StA Berlin verneint Verantwortlichkeit der Letzten Generation für den Tod einer Radfahrerin. Gutachten attestiert Chatkontroll-Plänen Grundrechts-Verletzung. KPMG-Vorstand Sven-Olaf Leitz sagte im Wirecard-Prozess aus.
Thema des Tages
StA Berlin zu Klimaprotest/Tod einer Radfahrerin: Die Staatsanwaltschaft Berlin hat gegen zwei Aktivisten der "Letzten Generation" keine Anklage wegen fahrlässiger Tötung einer Radfahrerin erhoben. Die Frau war im Oktober 2022 in fünf Kilometer Entfernung von den Protesten durch einen Betonmischer überrollt worden. Der durch den Protest ausgelöste Stau hatte zwar die Ankunft der Notärztin um drei Minuten und die eines Rüstwagens der Feuerwehr um acht Minuten verzögert. Diese Verzögerungen waren laut Staatsanwaltschaft aber nicht kausal für den späteren Tod der Frau. Demnach sei aus notfallmedizinischer Sicht der Einsatz des verspäteten Rüstwagens zur Befreiung der eingeklemmten Radfahrerin gar nicht sinnvoll gewesen. Vielmehr sei das von der Notärztin angeordnete Herunterfahren des Betonmischers geboten gewesen, um die Blutungen der Radfahrerin schnellstmöglich zu stoppen. Überdies hat die Obduktion ergeben, dass ihr Leben ohnehin nicht mehr hätte gerettet werden können. Die Aktivisten wurden deshalb nur wegen Nötigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte angeklagt, was sich aber auf die eigentliche Blockade-Aktion bezog. Es berichten SZ (Ronen Steinke), taz (Christian Rath), spiegel.de (Hannes Schrader) und LTO.
Rechtspolitik
Chatkontrolle: Eine Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes des EU-Parlaments kam zu dem Ergebnis, dass die von der EU-Kommission geplante Chatkontrolle zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch im Netz wenig wirksam wäre und die Grundrechte von Internetznutzer:innen verletzt. Zwar dürfte durch die Suche nach bisher unbekannten Missbrauchsdarstellungen die Zahl gemeldeter Fälle steigern, es werde jedoch zu vielen Fehlmeldungen kommen, die die Betroffenen und die Behörden unnötig belasten. Es berichten netzpolitik.org (Tomas Rudl/Anna Biselli), spiegel.de und LTO.
Cannabis: spiegel.de (Milena Hassenkamp) berichtet nun auch ausführlich über die Pläne der Ampelregierung zur teilweisen Legalisierung von Cannabis.
Hasskriminalität im Internet: Die SZ (Constanze von Bullion) stellt im Frage und Antwort-Format nun auch das Eckpunktepapier des Justizministeriums für ein Gesetz gegen digitale Gewalt vor. Dabei geht es um den zivilrechtlichen Zugriff auf die IP-Adressen der Verfasser:innen von Hasskommentaren und die Möglichkeit zeitlich begrenzter gerichtlicher Sperrung von Accounts.
Justiz
LG München I – Ex-Wirecard-Chef Braun: Im Wirecard-Prozess am Landgericht München I hat der KPMG-Vorstand Sven-Olaf Leitz über Behinderungen und Beeinflussungsversuche bei der Sonderprüfung der Wirecard-Bilanzen berichtet. Auch widersprach er den bisherigen Angaben Brauns im Gericht: So hätten etwa die ganz zum Schluss nachgereichten Dokumente nichts mehr substantiell am KPMG-Bericht verändern können. Der Zahlungsdienstleister brach 2019 zusammen, weil auf Treuhandkonten in Asien angeblich verbuchte 1,9 Mrd. Euro für die Prüfer nicht auffindbar waren. Statt Fakten für die Prüfung zu liefern, habe Braun Leitz gesagt, er solle ihm vertrauen, das Asien-Geschäft sei real, er habe da "absolutes Herrschaftswissen". Wirecard-Vertriebschef Jan Marsalek habe die Prüfer mit einer Gegenfrage abspeisen wollen: "Wer soll denn das Geld sonst haben – Kim Jong-il vielleicht?" Es berichten SZ (Johannes Bauer/Stephan Radomsky), spiegel.de (Martin Hesse) und LTO.
IGH – Klimaschutz: Auf dem Verfassungsblog berichtet Rechtsprofessorin Karen C. Sokol (in englischer Sprache) nun auch über die von der UN-Generalversammlung Ende März beschlossene Anforderung eines unverbindlichen Gutachtens des Internationalen Gerichtshofs zu den Klimaschutz-Verpflichtungen der Staaten.
