Die juristische Presseschau vom 2. August 2023: Trump wegen Ver­schwörung ange­klagt / Regress für Maut-Desaster? / Ver­gabe von Rechts­di­enst­leis­tungen

02.08.2023

Ex-Präsident Trump wird wegen des Angriffs aufs Kapitol angeklagt. Ex-Minister Scheuer sollte für das Mautdesaster zahlen, so Staatsrechtler Wieland. Auch Anwälte müssen bei der Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen Referenzen angeben.

Thema des Tages

USA - Trump/Verschwörung: In den USA wurde die bislang wohl schwerwiegendste Anklage gegen Ex-US-Präsident Donald Trump zugelassen. Ein Geschworenengremium (Grand Jury) hat die von Sonderermittler Jack Smith zusammengestellte Anklageschrift im Zusammenhang mit dem Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol und versuchter Wahlverfälschung jetzt gebilligt. Danach soll Trump den Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 durch seine Lügen über die angeblich gestohlene Präsidentschaftswahl befeuert haben. Die Anklage umfasst 45 Seiten und vier Anklagepunkte: Verschwörung zum Betrug an den Vereinigten Staaten, Verschwörung zur Behinderung der Beglaubigung des Wahlsieges von Präsident Joe Biden am 6. Januar 2021, Behinderung und Verschwörung gegen das Wahlrecht. Die sechs Mitverschwörer werden nicht namentlich genannt. Es soll sich um vier Anwälte, einen Mitarbeiter der US-Justiz und einen politischen Berater handeln. Trump muss am Donnerstag, 22 Uhr MESZ vor einem Bundesgericht in Washington erscheinen. Sonderermittler Smith strebt einen zeitnahen Strafprozess an. Trumps Lager verglich die Anklage mit Nazi-Methoden. spiegel.de und tagesschau.de berichten.

Rechtspolitik

Cybersicherheit: Die Richtlinie "über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau" (NIS2-Richtlinie), die bis Ende Oktober in nationales Recht umzusetzen ist, stellen die Rechtsanwält:innen Anne Leßner und Adrian Schneider in der FAZ vor. Die Richtlinie weitet die Anforderungen an die IT-Sicherheit bei Unternehmen in der EU massiv aus und bedeute für die IT-Sicherheit eine kleine Revolution – die kaum ein Unternehmen bislang mitbekommen habe. Es sei aber fraglich, ob das deutsche Umsetzungsgesetz rechtzeitig fertig werde. 

Justiz

EuGH zu Massenentlassungen: Der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zu den Konsequenzen einer unterlassenen Anzeige vor einer geplanten Massenentlassung beleuchtet jetzt auch Rechtsanwältin Kerstin Weckert in der FAZ. Danach habe die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Behörden in einem frühen Stadium Informationen über Massenentlassungen mitzuteilen, nicht den Zweck, den Arbeitnehmer:innen Individualschutz zu gewähren und deshalb führe eine Unterlassung nicht zur Unwirksamkeit der Massenentlassung. Abzuwarten bleibe jetzt, so Weckert, ob das BAG das Urteil des EuGH zum Anlass nehme, die gesamte Rechtsprechung zu Massenentlassungen zu ändern. Für Rechtsanwalt Steffen Krieger, der die Entscheidung auf beck-aktuell bespricht, ist darüber hinaus auch noch unklar, ob die Entscheidung des EuGH auch Relevanz für andere Fehler im Massenentlassungsverfahren habe.

BGH zu Heckenscherenmord: Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung eines Mannes, der einen anderen Mann minutenlang mit einer elektrischen Heckenschere attackiert hatte, aufgehoben und zurückverwiesen. Weil er aus niederen Beweggründen gehandelt habe, hatte ihn das Landgericht Limburg zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes verurteilt, habe dabei aber nicht ausreichend berücksichtigt, so der BGH laut spiegel.de, dass der Angeklagte zur Tatzeit zwei Promille im Blut hatte und deshalb möglicherweise vermindert steuerungsfähig war.

