Ministerien planen Entwurf für ein Beschäftigtendatenschutzgesetz. EuGH gewährt beim kurzfristigen Tod eines Ko-Piloten Entschädigung für den Flugausfall. BGH hält Corona-Betriebsschließungen auch ohne Entschädigung für verhältnismäßig.
Thema des Tages
Beschäftigtendatenschutz: Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten im Beschäftigungsverhältnis soll es künftig deutlich strengere Regeln geben. Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) wollen noch diesen Sommer einen Entwurf für ein Beschäftigtendatenschutzgesetz vorlegen und damit einen besseren Schutz bei der Überwachung, bei der Kontrolle und bei der Auswahl von Beschäftigten bieten. Das geplante Gesetz würde die derzeitige vage Regelung in § 26 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ablösen, die möglicherweise auch gegen EU-Recht verstößt. Das Gesetz soll nicht nur für die rund 42 Millionen Arbeitnehmer:innen gelten, sondern auch für solo-selbständige Plattformtätige. Ein internes Papier skizziert bereits die Vorstellungen der Ministerien. "Es muss geschützte Rückzugsräume geben, in denen man unbeobachtet sein kann", heißt es dort zum Beispiel. Arbeitgeber sollten "keine lückenlosen Bewegungs- und Leistungsprofile ihrer Mitarbeiter erstellen dürfen". Geregelt werden soll auch der Einsatz von KI-Programmen. So dürfte KI einer Mitarbeiterin künftig je nach Position, Fähigkeiten und Werdegang gezielt Fortbildungskurse anbieten. KI-Programme dürften aber nicht aus Bewerbungsvideos angebliche Persönlichkeitsmerkmale von Kandidat:innen herauslesen. Es berichten die SZ (Markus Balser/Roland Preuß) und die Rechtsanwältinnen Antje Münch und Carina Bart im Expertenforum Arbeitsrecht.
Rechtspolitik
KI: Im EU-Parlament haben die beiden zuständigen Ausschüsse für Binnenmarkt und Inneres mit großer Mehrheit eine gemeinsame Position zur geplanten Verordnung zur Regulierung von künstlicher Intelligenz (AI-Act) beschlossen. Die Position umfasst einige umstrittene Änderungen am Verordnungsentwurf der EU-Kommission, worüber voraussichtlich Mitte Juni im Plenum abgestimmt wird. Bei der besonders umstrittenen Nutzung biometrischer Daten, die etwa zur Gesichtserkennung genutzt werden können, soll bei Personen der Abgleich durch KI bis auf wenige Ausnahmen verboten werden. Zu dem im Entwurf vorgesehenen risikobasierten Ansatz, wonach die Entwickler:innen von KI umso mehr Auflagen beachten müssen je riskanter die Anwendung ist, sagt die gemeinsame Position, dass darauf geachtet werden müsse, nicht jede KI automatisch als hochriskant einzustufen. Vielmehr solle geprüft werden, ob ein "signifikantes Risiko" besteht. Als potentielles Risiko gilt etwa eine strukturelle Vertiefung von Rassismus und Sexismus. Das Hbl (Carsten Volkery/Christof Kerkmann u.a.) berichtet.
Whistleblowing: Der Bundestag hat mit einem geänderten Hinweisgeberschutzgesetz einen besseren Schutz für Whistleblower:innen beschlossen, die auf Missstände in ihrem Unternehmen oder ihrer Behörde hinweisen. Am Dienstag hatte der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat Änderungen am bisherigen Gesetz der Ampelkoalition vereinbart. Der Bundesrat muss dem Gesetz an diesem Freitag noch zustimmen. tagessschau.de berichtet.
Kontrolle ehemaliger Beamt:innen: Das für die Kontrolle der Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages fordert strengere Kontrollregelungen für ehemalige Top-Beamt:innen aus sicherheitsrelevanten Bereichen, die im Anschluss in der Privatwirtschaft tätig werden. Abgeordnete des Gremiums warnen, es bestehe die Gefahr, "dass dienstlich erworbene Fähigkeiten und Kenntnisse autoritären Regimen oder kriminellen Organisationen zur Verfügung gestellt werden." Zum Beispiel müsse die Anzeigepflicht für die Aufnahme von neuen Erwerbstätigkeiten auf Beamte im Ruhestand ausgeweitet werden. LTO berichtet.
Justiz
EuGH zu Fluggastrechten: Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs muss eine Fluggesellschaft auch dann Ausgleichszahlungen an Passagiere zahlen, wenn der Flug ausfällt, weil der Kopilot kurz vor dem Flug unerwartet verstirbt. Ein solcher Tod sei zwar tragisch, stelle aber juristisch keinen "außergewöhnlichen Umstand" dar, der den Ausgleichsanspruch entfallen lässt. Der unerwartete Tod eines unverzichtbaren Besatzungsmitglieds sei wie eine Krankheit zu werten und damit Teil der normalen Tätigkeitsausübung einer Fluggesellschaft. Hintergrund war ein Flug der portugiesischen Airline TAP im Juli 2019 von Stuttgart nach Lissabon, bei dem die gesamte Crew sich wegen des Schocks nach dem Tod des Kopiloten fluguntauglich meldete. Einen Ersatzflug gab es erst knapp 11 Stunden später. Das Landgericht Stuttgart hatte den Fall dem EuGH vorgelegt. Es berichten SZ, spiegel.de und LTO.
