Prozess gegen Journalistin: NGO wirft Türkei "Miss­brauch des Straf­rechts" vor

28.12.2016

Am Donnerstag beginnt der Prozess gegen die türkische Autorin Asli Erdogan wegen Terrorismus-Vorwürfen. Die Organisation Human Rights Watch wirft der Türkei bereits im Vorfeld Missbrauch der Justiz vor.

Einen Tag bevor am Donnerstag der Prozess gegen die türkische Journalistin Asli Erdogan beginnt, meldet sich die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch (HRW) zu Wort und erhebt schwere Vorwürfe gegen die türkische Justiz. Emma Sinclair-Webb, Türkei-Expertin bei HRW, sprach in dem Zusammenhang von einem "Missbrauch des Strafrechts auf Kosten der freien Meinungsäußerung".

Asli Erdogan und acht weitere Angeklagte stehen ab Donnerstag in Istanbul vor Gericht, wo sie sich unter anderem wegen der Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verantworten müssen. Die Staatsanwaltschaft fordert eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Die Angeklagten waren früher für die mittlerweile geschlossene pro-kurdische Zeitung "Özgür Gündem" tätig, welche von den türkischen Behörden als Sprachrohr der PKK angesehen wird. Asli Erdogan, die dort als Kolumnistin arbeitete, wurde im August bei einer Razzia gegen die Zeitung festgenommen und sitzt seitdem zusammen mit drei weiteren Redakteuren in Untersuchungshaft. 

HRW: 169 Medien und Verlage geschlossen

In der Türkei herrscht seit dem Putschversuch Mitte Juli weiterhin der Ausnahmezustand. Dieser ermöglicht es Präsident Recep Tayyip Erdogan, per Dekret zu regieren. Die Dekrete haben Gesetzeskraft und können nicht vor dem Verfassungsgericht angegriffen werden. Das Parlament muss ihnen lediglich nachträglich zustimmen.

Diese Machtposition Erdogans soll mit einer geplanten Verfassungsänderung noch weiter zementiert werden. Die Veränderungen, welche der türkische Staat derzeit erfährt, haben auch bei Regierungen anderer Länder und in der Europäischen Union (EU) für Entrüstung gesorgt. In der Folge hat sich im vergangenen Monat eine breite Mehrheit der Abgeordneten im EU-Parlament dafür ausgesprochen, die Beitrittsgespräche mit der Türkei vorerst auf Eis zu legen.

HRW gibt an, dass in der Türkei seit Verhängung des Ausnahmezustandes im ganzen Land 169 Medien und Verlage geschlossen wurden, darunter auch die "Özgür Gündem". 

"2016 wird als Jahr in Erinnerung bleiben, in dem der Präsident der Türkei versuchte, alle kritischen und unabhängigen Medien im Land zum Schweigen zu bringen", sagte Sinclair-Webb.

dpa/mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Prozess gegen Journalistin: . In: Legal Tribune Online, 28.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21606 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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