Die juristische Presseschau vom 02. April 2015: Kannibalen-Mord – Palästina im IStGH – Unternehmen und Menschenrechtsschutz

02.04.2015

Recht in der Welt

EuGH – Facebook: Die taz (Svenja Bergt) führt ein Interview mit dem Datenschutz-Aktivisten Max Schrems. Durch ihn wurde ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof hinsichtlich des Umgangs von Facebook mit seinen Benutzerdaten angestoßen. Schrems findet energische Worte zu den Problemen der heutigen Netzpolitik, den Konsequenzen eines Machtwortes aus Luxemburg und eine Erklärung für die bisher unterbliebene Einigung zwischen EU und USA in Sachen "Massenüberwachung".

IStGH – Palästina: Am gestrigen Mittwoch trat Palästina dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bei und bereite bereits Dokumente für eine Klage vor, welche Kriegsverbrechen Israels im Hinblick auf Siedlungspolitik und Gaza-Krieg belegen sollen, berichtet spiegel.de. Chefanklägerin Fatou Bensouda hatte schon im Januar erste Vorermittlungen zu etwaigen Kriegsverbrechen im Gaza-Konflikt eingeleitet.

faz.net (Hans-Christian Rößler) beschreibt den Weg Palästinas zum Mitglied des Internationalen Strafgerichtshof und weist daraufhin, dass es sich lediglich um einen "völkerrechtlichen Etappensieg" handele. Denn die Vorverfahrenskammer könnte die Frage aufwerfen, ob es sich bei Palästina überhaupt um einen Staat handelt. Zudem könne der IStGH nur Verbrechen nach dem 1. Juli 2002 ahnden und es drohe eine lange Verfahrensdauer.

Frankreich – Menschenrechte: Am gestrigen Mittwoch wurde ein Gesetz ins Französische Parlament eingebracht, wonach große Unternehmen juristische Verantwortung für die "Einhaltung der grundlegenden Menschenrechte und der internationalen Normen für Umweltschutz und Menschenrechte" übernehmen sollen. Darüber informiert das Handelsblatt (Thomas Hanke). Eine entsprechende Beweislastumkehr zu Lasten der Unternehmen sei allerdings gestrichen.

Türkei – Gezi-Proteste: Die taz (JG) kritisiert die justizielle Aufarbeitung der Gezi-Proteste im Sommer 2013. So müssten bereits "Hunderte Gezi-Demonstranten" hohe Strafen verbüßen, wohingegen erst zwei Polizisten zu vergleichsweise "milden Haftstrafen" verurteilt wurden. Der Beitrag weist insbesondere auf "die beiden wichtigsten Prozesse" wegen der Gezi-Proteste hin – diese liefen gegen Vertreter von Bürgerinitiativen oder Berufsgenossenschaften sowie gegen die Demonstranten aus dem Fußballfanclub von Besiktas.

USA – Religious Freedom? Der US-Bundesstaat Indiana hat ein Gesetz verabschiedet, das es Unternehmen und Einzelpersonen erlauben soll, Dienstleistungen zu verweigern, "wenn sie sich dadurch in ihren religiösen Überzeugungen verletzt sehen." Dies schaffe die Möglichkeit, Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung abzuweisen, monieren Kritiker – Unterstützer argumentieren, es gehe lediglich um den Schutz der Gläubigen. Die Welt (Ansgar Graw) schildert weitere entsprechende US-Gesetze und analysiert, wie das Verhältnis von Religion und Homosexualität in den USA in den Gesetzen niedergeschlagen ist.

USA – Fracking: Ein Gericht im US-Bundesstaat Oklahoma befasst sich derzeit mit der Frage, ob Fracking Erdbeben verursacht. Im vorliegenden Fall wurde die Klägerin am 5. November 2011 bei einem Erdbeben durch herunter fallende Brocken in ihrem Haus verletzt. Sie vertritt die Ansicht, dass das Fracking der Ölkonzerne New Dominion und Spess ursächlich für die Erschütterungen war. Sollte das Gericht ihre Meinung teilen, könnte dies erhebliche Schadensersatzprozesse für entsprechende Unternehmen bedeuten. Die FAZ (Winand von Petersdorff) schildert unterschiedliche Ansichten zu der umstrittenen Frage der Konsequenzen des Fracking.