BGH zu Betriebsschließung während Corona: Die sechswöchige Schließung der Frisörbetriebe in Baden-Württemberg während des ersten Lockdowns war nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs verhältnismäßig, obwohl es keinen Anspruch auf finanzielle Entschädigung gab. Die Dauer der Schließung sei angesichts der wirtschaftlichen, sozialen und sonstigen Auswirkungen der Pandemie und aufgrund des auch dort fortbestehenden Unternehmerrisikos nicht unzumutbar gewesen. Der BGH merkte an, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit des Staates begrenzt sei und der Staat sich in Pandemiezeiten "gegebenenfalls auf seine Kardinalspflichten zum Schutz der Bevölkerung beschränken" müsse. LTO berichtet.
BGH zu beA: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung noch einmal die hohen Sorgfalts- und Kontrollpflichten bei der Übermittlung von Schriftsätzen über das beA konkretisiert und im Ergebnis die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verneint. Konkret ging es um einen falschen Berufungsschriftsatz, der in Folge einer Verwechslung des Dateinamens verschickt worden war. Der BGH sieht im Dateinamen eine signifikante Fehlerquelle und wertet es nicht als Überspannung der anwaltlichen Sorgfaltspflichten, wenn in der Kanzlei auch die Anhänge und deren Inhalt überprüft werden müssen. LTO (Martin W. Huff) berichtet.
OLG Frankfurt/M. - Folter in Syrien: Die FAZ (Eva Schläfer) berichtet über den 72. Prozesstag am Oberlandesgericht Frankfurt/M. gegen den aus Syrien stammenden Arzt Alaa M., der wegen Mordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt ist. Er soll in den Jahren 2011 und 2012 unter dem Assad-Regime in Krankenhäusern in Holms und Damaskus 18 Menschen gefoltert und einen Mann getötet haben. Der Kölner Rechtsmediziner Markus Rothschild hat in einem von der Bundesanwaltschaft in Auftrag gegebenem Gutachten 27.000 Fotos aus den Krankenhäusern in Damaskus (mit 6821 Leichnamen) untersucht und seine Erkenntnisse als Sachverständiger vorgetragen.
LG Dresden - Einbruch ins Grüne Gewölbe: Die FAZ (Stefan Locke) berichtet, dass am kommenden Dienstag vor dem Landgericht Dresden nach 46 Prozesstagen das Urteil zum Einbruch ins Grüne Gewölbe fallen soll. Tathergang und Prozessverlauf werden noch einmal ausführlich geschildert.
LG Frankfurt/M. – Bestechlicher Staatsanwalt: Die SZ (Gianna Niewel) berichtet mit einem Seite-Drei-Artikel über den Korruptionsprozess gegen den ehemaligen Oberstaatsanwalt Alexander Badle vor dem Landgericht Frankfurt/M., der an diesem Freitag mit einem Urteil enden wird. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Steuerhinterziehung, Untreue und Bestechlichkeit in 86 besonders schweren Fällen vor und fordert eine Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren. Badle hatte gestanden, zwischen 2007 und 2020 Aufträge an das Unternehmen eines Freundes und an ein weiteres Unternehmen erteilt zu haben und dafür insgesamt 530.000 Euro erhalten zu haben.
VG Berlin zu Klimaprotesten/Schmerzgriff: Das Verwaltungsgericht Berlin hat den Antrag eines Aktivisten der "Letzten Generation" abgelehnt, der im Eilverfahren die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegen ihn von der Polizei zur Vollstreckung eines Platzverweises angewendeten "Handbeugetransporttechnik" begehrte. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten behördlichen Maßnahme könne grundsätzlich nur im Hauptsacheverfahren erreicht werden. Die Ausnahme einer Wiederholungsgefahr sei hier nicht gegeben – obwohl der Aktivist angekündigt hat, an weiteren Sitzblockaden teilzunehmen. Es berichten taz-Berlin und LTO.
AG Frankfurt/M. zu Klimaprotest: Die Sprecherin der "Letzten Generation", Carla Hinrichs, ist vom Amtsgericht Frankfurt/M. wegen Nötigung zu zwei Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Nach einer Straßenblockade im April 2022 wurde die 26-Jährige im März per Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 1.800 Euro verurteilt, wogegen sie Einspruch einlegte. Im Hauptverfahren, in dem sie sich selbst verteidigte, wurde sie nun zu der Bewährungsstrafe verurteilt. LTO berichtet.
StA Köln – Kardinal Woelki/Meineid: Nun berichtet auch die SZ (Christian Wernicke/Annette Zoch) über das neue Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Köln gegen Kardinal Rainer Maria Woelki wegen Meineids. Woelki hatte im März 2023 unter Eid ausgesagt, dass er einen von ihm unterzeichneten Brief an den Vatikan bis dahin noch nicht gelesen habe, dessen Inhalt also nicht kannte. Inzwischen ist aber das Protokoll einer Sitzung aus dem September 2022 aufgetaucht, in der Woelki den Inhalt des Briefes referierte.
