Die neue Anklage gegen Donald Trump stützt sich auch auf ein Gesetz gegen Organisierte Kriminalität. Das LG Düsseldorf verhandelte über die Patentklage von Curevac gegen Biontech. Hintergründe zu einer in den USA erfolgreichen Klimaklage.
Thema des Tages
USA – Trump/Wahlbeeinflussung in Georgia: Die im US-Bundesstaat Georgia gegen Ex-Präsident Donald Trump erhobene neue Anklage wegen unzulässiger Wahlbeeinflussung wird u.a. von FAZ (Sofia Dreisbach), LTO (Leonie Ott) und zeit.de (Johanna Roth) dargestellt und analysiert. Trump und den 18 weiteren Angeklagten wird in Georgia vorgeworfen, sie hätten sich "wissentlich und vorsätzlich an einer Verschwörung zur rechtswidrigen Änderung des Wahlergebnisses zugunsten von Trump" beteiligt. 13 der 41 Anklagepunkte betreffen Trump, u.a. Verstöße gegen die Korruptionsgesetze des Bundesstaats, Aufforderung eines Amtsträgers zur Eidverletzung und die Verschwörung zur Einreichung gefälschter Dokumente. U.a. rief Trump seinen Parteifreund Brad Raffensperger (Secretary of State von Georgia, eine Art Innenminister) an und forderte ihn auf, 11.780 Stimmen zu "finden", die dem Ex-Präsidenten in Georgia für einen Sieg fehlten. Allen Angeklagten wird ein Verstoß gegen das sogenannte Rico-Gesetz von Georgia zur Last gelegt, das auf Korruptionsbekämpfung und Bandenkriminalität zielt. Dabei können Organisationsverantwortliche für Straftaten von Mitgliedern der kriminellen Organisation in Haftung genommen werden. Bei einer Verurteilung ist eine Mindesthaftstrafe von fünf Jahren vorgesehen, maximal sind 20 Jahre möglich. Da es um eine Verletzung der Gesetze von Georgia geht, könnte sich Trump im Fall einer erneuten Wahl nicht selbst begnadigen - anders als bei den bisherigen drei Anklagen, die sich auf Bundesrecht stützen.
Den "Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act" stellt spiegel.de (Sven Scharf) näher vor und nennt beispielhaft prominente Ermittlungen, bei denen das Gesetz zum Einsatz gekommen sei: die Mafiagröße Fat Tony, die Nazi-Organisation Aryan Brotherhood, die Tabakindustrie. Ein weiterer Beitrag von spiegel.de (Marc Pitzke) stellt Fani Willis vor, die als zuständige Bezirksstaatsanwältin die Anklage vertritt. zeit.de (Annick Ehmann/Johanna Roth) stellt die mittlerweile vier anhängigen Anklagen gegen den aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten in einer Grafik dar.
Fabian Fellmann (SZ) hält die neue Anklage für "die gefährlichste Anklage", insbesondere weil bei Strafverfahren in Georgia Kameras erlaubt sind. Dies schaffe einen "emotionalen Anknüpfungspunkt" für das Publikum und zwinge den Angeklagten, in aller Öffentlichkeit "Rechenschaft abzulegen". Jens Münchrath (Hbl) warnt im Leitartikel vor der Hoffnung, die kommenden Präsidentschaftswahlen "könnten auf juristischem Weg entschieden“ werden. Der "demokratischen Kultur des Landes" wäre eher gedient, würde "das Phänomen Trump" an der Wahlurne scheitern.
Rechtspolitik
Cannabis: Am heutigen Mittwoch soll im Bundeskabinett der Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung von Cannabis beschlossen werden. Die FAZ (Kim Björn Becker) geht in Frage-und-Antwort-Form auf besondere Aspekte des Plans ein. So werden im Vorgriff auf das geplante Gesetz bereits erste Cannabis-Vereinigungen gegründet. Der Deutsche Richterbund hingegen warne, dass sich bei Verwirklichung des Vorhabens der justizielle Aufwand nicht verringere. Die Bundesärztekammer lehnt eine Legalisierung von Cannabis generell ab.
