer falsch beschuldigt.
USA – Harvey Weinstein: Nun berichtet auch die FAZ (Sofia Dreisbach) über den Prozessbeginn gegen den verurteilten Sexualstraftäter und früheren US-amerikanischen Film-Produzenten Harvey Weinstein und gibt erste Informationen zu drei der fünf Frauen, auf deren Aussagen die Anklage beruht. Unter ihnen ist neben der Schauspielerin und Filmemacherin Jennifer Siebel Newsom die Schauspielerin Lauren Young, die schon einmal gegen ihn aussagte.
Spanien – Justizblockade: In Spanien wird die Ernennung von neuen Mitgliedern des Obersten Justizrats (Consejo General del Poder Judicial, CGPJ) und des Verfassungsgerichts durch das spanische Parlament seit vier Jahren von der konservativen Opposition der Partido Popular (PP) blockiert. Sie weigert sich, mit der Regierung eine Neubesetzung auszuhandeln, weshalb die erforderliche Drei-Fünftel-Mehrheit im Parlament nicht zustande kommt. Die PP will damit Vorschläge der kleineren linken Regierungspartei Unidas Podemos verhindern, die sie für undemokratisch hält. Der Präsident des CGPJ, Carlos Lesmes, trat am Montag aus Protest gegen die Situation zurück. Spanien stecke in einer "nie dagewesenen Krise", berichten nun auch taz (Reiner Wandler) und SZ (Celine Chorus).
England - Mäuseplage: Ein Gericht der Stadt Colchester hat eine 73-Jährige zu einer Geldstrafe von insgesamt 3.045 Pfund verurteilt, weil sie Mäuse entgegen der Vorgaben des Gerichts und der zahlreichen Ermahnungen und Hilfsangebote durch die Gemeinde nicht beseitigte, sondern wie Haustiere hielt. Dem Gericht zufolge respektiere man zwar die ethischen Beweggründe der tierlieben Frau, andere Menschen würden Mäuse jedoch als Ungeziefer betrachten, die Schäden bei den Nachbarn und dem Gebäude verursachen. Es schreibt LTO.
Sonstiges
NS-Massaker der Polizeikompanie Nürnberg: Die taz (Jim Tobias/Thies Marsen) berichtet ausführlich über die Beteiligung der Nürnberger Polizeikompanie an Massakern in der belarussischen Stadt Brest-Litowsk und dem ukrainischen Dorf Kortelisy vor 80 Jahren. Den Beschuldigten konnte keine Straftat nachgewiesen werden, auch weil die deutsche Justiz es im Kalten Krieg ausdrücklich ablehnte, ein Rechtshilfeersuchen an die sowjetischen Behörden zu stellen. Bislang wurde kein Polizist verurteilt.
Bewertung von Straftaten: Die SZ (Bernd Kramer) stellt eine Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München dar, die zu dem Ergebnis gekommen ist, dass Menschen unbewusst dazu neigen, Straftaten von Tätern in einer Gruppe milder zu bewerten, als wenn das gleiche Vergehen von einem Einzeltäter begangen worden wäre. Die Neurowissenschaftlerin Anita Keshmirian vermutet, dass sich Menschen im Alltag Ereignisse durch eine Art "Pi-mal-Daumen-Bruchrechnung im Kopf" erklären. So werde ein Ereignis durch die Zahl möglicher Ursachen geteilt und je mehr Ursachen bestünden, desto geringer sei deren jeweiliger Einfluss auf das Ereignis. Ähnlich würden Menschen auch "die Schuld vermessen".
Das Letzte zum Schluss
Süßer Klau: In Köln hat ein 27-Jähriger in einem Supermarkt 25 Packungen Nuss-Pralinen gestohlen, um sich daraufhin zwischen zwei geparkten Autos zu verstecken. Dumm nur, dass eines der Fahrzeuge ein Zivilwagen der Polizei war. Der Diebstahl war zuvor nicht aufgefallen, dennoch wurden die Beamten durch sein Verhalten und die Masse an Pralinen, die er ohne Kassenbon mit sich führte, stutzig. Videoaufnahmen überführten ihn schließlich, so spiegel.de.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/ok
(Hinweis für Journalist:innen)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
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Die juristische Presseschau vom 13. Oktober 2022: . In: Legal Tribune Online, 13.10.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49873 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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