BGH – Zwangsversteigerungsfehler: Weil sie wegen eines Gerichtsirrtums ihr Eigenheim verlieren soll, ist eine Familie jetzt vor den Bundesgerichtshof gezogen. Das Amtsgericht Luckenwalde hatte das entsprechende Grundstück zwangsversteigert, weil der Erbe angeblich nicht erreichbar war. Nachdem die Familie hohe Kredite aufgenommen und dort ihr Haus gebaut hatte, habe sich der Erbe gemeldet und das Grundstück vor Gericht zurückgefordert. LG und OLG ordneten in der Folge die Herausgabe des Grundstückes an, die Revision wurde nicht zugelassen. Dagegen hat die Familie nun Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, wie LTO berichtet.

BGH zu Mietsachen und Nachbarschaftskonflikte: Der SWR-RadioReportRecht (Klaus Hempel) fasst aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zum Mietrecht zusammen. Es geht u.a. um Nachbarn, die über den Bau eines Swimmingpools streiten, einen überfluteten Keller und die Mietpreisbremse.

LSG BaWü zu Haustier und Hartz IV: Ronen Steinke(SZ) kritisiert die Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, dass der Unterhalt für einen Hund nicht zum Existenzminimum gehöre, als kurzsichtig. Wahrscheinlich gebe es kaum eine kostengünstigere Maßnahme, um das Ziel des Sozialrechts – die Sicherung der gesellschaftlichen Teilhabe auch für Menschen, die nicht (mehr) arbeiten können – zu fördern und negative Entwicklungen zu verhüten, als dass man ihnen ermögliche, ihr Haustier zu behalten.

OLG München zu NSU/Röggla-Roman: Ronen Steinke (SZ) kritisiert im Feuilleton das Buch "Laufendes Verfahren" von Kathrin Röggla, in dem sie aus Sicht einer Zuschauerin über den NSU-Prozess und das Geschehen auf der Zuschauertribüne berichtet. Was uns hier gegenübertrete, so der Rezensent, sei "200 Seiten lang fast unverändert - eine larmoyante, streckenweise geradezu spöttische NSU-Prozess-Beobachterin, die an kaum einer Stelle echtes Interesse am Gegenstand ihrer Betrachtung, den Menschen hier im Saal, vermittelt".

LG Koblenz zu Hundebiss: Nachdem er vom Hund der Nachbarn gebissen wurde, verlangte ein Mann Schmerzensgeld und Verdienstausfall und bekam jetzt vom Landgericht Koblenz teilweise recht. In seiner Entscheidung erläutert das Gericht die Maßstäbe, die für die Beurteilung eines etwaigen Mitverschuldens gelten. Für LTO ist das Urteil deshalb höchst examensrelevant.

LG Schweinfurt zu Verdachtsberichterstattung durch Blog: Das Landgericht Schweinfurt hat entschieden, dass politische Aktivisten und Whistleblower – soweit sie kein journalistisch-redaktionelles Angebot darbieten – bei einer Verdachtsberichterstattung keine Stellungnahmen der Betroffenen einholen müssen. Nicht jedem Blog komme automatisch Pressecharakter zu, es bedürfe vielmehr der Beurteilung im Einzelfall, so das Gericht. Auf der Internetseite "buergerplattform-schweinfurt.de" war über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen die Compliance-Beauftragte der Stadt wegen versuchter Strafvereitelung berichtet worden, woraufhin die Beauftragte Unterlassung begehrt hatte. LTO berichtet.

GBA – Umsturzpläne/Reuß: Über die Ergebnisse der bisherigen Ermittlungen zu den Umsturzplänen der terroristischen Vereinigung um Prinz Reuß berichten jetzt auch taz (Konrad Litschko) und beck-aktuell. Eine wichtige Rolle soll dabei die Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Malsack-Winkemann gespielt haben; laut kürzlich veröffentlichter U-Haft-Beschlüsse des Bundesgerichtshofs soll sie Umstürzlern Zugang zum Bundestag verschafft haben.