Commercial Courts: Ebenfalls zur Kabinettsabstimmung gelangen soll an diesem Mittwoch der vom Justizministerium erarbeitete Gesetzentwurf "zur Stärkung des Justizstandortes." Mittels einer Eingänzung des Gerichtsverfassungsgesetzes sollen bestimmte Handelssachen auch in englischer Sprache verhandelt werden können, so die FAZ (Marcus Jung) zu dem ihr vorliegenden Entwurf. Bedürfnissen von Unternehmen werde zudem auch durch eine Erleichterung des Ausschlusses der Öffentlichkeit entsprochen.
Cannabis und Straßenverkehr: spiegel.de (Lukas Kissel) schildert die Schwierigkeiten, einen angemessenen Grenzwert für THC-Rückstände festzulegen, der die Verkehrssicherheit wahrt, aber nicht allen Kiffer:innen langfristig das Autofahren verbietet. Letztlich gehe es um eine politische Festlegung.
Verbraucherschutz-Verbandsklagen: Das im vergangenen Monat vom Bundestag verabschiedete neue Werkzeug kollektiven Verbraucherrechtsschutzes, die sogenannte Abhilfeklage, stellt der SWR-RadioReportRecht (Gigi Deppe/Peggy Fiebig) vertieft vor.
Justiz
LG Düsseldorf – Corona-Impfstoffpatente: Das Landgericht Düsseldorf verhandelte in fünf Verfahren über Klagen des Unternehmens Curevac, das behauptet, der Konkurrent Biontech habe bei seinem Corona-Impfstoff die von der Klägerin entwickelte mRNA-Technologie abgekupfert und damit Patente verletzt. Mit einer Stufenklage soll Biontech zunächst verpflichtet werden, Auskunft über den Umfang der Nutzung der Technolgie zu erteilen. Etwaige Geldforderungen auf eine "faire Entschädigung" sollen später folgen. Eine parallele Klage ist in den USA anhängig. Eine Vorfrage zur Gültigkeit eines der streitgegenständlichen Patente ist beim Bundespatentgericht anhängig. Dessen Entscheidung soll deshalb in einem der nun in Düsseldorf verhandelten Fälle abgewartet werden, in anderen Fällen ist ein Verkündungstermin für Ende September geplant. Es berichten FAZ (Marcus Jung/Vanessa Trzewik), Hbl (Theresa Rauffmann) und LTO (Stefan Schmidbauer).
BGH – Rolling Stones-Tickets: Der Bundesgerichtshof wird am 29. August über die Revision des Hamburger Rolling Stones-Freiticket-Urteils verhandeln. Das Landgericht Hamburg hatte im April 2022 den ehemaligen Leiter eines Bezirksamtes wegen Vorteilsannahme und -gewährung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt. Der Beamte und sein Stellvertreter hatten für die Benutzung der örtlichen Festwiese durch ein Konzert der Rockband neben behördlichen Gebühren auch Freitickets gefordert und erhalten, erinnert LTO. Die Vorwürfe der Bestechlichkeit als auch der Untreue hat das LG verneint. Beide Seiten haben Revision eingelegt.
LG Berlin – Tötung des Mädchens Anissa: Wegen der Tötung der 5-jährigen Anissa ist am Landgericht Berlin ein zur Tatzeit 19-Jähriger angeklagt. Der Familienfreund soll das ihm zur vorläufigen Obhut überlassene Mädchen im vergangenen Februar in einem Park erstochen haben. Das Motiv ist völlig unklar. Über die Aussage der Mutter der Getöteten berichten SZ (Verena Mayer) und spiegel.de (Wiebke Ramm).
LG Heilbronn – Raser: Wegen Totschlags ist ein 20-Jähriger am Landgericht Heilbronn angeklagt. Nur einen Kilometer vom Gerichtsgebäude entfernt war er im vergangenen Februar mit knapp 100 km/h in ein vollbesetztes Familienauto gerast, woraufhin der am Steuer sitzende Vater verstarb. Zum Prozessbeginn habe das Gericht mitgeteilt, dass auch eine Anklage wegen Mordes möglich sei, berichtet die FAZ (Ole Kaiser).
VG Gelsenkirchen – Bahar Aslan: Mit einem am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen anhängig gemachten Eilantrag setzt sich die Pädagogin Bahar Aslan gegen den Entzug eines Lehrauftrags an der nordrhein-westfälischen Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung zur Wehr. Der von der Gesellschaft für Freiheitsrechte unterstütze Antrag soll die aufschiebene Wirkung der bereits Ende Juli in der Hauptsache erhobenen Klage wiederherstellen. In dem LTO (Max Kolter) vorliegenden Antrag ist ausgeführt, dass der von Land und Hochschule beanstandete Tweet der Dozentin als privater Debattenbeitrag tatsächlich angemessen war. Aslan habe eben nicht die gesamte Polizei als "braunen Dreck" bezeichnet. Zudem habe das Land bei seinem Widerruf des Lehrauftrags weder verhältnismäßig gehandelt noch das erforderliche Ermessen ausgeübt.
