Die juristische Presseschau vom 21. September 2011: Kein Erfolg für Yukos – Keine Ruhe um Schönefeld – Keine Gnade für Troy Davis

21.09.2011

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden: Russland hat die Rechte des früheren Ölkonzerns Yukos verletzt, allerdings sei politische Verfolgung nicht erkennbar. Außerdem in der Presseschau: Lärmschutz für den Flughafen Schönefeld, laufende Verfahren beim Bundesfinanzhof, die zweifelhafte Todesstrafe für Troy Davis in Georgia und vieles andere.

Yukos: Wie unter anderem die FAZ (Reinhard Müller) berichtet, habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil festgestellt, dass die Auflösung des russischen Ölkonzerns Yukos nicht politisch motiviert gewesen sei. Die Steuerschulden seien das Ergebnis legitimer russischer Verfahren gewesen.

Die taz (Christian Rath) geht auf die gleichfalls vom Gericht festgestellten Verfahrensfehler ein: Yukos habe bis zur ersten Gerichtsverhandlung lediglich vier Tage Zeit gehabt, um 43.000 Seiten Akten durchzuarbeiten. Ferner hätten die Gerichtsvollzieher zur Begleichung der Steuerschuld von 15,1 Milliarden Euro andere Wege als bloß den Verkauf der Ölfördergesellschaft Yuganskneftegaz prüfen müssen, der das Ende von Yukos besiegelt habe.

Das Handelsblatt meldet, über Schadenersatzforderungen von 71 Milliarden Euro des früheren Eigentümers Chodorkowski, der wegen Steuerhinterziehung eine lange Haftstrafe verbüßen muss, werde das Gericht später entscheiden.

Das Urteil wird kontrovers kommentiert. Klaus-Helge Donath (taz) bezeichnet es als sehr vorsichtig. Bei einer explizit politischen Verurteilung Russlands werde dessen Ausscheiden aus dem Europarat wahrscheinlicher. Damit würde russischen Bürgern die Möglichkeit einer Klage vor dem EGMR genommen. Im Moment komme jede zweite Klage vor dem Gericht in Straßburg aus Russland. Die FTD (Verena Diethelm) spricht von einem „diplomatischen Sieg Moskaus“, während die SZ (Cathrin Kahlweit) den „Teilerfolg für Yukos“ hervorhebt. Dessen Ex-Vorstand Bruce Misamore habe sich zufrieden gezeigt, dass die Klage eines Konzerns der seit 2007 nicht mehr existiert, vom Gericht angenommen worden sei.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Bundestag und Rettungsfonds: Wie unter anderem das Handelsblatt (dri) meldet, haben sich die Haushälter der Parteien im Bundestag auf ein Modell geeinigt, das die Mitwirkung des Bundestags bei schnellen Entscheidungen des Euro-Rettungsfonds garantieren soll. Künftig werde es einen neunköpfigen Vertrauensausschuss geben, In dem alle Bundestagsfraktionen vertreten sein sollen. Dieser könne die erforderliche Zustimmung des Bundestages geben, wenn in Notfällen schnell Kreditlinien für kriselnde Länder und Rettungsmaßnahmen für Banken geschaffen werden müssten.

Wie die FAZ (Günter Bannas, Manfred Schäfers) berichtet, habe dagegen unter anderem Bundestagspräsident Lammert erhebliche Einwände formuliert und Nachverhandlungen verlangt. Aus seiner Sicht sei das Modell geeignet, den Bundestag über die Kriterien Eilbedürftigkeit und Vertraulichkeit sowie Regelungen über Änderungen des „Gewährleistungsrahmens“ faktisch auszuhebeln.

zeit.de zitiert dagegen den Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier: „"Es wird eine umfassende Parlamentsbeteiligung vorgesehen und trotzdem sichergestellt, dass die Bundesregierung handlungsfähig bleibt."

Wolfgang Münchau (FTD) interessiert weniger die prozedurale Feinjustierung eines Parlamentsentscheids denn die Unwilligkeit der politischen Akteure. Er notiert: „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts setzt zwar objektive Grenzen für die Politik, aber seine vernichtende Wirkung liegt nicht in seinem formalen Gehalt, sondern in der Interaktion mit einer sich hinter dem Gericht versteckenden Politik. Die Kombination aus dem Urteil und Merkels wiederholter kategorischer Ablehnung von Eurobonds hat den Spielraum der Politik in der Lösung der Krise auf null reduziert.“

Sicherungsverwahrung: Im Vorausblick auf die Justizministerkonferenz am Donnerstag untersucht die FR (Steffen Hebestreit) die Erwartungen, die die Vertreter der Länder dabei an Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger haben. Insbesondere müsse diese endlich eine Liste der Delikte nennen, bei der die Sicherungsverwahrung möglich sei, damit sich die Mehrkosten in Millionenhöhe wenigstens grob abschätzen ließen.

