Die juristische Presseschau vom 8. Dezember 2017: "Ver­ei­nigte Staaten von Europa" / Klage wegen Nicht­auf­nahme von Flücht­lingen / VW-Manager ver­ur­teilt

08.12.2017

Justiz

EuGH – Klage gegen Ungarn, Polen und Tschechien: Die EU-Kommission verklagt Polen, Ungarn und Tschechien vor dem Europäischen Gerichtshof. Das berichten u.a. SZ (Thomas Kirchner, lto.de und taz (Eric Bonde). Hintergrund ist die Weigerung der drei Mitgliedstaaten, Flüchtlinge aus Italien und Griechenland nach dem von der EU aufgestellten Verteilungsschlüssel aufzunehmen. Im Juni hatte die EU-Kommission das Vertragsverletzungsverfahren gegen die drei Länder eröffnet. Ungarn hatte gegen die Umverteilung geklagt, war aber beim EuGH gescheitert.

Reinhard Müller (FAZ) zeigt zwar Verständnis dafür, dass Warschau, Prag und Budapest nicht der deutschen Flüchtlingspolitik folgen wollten. Sie müssten sich aber an die in der EU getroffenen Beschlüsse halten. Die EU gebe es nur ganz – oder gar nicht. Die Klage sei überfällig gewesen, meint Florian Hassel (SZ). Länder, die von der EU profitieren, aber die gemeinsamen Prinzipien aufgeben würden, müssten einen Preis zahlen.

EuGH – Klage gegen Ungarn: Die EU-Kommission verklagt laut faz.net Ungarn wegen dessen neuen NGO-Gesetzes. Nach diesem sind Organisationen, die mehr als 24.000 Euro aus dem Ausland erhalten, verpflichtet, sich registrieren zu lassen und in allen Publikationen anzugeben, dass sie "vom Ausland unterstützte Organisationen" sind. Nach Auffassung der EU-Kommission schränkt das neue Gesetz unverhältnismäßig stark Auslandsspenden für zivilgesellschaftliche Organisationen ein.

EuGH – Klage gegen Deutschland: Deutschland droht ein Zwangsgeld von mehr als 60.000 Euro am Tag, weil es die europäischen Regelungen zur Anerkennung von Berufsabschlüssen nicht rechtzeitig umgesetzt hat, meldet die FAZ.

EuGH zum Abschiebungshindernis bei langem Aufenthalt: Laut einem Bericht der FAZ (Constantin van Lijnden) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Drittstaatenangehörige, die über eine langfristige Aufenthaltserlaubnis verfügen, auch nach der Begehung erheblicher Straftaten nicht abgeschoben werden können. Ein Automatismus, wonach Verurteilungen zu mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe stets zur Abschiebung führten, sei nicht mit den europäischen Bestimmungen vereinbar, so das Gericht.

BVerfG zur gerichtlichen Aufklärungspflicht bei Auslieferung: Die Rechtsanwälte Frederik von Harbou und Johanna Künne erläutern auf verfassungsblog.de eine neuere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Auslieferungsrecht. In dem Fall ging es um einen tschetschenischen Bürger, gegen den ein Auslieferungsersuchen Russlands vorlag. Die Karlsruher Richter sahen in der Auslieferungsentscheidung des Oberlandesgerichts einen Verstoß gegen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG auf effektiven Rechtsschutz. Das Instanzgericht hätte vor seiner Entscheidung das Bestehen einer Gefahr politischer Verfolgung umfassend aufklären müssen.

LG Duisburg – Loveparade-Verfahren: lto.de (Pia Lorenz) gibt einen Ausblick auf den heute beginnenden Loveparade-Prozess. Es sei ein Mammutprozess, der alle Beteiligten vor historische Herausforderungen stellen werde. Sie würden bei der Technik des Sitzungssaals beginnen, strafrechtliche Grundsatzfragen in das Licht der Öffentlichkeit stellen und bei der Frage, was das Strafrecht überhaupt leisten kann, enden. Auch die taz (Hanna Voß, Andreas Wyputta) widmet sich dem anstehenden Verfahren.

GStA Naumburg – Oury Jalloh: Wie die taz (Konrad Litschko) und lto.de berichten, hat Anne-Marie Keding (CDU), Justizministerin Sachsen-Anhalts, die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg gebeten, das Verfahren an sich zu ziehen. Zur Begründung heißt es, dass es einen Konflikt in der Einschätzung des Falls zwischen der Staatsanwaltschaft Halle und der zuvor zuständigen Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau gebe. Um diesen Konflikt aufzulösen, werde die Generalstaatsanwaltschaft nun eine "eigenständige" Bewertung durchführen, so die Ministerin. Jollah ist vor 13 Jahren auf einer Dessauer Polizeiwache verbrannt. Mitte November ist ein Dokument aufgetaucht, in dem der "Anfangsverdacht eines Mordes" thematisiert wird.

OLG München zu Falschbehauptungen bei Werbeanrufen: Das Oberlandesgericht München hat laut einer Meldung der SZ dem Telefonanbieter O2 untersagt, bei Werbeanrufen falsche Behauptungen zum Konkurrenten Telekom zu verbreiten. In einem Fall wurde beispielsweise gegenüber einem Telekom-Kunde damit argumentiert, die Telekom werde seinen Anschluss nicht mehr bedienen.

SG Freiburg zur Befreiung von der Versicherungspflicht: Das Sozialgericht Freiburg hat sich mit der Regelung für die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für Syndikusrechtsanwälte befasst. Rechtsanwalt Martin W. Huff erläutert auf lto.de die Problematik und die Freiburger Entscheidung.

LG Dessau-Roßlau zum versuchten Mord an Informatiker: Das Landgericht Dessau-Roßlau hat vier Angeklagte zu Freiheitsstrafen zwischen acht und zehn Jahren und in einem Fall zu einer Jugendhaftstrafe wegen der Tötung eines Informatikers verurteilt. Wie spiegel.de berichtet, sah es das Gericht als erwiesen an, dass die aus Litauen stammenden Männer den 39-Jährigen im Januar 2012 auf einem Parkplatz an der A9 in Sachsen-Anhalt überfallen, verschleppt und getötet haben, um an dessen Geldkarten und Geheimnummern zu kommen. Die Angeklagten wurden erstmals bereits 2014 verurteilt, der Bundesgerichtshof hob die damalige Verurteilung wegen u.a. erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge aber auf und verwies das Verfahren zurück an das Landgericht. Die Karlsruher Richter rügten, dass die tatsächlichen Feststellungen im Verfahren nicht belegen würden, dass die todesursächlichen Gewalthandlungen vom Tatvorsatz der Angeklagten umfasst gewesen seien.

StA Düsseldorf – Anklage wegen Anschlag vor 17 Jahren: Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat im Fall des Bombenanschlags am S-Bahnhof Wehrhahn gegen einen 51-jährigen Mann Anklage erhoben. Wie spiegel.de berichtet, soll es sich um einen Rechtsradikalen handeln. Ihm wird zwölffacher versuchter Mord vorgeworfen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. Dezember 2017: "Vereinigte Staaten von Europa" / Klage wegen Nichtaufnahme von Flüchtlingen / VW-Manager verurteilt . In: Legal Tribune Online, 08.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25915/ (abgerufen am: 04.07.2024 )

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