VG Gera zu AfD-Mitglieder und Waffen: Den Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Gera, in dem festgestellt wurde, dass die bloße Mitgliedschaft in der AfD nicht einen Widerruf einer Waffenerlaubnis rechtfertigt, kommentiert Max Bauer (swr.de). Es sei bemerkenswert, dass das VG die Argumentation der beklagten Behörde damit abgetan habe, dass deren Erkenntnisse auf Einschätzungen des Verfassungsschutzes beruhten, dieser sich aber vor allem auf Äußerungen "eines Landessprechers" beziehe. Indem dem Gericht ein Nachweis fehlt, eben jener "Landessprecher" repräsentiere den gesamten Landesverband, stelle es sich "blind und taub gegenüber der Macht Björn Höckes und versagt so beim Schutz der Demokratie."
VG Minden zu Corona-Schließungen bei Tönnies-Betrieben: Das Verwaltungsgericht Minden hat eine Klage der Tönnies-Unternehmensgruppe abgewiesen. Ursprünglich hatte Tönnies die coronabedingte Schließungsverfügung gegen Deutschlands größten Schlachthof aus dem Sommer 2020 angegriffen. Unmittelbar vor dem Gerichtstermin hat Tönnies jedoch den größten Teil der Klage zurückgenommen. Deshalb war nur noch über Einschränkungen bei einer Speditions-Tochter von Tönnies zu befinden. Nach Auffassung des Gerichts hatte das Unternehmen die mündlichen Verfügungen und Absprachen mit dem zuständigen Kreis Gütersloh falsch verstanden. Die tatsächlichen Verfügungen seien nicht rechtswidrig gewesen. LTO berichtet.
Recht in der Welt
USA – Klimaklage in Montana: Über die erfolgreiche Klimaklage bei einem Bezirksgericht im US-Staat Montana schreiben nun auch FAZ (Winand von Petersdorff-Campen) und taz (Susanne Schwarz). Die jugendlichen Kläger und Klägerinnen hätten erfolgreich eine umweltrechtliche Klausel des Bundesstaats angegriffen, nach der es Behörden verboten war, die Umweltverträglichkeit großer Energieprojekte zu prüfen. Dies stehe im Widerspruch zur Verfassung von Montana, die "eine saubere und gesunde Umwelt in Montana für heutige und künftige Generationen" garantiere. Vergleichbare Regelungen existierten auch in anderen Bundesstaaten. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Klage gilt aber bereits als die erste erfolgreiche Klima-Verfassungsklage in den USA.
USA – Internet Archive: Am vergangenen Freitag gab ein US-amerikanisches Gericht der Klage von vier großen Verlagen statt, die eine Urheberrechtsverletzung der gemeinnützigen Stiftung Internet Archive (IA) geltend gemacht hatten. In Streit stand die coronabedingte Eröffnung der sogenannten "National Emergency Library" durch das IA, bei der übliche Sicherungen gegen die Nutzungen von Scans von Büchern entfielen. Die FAZ (Helmut Mayer) berichtet.
USA – Druckertinte: Ein US-Bundesgericht in Kalifornien hat eine gegen den Druckerhersteller HP erhobene Schadensersatzklage zur Entscheidung angenommen. Die Kläger stießen sich an der auch von anderen Herstellern verwendeten Praxis, sämtliche Gerätefunktionen einzustellen, sobald die – in der Regel überteuerte – Druckertinte zur Neige geht, schreibt die taz (Daniel Kretschmar).
Tschechien – Verfassungsgericht: Robert Fremr, früherer Vizepräsident des Internationalen Strafgerichtshofs, hat seine Bewerbung für einen Richterposten am Verfassungsgericht der Tschechischen Republik zurückgezogen. Der Schritt folgte öffentlichem Druck über die Rolle des 65-jährigen Juristen in der damaligen CSSR. Als Richter habe Fremr damals mehr als 100 sogenannte Republikflüchtlinge verurteilt und etwa 1988 einen 19-Jährigen zu sechs Jahren Haft wegen "Unterstützung des Faschismus" verurteilt, obgleich der damalige Geheimdienst Beweise manipuliert habe. Dies berichtet die FAZ (Niklas Zimmermann).
