Zwei Jahre liegt die Auslieferung von "El Chapo" an die USA zurück. Die Details im Prozess gegen Ex-Anführer eines mexikanischen Drogenkartells stellten manche Serie in den Schatten. Der Ausgang des Dramas: schuldig in allen Anklagepunkten.
Wer irgendwann keine Lust mehr hatte, die Streaming-Serien "El Chapo" oder "Narcos: Mexico" bei Netflix zu gucken, konnte sich auch einfach in New York in den Gerichtssaal setzen. Über fast drei Monate führte die Staatsanwaltschaft dort en détail auf, wie das mexikanische Sinaloa-Kartell tonnenweise Drogen in die USA schmuggelte und mit oftmals grausigen Methoden seine Macht zementierte.
Dessen Ex-Anführer Joaquín Guzmán ist in der vorerst letzten Folge des juristischen Dramas nun schuldig gesprochen worden und muss für den Rest seines Lebens ins Gefängnis. Die Jury sah die Schuld des 61-Jährigen in allen zehn Anklagepunkten als erwiesen an, wie Richter Brian Cogan am Dienstag in New York verkündete. Für den schwersten Anklagepunkt, die Beteiligung an einer Verbrecherorganisation, schreibt das Strafgesetzbuch der USA lebenslange Haft vor. Guzmán kann keinen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen und dürfte damit bis zu seinem Tod im Gefängnis bleiben.
Strafmaß muss noch offiziell verkündet werden
Die nach Bundesgesetz zulässige Todesstrafe war in dem Prozess nach einer Einigung zwischen den USA und Mexiko, die Guzmán nach seiner Festnahme ausgeliefert hatten, ausgeschlossen. Die weiteren der insgesamt zehn Anklagepunkte drehten sich um die Herstellung und internationale Verbreitung der Drogen Kokain, Heroin, Methamphetamin und Marihuana sowie den Gebrauch von Schusswaffen und Geldwäsche. Richter Cogan muss das Strafmaß noch offiziell verkünden.
Rund 35 Stunden über sechs Tage hatten die zwölfköpfige Jury aus acht Frauen und vier Männern über Guzmáns Schuld oder Unschuld diskutiert. Auch eine Verurteilung in nur einem oder einigen der Anklagepunkte hätte für Guzmán eine jahrelange oder lebenslange Haftstrafe bedeutet. Ein Freispruch schien angesichts der teils erdrückenden Beweislast sehr unwahrscheinlich.
Die Beweislast muss die zwölf Geschworenen geradezu erschlagen haben. Die Staatsanwaltschaft hatte in dem Prozess über zweieinhalb Monate massenhaft Beweismaterial vorgelegt und mehr als 50 Zeugen aufgerufen. Die Geschworenen hörten von den frühen Tagen des Kartells in den 1980er-Jahren und wie Guzmán den Drogenschmuggel revolutionierte. Staatsanwälte legten dar, wie er Kokain, Heroin, Methamphetamin und Marihuana in größere US-Städte liefern ließ. Im Einsatz waren demnach Autos, Lastwagen, Züge, Flugzeuge, Hubschrauber, Fischkutter und U-Boote, genutzt wurden auch geheime Tunnel an der mexikanisch-amerikanischen Grenze.
Erdrückende Beweislage
Besonders erdrückend waren die Mitschnitte von Telefonaten, in denen Guzmán etwa bei Verhandlungen über eine Lieferung von 20 Kilogramm Heroin nach Chicago zu hören ist. Auch blutige Details blieben der Jury nicht erspart. Ex-Komplizen erzählten im Zeugenstand, wie Guzmán seine Konkurrenten ermorden ließ oder selbst Hand anlegte.
Guzmáns Anwälte riefen dagegen nur einen einzigen Zeugen auf und beendeten ihre Verteidigung des Falls innerhalb von 30 Minuten. Ihre Strategie bestand im Wesentlichen darin, die Zeugen der US-Regierung als Lügner darzustellen, die durch Aussagen gegen Guzmán lediglich eigene Haftstrafen verringern wollten. Guzmán selbst hatte darauf verzichtet auszusagen. Das vernichtende Urteil nahm Guzmán seinen Verteidigern zufolge "positiv" hin. "Wir waren ganz ehrlich gesagt verärgerter als er", sagte Anwalt Jeffrey Lichtman.
In Mexiko tobt der Drogenkrieg derweil auch ohne "El Chapo" weiter. Die Kartelle Juarez, Los Zetas und Jalisco Nueva Generación beherrschen weite Gebiete des Landes. Schmiergelder an Drogenfahnder, schlecht bezahlte Polizisten und selbst hochrangige Politiker helfen ihnen, Drogendeals im großen Stil abzuwickeln. Die US-Regierung brüstet sich trotzdem mit der Verurteilung. Man werde weiter unerbittlich gegen Drogenschmuggler vorgehen, warnte der amtierenden Justizminister Matthew Whitaker. Guzmáns Anwalt Eduardo Balarezo entgegnete auf Twitter, der Prozess sei nur eine "Show" zur Demonstration amerikanischer Macht gewesen.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Letzte Folge im Prozess gegen den Drogenboss: . In: Legal Tribune Online, 13.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33827 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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