Recht in der Welt
Frankreich – Nicolas Sarkozy: Die französische Staatsanwaltschaft hat wegen der "Libyen-Affäre" Anklage gegen den ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und zwölf seiner Vertrauten erhoben. Sarkozy wird Veruntreuung öffentlicher Gelder, Bestechlichkeit, Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie illegale Wahlkampffinanzierung vorgeworfen. Bei der Libyen-Affäre geht es um die unzulässige finanzielle Unterstützung durch den damaligen libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi beim Wahlkampf 2007. spiegel.de berichtet.
Pakistan – Imran Khan: Der Oberste Gerichtshof Pakistans hat die Freilassung des ehemaligen Premierministers und jetzigen Oppositionsführers Imran Khan verfügt. Dieser war am Dienstag bei einem Gerichtstermin von einer dem Militär unterstehenden Polizeieinheit wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet worden. In der Folge kam es zu massiven Protesten seiner Anhänger:innen mit mindestens acht Toten. Es berichten FAZ (Alexander Haneke), SZ, Welt, spiegel.de und zeit.de.
China – Guo Feixiong: Der unter dem Pseudonym Guo Feixiong bekannte chinesische Bürgerrechtler Yang Maodong ist von einem Gericht in Guangzhou wegen "Anstiftung zur Volksverhetzung" zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Er habe "aufrührerische Äußerungen" im Internet und in Interviews mit ausländischen Medien getätigt. Westliche Diplomaten durften das Gericht nicht betreten. Es berichten FAZ (Jochen Stahnke) und zeit.de (Dominik Lenze).
Juristische Ausbildung
Law-Clinic Regensburg: Im Interview mit beck-aktuell (Monika Spiekermann) berichten Rechtsprofessor Alexander Graser und Rechtsanwalt Christoph Lindner über die Arbeit der Law-Clinic an der Universität Regensburg. Diese teilt sich auf in die Refugee Law Clinic (RLC) und in die Strategic Litigation Unit (SLU), wobei letztere größere Verfahren begleitet, die grundsätzliche Rechtsfragen aufwerfen. Als Beispiel nennt Lindner das Brumadinho-Verfahren vor dem LG München I, bei dem es um Schadensersatzansprüche gegen die TÜV Süd AG wegen eines Dammbruchs in Brasilien geht, bei dem 272 Menschen starben.
Sonstiges
KI und Urheberrecht: Der Rechtsanwalt Jan Bernd Nordemann schreibt auf LTO über die Defizite des Urheberrechts in Bezug auf KI-generierte Inhalte von ChatGPT und anderen Anbieter:innen und erläutert, wie Kreative und Verwerter:innen ihre KI-Erzeugnisse absichern können. Zudem geht er darauf ein, wie umgekehrt auch Werke vor KI geschützt werden können.
Grenzkontrollen zu Österreich: Die taz (Christian Rath) berichtet über die an diesem Freitag in Kraft tretende erneute Anordnung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die Grenzen nach Österreich für weitere sechs Monate zu kontrollieren. Der Europäischen Gerichtshof habe in einem Urteil aus dem April 2022 massive Zweifel an der permanenten Verlängerung der Grenzkontrollen geäußert und entschieden, dass die vom EU-Schengen-Grenzkodex vorgegebene Obergrenze von sechs Monaten bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit streng zu verstehen sei. Für eine Aufrechterhaltung nach sechs Monaten sei eine "neue ernsthafte Bedrohung" für die öffentliche Sicherheit erforderlich, die "sich von der ursprünglich festgestellten unterscheidet." Faeser verwies auf die "erhebliche Zunahme" von unerlaubten Einreisen (92.000 Fälle in 2022 nach 57.600 Fällen in 2021).
Polizei auf Demonstrationen: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Emma Sammet kritisiert auf dem Verfassungsblog die Polizeitaktik der "Demobegleitung". Bei den diesjährigen 1. Mai-Demos in Berlin seien Demonstrations-Züge links und rechts von mehreren Reihen Polizist:innen begleitet worden, sodass von außen nicht einmal die politischen Forderungen ersichtlich gewesen seien. Bei dieser Taktik liege ein schwerwiegender Eingriff in die Versammlungsfreiheit vor.
Gedenktag für die Demokratie: Wie die FAZ (Reinhard Müller) berichtet, will das Land Hessen an diesem Freitag im Bundesrat eine Entschließung mit dem Titel "Gedenktag zur Geburtsstunde der Demokratie in Deutschland" in den Bundesrat einbringen. Danach soll der Bundesrat die Bundesregierung bitten, "im Einvernehmen mit den Ländern eine unabhängige Historikerkommission einzusetzen, die ein geeignetes historisches Datum für diesen Gedenktag vorschlägt." Die schwarz-grüne Landesregierung begründe den Antrag mit der "identitätsstiftende Funktion" von Gedenktagen.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/tr/chr
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Die juristische Presseschau vom 12. Mai 2023: . In: Legal Tribune Online, 12.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51755 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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