Ukraine – Minderheitensprache/Venedig-Kommission: Das ukrainische Parlament hat jüngst beschlossen, eine Regelung, nach der Schulen nicht mehr mehrheitlich in einer Minderheitensprache unterrichten dürfen, vorläufig auszusetzen. Das als anti-russische Maßnahme geplante Gesetz war vor allem in Ungarn kritisiert worden. Die Zurückstellung beruhe vorwiegend auf einer Empfehlung der sogenannten Venedig-Kommission, erklärt die FAZ (Niklas Zimmermann). Die am Europarat angesiedelte Institution sei mit der Zusammenarbeit mit Kiew vollauf zufrieden.
Russland – Verurteilung von Oppositionellen: In einem Gastbeitrag für das Feuilleton der FAZ beschreibt der Historiker Alexey Tikhomirov Beispiele des Umgangs mit tatsächlichen oder vermeintlichen Oppositionellen im heutigen Russland. Weit über die oft genug drakonischen Strafen wegen Kritik am Überfall auf die Ukraine hinaus würden Menschen, die von der offiziellen politischen Linie abweichen, mit öffentlichen Beschämungspraktiken gedemütigt. Hierzu gehörten auch öffentliche Entschuldigungen für vermeintliche Vergehen.
Sonstiges
Staatsvertrauen: Nach einer im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes (DBB) erstellten repräsentativen Umfrage nehmen lediglich 27 Prozent der Befragten an, dass der Staat imstande sei, seine Aufgaben zu erfüllen. Bei der Vorstellung der Umfrage machte der DBB-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach für diesen historischen Tiefststand auch die "fehlende Entscheidungsfreude" der Bundesregierung verantwortlich, so die FAZ (Stephan Klenner).
Reinhard Müller (FAZ) gibt im Leitartikel zu bedenken, dass die oft kritisierte Bürokratie auch "Arbeitsschutz, Gebäudesicherheit, Rechtswegen und der Durchsetzung von Verfassungsrecht" diene. Sie wirke so auch als "Standortvorteil." Gleichwohl behinderten unverständliche Formulare und sich selbst widersprechende Vorschriften "jede Initiative".
Klimaprotest: Die Welt (Diana Pieper/Ricarda Breyton) beschreibt, wie Kommunen Klimaprotesten durch präventive Versammlungsverbote vorzubeugen versuchen. Der Erfolg sei ebenso umstritten wie die Einschätzung ihrer Rechtmäßigkeit.
KI und Urheberrecht: In einem Gastbeitrag für den Recht und Steuern-Teil der FAZ beschreibt Rechtsanwalt Alexander Duisberg Herausforderungen des klassischen Urheberrechts durch zunehmend anspruchsvollere KI-Systeme. Transparenz- und Kennzeichnungspflichten würden zwar noch eine gewisse Zeit "das Vertrauen in menschliche Autorenschaft stärken," auf längere Sicht jedoch nichts daran ändern, dass bald auch Maschinen die im Urheberrecht maßgebliche Schöpfungshöhe erreichen.
Lieferketten und Menschenrechte: Rechtsanwalt Simon Spangler schreibt im Recht und Steuern-Teil der FAZ, dass das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in einer Handreichung das Abwälzen von Verpflichtungen nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auf Zulieferer für unzulässig erklärt hat. Damit dürften Meinungsverschiedenheiten zwischen verpflichteten Unternehmen und deren Zulieferern zukünftig zunehmen und auch gerichtlich ausgetragen werden.
BW-Ortskräfte in Mali: Nachdem fünf Übersetzer, die für die Bundeswehr in Mali tätig waren, um Schutz der Bundesregierung gebeten haben, analysiert die taz (Dinah Riese/Christian Rath u.a.) das bereits bestehende Verfahren für afghanische Ortskräfte. Im Fall einer Gefährdung kann das Bundesinnenministerium eine Aufnahmezusage gem. § 22 Aufenthaltsgesetz geben. Auf diese Zusage bestehe jedoch kein einklagbarer Anspruch, auch nicht aus grundrechtlichen Schutzpflichten.
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LTO/mpi/chr
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Die juristische Presseschau vom 16. August 2023: . In: Legal Tribune Online, 16.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52494 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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