Verbraucherschutz als Datenschutz: Verbraucherschutzministerin Aigner erörtert im US-Handelsministerium in Washington gerade Fragen des Datenschutzes. Aus diesem Anlass bringen zeit.de (Karsten Polke-Majewski) und das Handelsblatt (Daniel Delhaes) Interviews mit der Ressortchefin. Im Handelsblatt sagt sie: „Freiheit hat dort Grenzen, wo Persönlichkeitsrechte von Nutzern verletzt werden. Das gilt etwa für Unternehmen, die versuchen, umfangreiche Profile von Kunden zu erstellen, ohne dass diese etwas davon mitbekommen.“

Weitere Themen - Justiz

Flughafen Schönefeld: Wie handelsblatt.com berichtet, hätten die Richter des Bundesverwaltungsgerichts, die sich erneut mit dem Lärmschutz des neuen Großflughafens Schönefeld befassen, Zweifel daran geäußert, ob die Planer beim ihrer Konzeption von den richtigen Voraussetzungen ausgegangen seien. Der Vorsitzende des Vierten Senats, Rubel, habe erläutert, dass die Betreiber des Flughafens nachweisen müssten, dass es für Flüge zwischen 22 und 6 Uhr einen besonderen Bedarf gebe. lto.de führt aus, nach § 29 b Absatz 2 Luftverkehrsgesetz sollten Luftfahrtbehörden und Flugsicherungsorganisationen auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinwirken.

Offene Verfahren Bundesfinanzhof: Die FTD (Raimund Diefenbach) gibt einen Überblick über noch nicht entschiedene Verfahren beim Bundesfinanzhof, die für Arbeitnehmer und Unternehmer von Belang sein könnten. Auf laufende Verfahren könne man sich in steuerrechtlichen Fragen berufen, aktuell gehe es unter anderem um Fälle zur Verlustverrechnung, Angehörigenverträge und Ferienimmobilien.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Troy Davis: Der Gnaden- und Bewährungsausschuss des US-Bundesstaates Georgia hat das Gnadengesuch von Troy Davis abgelehnt. Damit wird der Afroamerikaner, der 1989 einen weißen Polizisten erschossen haben soll am Mittwoch hingerichtet. Wie die taz (Dorothea Hahn) berichtet, war der heute 42jährige Davis 1991 zum Tode verurteilt worden. Danach hätten sieben von neun Belastungszeugen ihre Aussagen widerrufen. Die SZ (Reymer Klüver) zitiert Russell Covey, einen Rechtsprofessor an der Georgia State University in Atlanta. Ein bereits verurteilter Häftling müsse klare und überzeugende Beweise für seine Unschuld vorlegen“, um ein existierendes Urteil korrigieren zulassen. Dieser Maßstab sei strenger, als wenn nur erhebliche Zweifel an der Schuld geltend zu machen seien. Unter anderem spiegel.de weist darauf hin, dass mehr als 600000 mit ihrer Unterschrift gegen eine Hinrichtung protestiert hätten, darunter auch Jimmy Carter, Desmond Tutu und Papst Benedikt der XVI.

Schweizer Bundesanwalt: Die SZ (Uwe Ritzer) porträtiert Michael Lauber. Der 45-jährige habe gute Chancen, neuer Bundesanwalt der Schweiz zu werden. Er wäre in diesem Amt ein Nachfolger von Carla del Ponte, der späteren Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Lauber, der jahrelange Erfahrung als Ermittler im Bereich der Steuer- und Finanzkriminalität vorzuweisen habe, traue man zu, den durch seinen Vorgänger Beyerle ramponierten Ruf des Amtes wieder herzustellen.

Tunesischer Fischer kein Schlepper: Die taz (Christian Jakob) berichtet über das Strafverfahren gegen den tunesischen Fischer Abdel Basset Zenzeri. Dieser hatte mit seiner Mannschaft eine Gruppe afrikanischer Bootsflüchtlinge gerettet und war zunächst als Schlepper verurteilt worden. In einem zweiten Verfahren habe das Gericht in Agrigento Zenzeri und einen anderen Kapitän Ende 2009 zwar vom Vorwurf der Beihilfe zur illegalen Einreise freigesprochen. Allerdings seien die beiden „wegen Widerstands und Gewalt gegen ein Kriegsschiff und gegen die Staatsgewalt“ zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft sowie zur Zahlung der Prozesskosten verurteilt worden. Über die Berufung sei noch nicht entschieden.

Sonst

Thomas Dehler: Jürgen Seul (lto.de) porträtiert den FDP-Politiker Thomas Dehler, der am 20. September erster Bundesjustizminister wurde. In Dehlers Amtszeit, der dem zweiten Kabinett Adenauer nicht mehr angehörte, wurden die Obersten Bundesgerichte geschaffen.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.)

lto/ro



(Hinweis für Journalisten) 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. September 2011: Kein Erfolg für Yukos – Keine Ruhe um Schönefeld – Keine Gnade für Troy Davis . In: Legal Tribune Online, 21.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4350/ (abgerufen am: 30.06.2024 )

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