Die juristische Presseschau vom 24. November 2017: Wer­bung mit Abt­rei­bungen / Erheben nur für Allah / Sch­mer­zens­geld für fal­sches Gut­achten

24.11.2017

Justiz

BVerfG zu Erheben nur für Allah: Ein muslimischer Angeklagter hatte sich beharrlich geweigert, zur Urteilsverkündung aufzustehen – er dürfe sich aus religiösen Gründen nur für Allah erheben. Seine Verfassungsbeschwerde gegen das daraufhin ergangene Ordnungsgeld hat das Bundesverfassungsgericht in einem nun veröffentlichten Beschluss als unzulässig abgewiesen. Er habe nicht hinreichend dargelegt, warum die Maßnahme sein Grundrecht auf Glaubensfreiheit verletze, meldet lto.de.

OLG Saarbrücken zu mangelhaftem Gutachten: Eine psychologische Sachverständige muss dem zu Unrecht verurteilten Norbert Kuß ein Schmerzensgeld in Höhe von 60.000 Euro zahlen, weil die Verurteilung aufgrund ihres fehlerhaften Gutachtens erfolgte. Laut dem Oberlandesgericht Saarbrücken sei die Kernaussage der Psychologin nicht haltbar gewesen, wonach die Aussagen der Belastungszeugin glaubhaft gewesen seien. Kuß verbüßte unschuldig eine knapp zweijährige Haftstrafe wegen sexuellen Missbrauchs seiner Pflegetochter und wurde schließlich im Jahr 2013 freigesprochen und für seine Haft entschädigt, meldet die Welt (Gisela Friedrichsen).

LG Saarbrücken zu Til Schweigers Post: Til Schweiger durfte die private Nachricht einer Frau an ihn auf Facebook veröffentlichen, ohne dabei ihren Namen oder ihr Profilfoto unkenntlich zu machen. Das Landgericht Saarbrücken wies den Antrag auf einstweilige Verfügung der Frau zurück und befand, dass Schweigers Vorgehen zwar grundsätzlich ihr Persönlichkeitsrecht verletze, hier aber das Informationsinteresse des Schauspielers sowie dessen Meinungsfreiheit überwögen. Die Betroffene habe sich dem öffentlichen Diskurs stellen müssen. Die FAZ (Timo Frasch) gibt die Argumentation des Gerichts wieder.

Reinhard Müller (FAZ) findet es gut, dass der Fall vor Gericht kam und "im Prinzip auch richtig, die Meinungsfreiheit im Zweifel weit auszulegen". Er hofft, dass das Urteil dazu beiträgt, das Bewusstsein in sozialen Medien zu schärfen: "Jeder sollte es sich dreimal überlegen, was er wie im Netz mitteilt."

OLG München  NSU: Nebenklageanwalt Peer Stolle vertritt in seinem Plädoyer die Auffassung, der NSU habe sich bereits zwei Jahre vor dem Abtauchen von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos gegründet, notiert spiegel.de.

LG Potsdam zu Anschlag auf Flüchtlingsunterkunft: Das Landgericht Potsdam hat einen 21-Jährigen zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren nach Jugendstrafrecht und zu 200 Sozialstunden in einer Einrichtung für Geflüchtete verurteilt. Im Oktober 2016 hatte er zwei Molotow-Cocktails auf eine Flüchtlingsunterkunft geworfen. Sein Vater, der ihn dazu angestiftet haben soll, sitze noch in Untersuchungshaft, schreibt zeit.de.

LG Stuttgart  Schlecker: Am kommenden Montag wird das Landgericht Stuttgart im Schlecker-Fall sein Urteil fällen. Das Hbl (Martin Buchenau/Sönke Iwersen u.a.) zeichnet im Titelthema ausführlich den Aufstieg und Absturz Anton Schleckers nach und resümiert den Prozess.

In einem separaten Interview spricht das Hbl (Sönke Iwersen/Kirsten Ludowig) mit Arndt Geiwitz über seine Arbeit als Schleckers Insolvenzverwalter. 

StA Freiburg  Hussein K.s Erziehungsstelle: Die Staatsanwaltschaft Freiburg ermittelt gegen die Freiburger Jugendhilfeeinrichtung Wiese wegen Betrugs. Sie soll den wegen Mordes und Vergewaltigung der Studentin Maria L. angeklagten Hussein K. aus Bereicherungsabsicht an das nicht geeignete Ehepaar S. vermittelt haben, um die entsprechend kostenintensivere Erziehungsstelle abrechnen zu können. Die Welt (Philip Kuhn) stellt die Frage, ob Maria L. noch am Leben wäre, wenn K. ordnungsgemäß untergebracht worden wäre.

AG Hamburg-St. Georg zu gedemütigter Enkelin: Das Amtsgericht Hamburg-St.Georg hat eine 57-Jährige zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 10 Euro verurteilt, weil sie ihre Enkelin in der S-Bahn gewaltsam unter ihren Gehwagen gedrückt hatte. Sie habe sich damit der Nötigung schuldig gemacht, meldet spiegel.de. Die Pflegschaft für ihre Enkelin sei ihr bereits vor dem Urteil entzogen worden.

ArbG Düsseldorf zu Air Berlin-Pilot: Ein ehemaliger Air Berlin-Pilot ist mit der Klage gegen seine Freistellung durch die insolvente Fluggesellschaft gescheitert. Das Arbeitsgericht Düsseldorf argumentierte, die insolvenzrechtliche Freistellung auf Widerruf müsse keiner Sozialauswahl folgen, meldet spiegel.de. Der Pilot hatte sich darauf berufen, dass Air Berlin ihn willkürlich nicht berücksichtigt und seine Betriebszugehörigkeit sowie seine familiäre Situation nicht beachtet habe.

BGH zu PayPal-Käuferschutz: Wenn Käufer mit dem PayPal-Käuferschutzprogramm den Kaufpreis zurückbuchen lassen, wird der Kaufpreisanspruch des Verkäufers wieder begründet, entschied der Bundesgerichtshof. Anwalt Carsten Dau setzt sich auf lto.de nun auch mit den Erwägungen des Gerichts auseinander. Dieser Präzedenzfall schaffe "große Unsicherheiten bei Verbrauchern", da der wesentliche Vorteil des PayPal-Bezahlsystems entfalle.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 24. November 2017: Werbung mit Abtreibungen / Erheben nur für Allah / Schmerzensgeld für falsches Gutachten . In: Legal Tribune Online, 24.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25683/ (abgerufen am: 04.07.2024 )

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