BAG zu Kündigung von Impfgegnerin: Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Kündigung einer nicht gegen Corona geimpften medizinischen Fachangestellten zum Schutz von Patient:innen und der Krankenhaus-Belegschaft zulässig war und nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstieß - auch wenn die Kündigung vor Inkrafttreten der sektorspezifischen Impfpflicht erklärt worden ist. LTO berichtet.
BVerwG zu Pausenzeiten als Arbeitszeit: Im Expertenforum Arbeitsrecht bespricht Rechtsanwalt Timo Karsten ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Oktober 2022 zur Frage, wann Ruhepausen mit Bereithaltungspflicht als Arbeitszeit anzurechnen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die während der Pause auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich die Möglichkeit einer freien Pausengestaltung einschränken. Das BVerwG bejahte dies im Falle des klagenden Bundespolizeibeamten, der während seiner Pausenzeit nicht nur Einsatzkleidung und Dienstwaffe tragen musste, sondern auch ständige Erreichbarkeit sicherzustellen hatte.
OLG Oldenburg zu zwielichtigem Autokauf: Das Oberlandesgericht Oldenburg hat den gutgläubigen Erwerb eines unterschlagenen Lamborghinis in einem Fall abgelehnt, in dem die Begutachtung nachts auf einer Tankstelle und der anschließende Vertragsabschluss in einem Schnellimbiss stattgefunden hat. Auch fragte der Käufer nicht nach einer Vollmacht der als Vermittler des angeblichen Verkäufers auftretenden Brüder. Der Käufer muss laut LTO nun das Fahrzeug an dessen Eigentümer herausgeben.
OLG Celle – Hannover 96: Das Oberlandesgericht Celle hat nun auch im Hauptsacheverfahren entschieden, dass der Unternehmer Martin Kind weiterhin Geschäftsführer des als GmbH organisierten Profibereichs des Fußball-Zweitligisten Hannover 96 bleiben darf. Kind wurde Ende Juli 2022 durch die Leitung des Stammvereins von seinem Posten enthoben. Der Vorgang habe jedoch gegen die Satzung des Vereins und interne Verträge verstoßen. Ob diese mit der 50+1-Regel des DFB vereinbar sind, spielte im Urteil keine Rolle. Es berichtet ndr.de.
LG Bonn – Cum-Ex/Christian Olearius: Vertiefend berichtet nun auch die SZ (Klaus Ott) über die Zulassung der Cum-Ex-Anklage gegen Christian Olearius, den vormals persönlich haftenden Gesellschafter der Hamburger Warburg-Bank, die bisherigen Ermittlungen und die voraussichtliche Prozesstrategie von Verteidiger Peter Gauweiler.
Transmenschen im Strafvollzug: Die FAZ (Julia Anton) berichtet anhand des Beispiels der wegen Betrugs verurteilten Transfrau Annemarie House die Schwierigkeiten von Transmenschen im Strafvollzug. Trotz weiblichem Geschlechtseintrag im österreichischen Pass und mehrfach geäußerten Wunsch, nicht in einer Haftanstalt für Männer untergebracht zu werden, ist genau das passiert. Gleichzeitig sind ihr Epilationen, Special-Makeup und Perücke verwehrt worden, die es ihr ermöglicht hätten, ihre geschlechtliche Identität sichtbar ausleben zu können.
JVA Tegel: Anlässlich des anstehenden 125-jährigen Bestehens der Justizvollzugsanstalt Tegel in Berlin bringt die taz-berlin (Bettina Müller) einen Überblick über deren Geschichte und berühmte Insassen. Unter anderen saß auch der Ostpreuße Friedrich Wilhelm Voigt, besser bekannt als der "Hauptmann von Köpenick", in Tegel ein.
Recht in der Welt
USA – Trump/Ex-Anwalt Cohen: Mit einer Zivilklage greift der ehemalige US-Präsident Donald Trump seinen ehemaligen Anwalt Michael Cohen an und wirft ihm vor, er habe vertrauliche Informationen aus dem Mandatsverhältnis weitergegeben und Unwahrheiten verbreitet. Cohen hatte bereits vor Jahren gestanden, 2016 im Auftrag von Trump 130.000 Dollar Schweigegeld an Pornostar Stormy Daniels gezahlt zu haben. LTO berichtet.
USA – Trump/Immobiliengesellschaften: Ex-Präsident Donald Trump sagte in einem Zivilprozess wegen Betrugs in New York sieben Stunden lang aus. Ihm und drei seiner Kinder wird vorgeworfen, in den Jahren 2011 bis 2021 die Bewertung von Vermögensgegenständen in den Immobiliengesellschaften der Trump-Familie je nach Bedarf größer oder kleiner gerechnet zu haben, um so beispielsweise einfacher an Kredite zu kommen oder um weniger Steuern zu zahlen. spiegel.de und zeit.de berichten.