Sonstiges

Blockupy: Anlässlich der Ausschreitungen bei den Blockupy-Demonstrationen in Frankfurt am Main erläutert der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Hans Hugo Klein in der FAZ, weshalb die Versammlung hätte verboten werden müssen. Die Versammlung sei in ihrer friedlichen Form konstituierend für die Demokratie, jedoch nicht, wenn Gewalt von ihr ausgeht. Klein erklärt unter welchen Voraussetzungen eine wahrscheinlich gewaltsame Veranstaltung verboten oder mit erheblichen Auflagen belegt werden kann und betont, dass ein entsprechendes Vorgehen notwendig sei, um die staatliche Schutzpflicht vor allem gegenüber Gesundheit und Eigentum Dritter erfüllen zu können.

NSU-U-Ausschuss BaWü: Der baden-württembergische NSU-Untersuchungsausschuss wird ermitteln, ob sich mehr als nur zwei Polizeibeamte der rassistischen Organisation "European White Kings of Ku Klux Klan" anschließen wollten. Achim Schmid, früherer V-Mann des Verfassungsschutzes, sagte den "Stuttgarter Nachrichten", dass fünf bis sechs Polizisten offen mit der Organisation sympathisiert hätten. Bisher waren zwei Polizeibeamte bekannt, welche Mitglied im Ku-Klux-Klan Schwäbisch-Hall waren. Der Untersuchungsauschuss wird voraussichtlich auch Schmid als Zeugen laden. Dies meldet die FAZ (Rüdiger Soldt). Auch focus.de schreibt über die Verbindungen der baden-württembergischen Polizei zum Ku-Klux-Klan.

Die Grünen im Bundestag fordern die NSU-Untersuchungsausschüsse dazu auf, für die Sicherheit ihrer Zeugen zu sorgen und gegebenenfalls "proaktiv Personenschutz anzubieten". Zudem müsse die Identität der Zeugen besser geschützt werden. Mit der am vergangenen Samstag verstorbenen 20-jährigen Zeugin des baden-württembergischen NSU-Untersuchungsausschusses sind bereits drei Zeugen des NSU-Komplexes verstorben. Der Vorsitzende des baden-württembergischem NSU-Untersuchungsausschusses Wolfgang Drexler (SPD) hingegen sei der Ansicht, dass die Zeugen ausreichend Schutz erhielten. Die taz (Tobias Schulze) informiert.

Das Letzte zum Schluss

Cleverer Einbrecher: Zwei Polizisten waren in einem Haus auf der Suche nach einem Einbrecher. Nachdem sie nicht fündig wurden, wandten sie sich vertrauensvoll an einen Nachbarn. Der "Nachbar" führte die Beamten in ein Zimmer und schloss dieses sogleich zu. Dann rief er 110 an und gab vor, zwei falsche Polizisten entdeckt und eingesperrt zu haben. Die gefangenen Gesetzeshüter machten wohl keine Anstalten sich zu befreien, sondern warteten brav, bis ihre Kollegen sie befreiten. Dies meldet r24.de.

Einheitliche Juristenausbildung: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) plant eine Reform der Juristenausbildung – Ziel seien bundeseinheitliche Staatsexamina. Deren Regulierung soll nur noch teilweise von den Ländern vorgenommen werden. Für die Zahl der Klausuren, den Pflichtstoff und die mündlichen Prüfung sollen einheitliche Vorgaben ausgearbeitet werden. Ein wesentlicher Beweggrund der Reform sei, "die allgemein als zu einfach empfundenen Prüfungen in Bayern auf ein Niveau mit den anderen Bundesländern zu bringen", weiß juraexamen.info.*

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Am Dienstag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/vb

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage .

* Dieser offensichtlich als Aprilscherz gemeinte Beitrag wurde zunächst als "Thema des Tages" aufgeführt, zur Vermeidung von Missverständnissen aber schließlich an das Ende der Presseschau gesetzt.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 02. April 2015: Kannibalen-Mord – Palästina im IStGH – Unternehmen und Menschenrechtsschutz . In: Legal Tribune Online, 02.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15139/ (abgerufen am: 03.07.2024 )

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