Recht in der Welt

Israel – Justizreform: Die FAZ (Christian Meier) stellt die israelische Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara vor, die seit Monaten "im Zentrum des Sturms, den die Justizreform in Israel entfacht hat," stehe. Sie habe bereits frühzeitig Stellung gegen die Justizreform genommen, die Gerüchte über ihre Entlassung würden lauter. Baharav-Miara gelte keineswegs als Linke, sie habe verschiedene Vorhaben und Entscheidungen der Koalition abgesegnet und anderen widersprochen. Ihre Treue gelte dem Staat und seinen Institutionen, heiße es über sie.

Die SZ (Alexandra Föderl-Schmid) kommentiert die anstehende Entscheidung des israelischen Supreme Court zur Justizreform. Der Druck, der auf den Richtern laste, sei enorm: Denn ihre Entscheidung könne dazu führen, dass es zu einer noch nie da gewesenen Verfassungskrise in Israel komme. "Deshalb ist es richtig, dass bei der Beratung Mitte September (entgegen sonstiger Gepflogenheit) tatsächlich auch alle 15 Richter beteiligt sind – ein Novum."

Türkei - Justiz gegen Journalist:innen: Der türkische Journalist Yavuz Baydar schildert auf der SZ-Medienseite neue verschärfte Maßnahmen der türkischen Justiz gegen Journalist:innen, u.a. weil diese justizkritische Tweets retweetet haben. Zur Illustration des Klimas in der türkischen Justiz beschreibt der Autor auch, wie über tausend neu eingestellte Richter:innen und Staatsanwält:innen eine Rede von Präsident Erdogan immer wieder durch lauten Beifall unterbrechen. "Als er den Vorsitzenden der größten Oppositionspartei CHP Kemal Kılıçdaroğlu scharf angreift, erhält Erdoğan stehende Ovationen."

Juristische Ausbildung

Klausurenkorrektur: Dass Juraklausuren häufig "schludrig" korrigiert sind, findet Sabine Olschner (LTO), nicht selten sei die Benotung nur wenig hilfreich begründet. Das könne auch daran liegen, dass sich das Korrigieren, das in der Regel Referendare, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen oder Doktoranden und hin und wieder bereits Berufstätige, wie Anwälte oder Richterinnen, im Nebenjob durchführen, finanziell meist nicht lohne. Attraktiver könnte das Korrigieren werden, wenn sich digitale Klausuren durchsetzten, meint die Autorin. Das oft leidige Problem der schlecht lesbaren Handschrift der Studierenden entfiele und die Klausuren könnten schneller bearbeitet werden.

Sonstiges

Politikerhaftung/Andreas Scheuer: Für den emeritierten Rechtsprofessor Joachim Wieland spricht vieles dafür, dass Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) für das von ihm zu verantwortende Maut-Desaster auch persönlich "zur Kasse gebeten" werden sollte. Zu seiner Verantwortung als Minister habe gehört, so Wieland im Interview mit spiegel.de (Dietmar Hipp), keine unnötigen Risiken mit dem Geld der Steuerzahler einzugehen, und schon gar in einer solchen Höhe.  Es gehe "nicht um einen Regress, sondern um einen unmittelbaren Schadensersatz des Bundes gegen Scheuer aus dem Amtsrechtsverhältnis, das auf seiner Ernennung zum Minister beruht."

Ausschreibungen für Rechtsdienstleistungen: Bei der Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags für Rechtsdienstleistungen müssen Kanzleien, die daran teilnehmen wollen, Referenzen vorlegen. Dies hat das Bundeskartellamt in einem Nachprüfungsverfahren entschieden. Auch von Anwaltskanzleien könnten Angaben zu Auftraggebern, Ansprechpartnern und dem jährlichen Nettoauftragsvolumen vergangener einschlägiger Aufträge gefordert werden. Angebliche Verstöße gegen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht verneinte die 1. Vergabekammer dabei ebenso wie die Vermutung, dass Angaben von Anwält:innen immer verlässlich seien. beck-aktuell (Pia Lorenz) fasst den Beschluss zusammen.

 

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LTO/pf/chr

(Hinweis für Journalistinnen und Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 2. August 2023: . In: Legal Tribune Online, 02.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52395 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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