USA – Abtreibungsmedikament: Die Abtreibungspille Mifepriston darf in den USA weiterhin verwendet werden. Ein Berufungsgericht in New Orleans hat das Verbot eines texanischen Gerichts vom vergangenen Freitag mit Einschränkungen aufgehoben. Eine Abgabe darf nunmehr nur nach einem persönlichen Arztbesuch erfolgen und die Anwendung ist auf die ersten sieben statt wie bisher die ersten zehn Wochen der Schwangerschaft beschränkt. spiegel.de berichtet.
USA – rassistische Bildsprache in öffentlicher Kunst: Die FAZ (Marlene Grunert) berichtet im Feuilleton über den Umgang einer US-amerikanischen Hochschule mit einem Gemälde, bei dem vor allem die schwarze Studentenschaft die Reproduktion rassistischer Bildsprache kritisiert hat. Der Künstler Sam Kerson klagt mittlerweile vor einem Bundesgericht gegen die zwischenzeitlich von der Vermont Law and Graduate School angeordnete Verdeckung des Kunstwerks durch weiße Stellwände und beruft sich dabei auf den Visual Artists Rights Act (VARA), der unter bestimmten Voraussetzungen eine nachträgliche Veränderung und die Zerstörung von Kunstwerken verbietet.
Ständiger Schiedshof – Naftogaz: Der ständige Schiedshof in Den Haag hat dem ukrainischen Energiekonzern Naftogaz eine Entschädigung in Höhe von 5 Mrd. US-Dollar für sein von Russland annektiertes Eigentum auf der Krim zugesprochen. In dem Verfahren berief sich Naftogaz auf ein gemeinsames Investitionsschutzabkommen zwischen Russland und der Ukraine. spiegel.de berichtet.
Niederlande – xHamster: Ein Gericht in Amsterdam hat die Betreibergesellschaft des Pornoportals xHamster, Hammy Media, dazu verurteilt, binnen drei Wochen sämtliche Amateurvideos von der xHamster-Webseite zu löschen, in denen Personen aus den Niederlanden zu sehen sind, die dem Upload nicht nachweislich zugestimmt haben. Nach Ablauf der Frist muss Hammy Media für jedes entsprechende Video Zwangsgeld zahlen. Geklagt hatte laut spiegel.de eine niederländische Kinderschutzorganisation.
Belgien - Prozess zu islamistischen Anschlägen: Im seit vier Monaten laufenden Prozess wegen islamistischen Bombenanschlägen im Jahr 2016, die 32 Menschenleben forderten, sagten nun die neun Angeklagten aus. Sie übernahmen zwar persönlich keine Verantwortung für die Morde und bestritten teilweise ihre Beteiligung, rechtfertigten diese jedoch mit dem westlichen militärischen Angriff auf das IS-Kalifat in Syrien. Die taz (Eric Bonse) berichtet.
Juristische Ausbildung
Jura-Bachelor: Anlässlich der Einführung eines integrierten Jura-Bachelors an der Uni Trier spricht sich der wissenschaftliche Mitarbeiter Manuel Beh auf dem JuWissBlog für die Einführung dieser Abschlussmöglichkeit durch eine "Reform von unten" aus. In Rheinland-Pfalz sei der Jura-Bachelor nämlich, anders als in anderen Ländern, nicht politisch vorgegeben und trotzdem eingeführt worden, und zwar ohne "im föderalen, politischen Reformdiskurs zu versanden".
Das Letzte zum Schluss
Hasta la vista, Schlagloch: In Los Angeles schritt der "Terminator"-Darsteller und ehemalige Gouverneur Arnold Schwarzenegger selbst zur Tat und beseitigte ein Schlagloch auf einer Straße in seiner Nachbarschaft. Das Loch habe ihn schon seit Wochen gestört und die Stadt habe es nicht beseitigt, erklärt der 75-Jährige in einem Video. Kurz darauf meldete sich laut spiegel.de jedoch die Stadt Los Angeles und erklärte, dass es sich nicht um ein Schlagloch, sondern vielmehr um einen Wartungsgraben für genehmigte Arbeiten eines Gasversorgers handele, die sich wegen schlechten Wetters verzögert hätten. Ersatz für seine Aufwendungen wird der "Terminator" nun wohl nicht verlangen können.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/jpw/chr
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Die juristische Presseschau vom 14. April 2023: . In: Legal Tribune Online, 14.04.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51537 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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